Beim Sport beschleunigt sich der Herzschlag deutlich. Für ein gesundes Herz ist diese Belastung kein Problem. Ist das Organ jedoch geschädigt, droht plötzliches Herzversagen.

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Es passiert meist völlig unerwartet, ohne Vorwarnung: Kammerflimmern, das Herz schlägt nicht mehr im üblichen Takt, es beginnt zu zittern und versucht mit bis zu 350 Schlägen pro Minute vergeblich, sauerstoffreiches Blut ins Gehirn und in die Muskeln zu pumpen. Der Betroffene spürt nach vier Sekunden eine Leere im Kopf, nach acht Sekunden bricht er bewusstlos zusammen. Herzstillstand, der Blutdruck sinkt auf null. Nach zwei bis drei Minuten hört er auf zu atmen, nach spätestens zehn Minuten tritt der Tod ein. Pro Jahr sterben rund 7000 Menschen in Österreich einen plötzlichen Herztod. "In etwa 80 Prozent der Fälle sind die Betroffenen älter als 35 Jahre", sagt Christian Hengstenberg, Leiter der kardiologischen Abteilung an der Med-Uni Wien.

Meistens ist der Auslöser eine langjährige, aber unentdeckte Erkrankung der Herzkranzgefäße, die sogenannte koronare Herzkrankheit (KHK). Wird sie rechtzeitig erkannt und behandelt, ist das Risiko, an einem plötzlichen Herztod zu sterben, "nahezu so niedrig wie jenes von Patienten ohne KHK", betont Thomas Voigtländer von der Deutschen Herzstiftung.

Grippeviren schwächen Herz

Immer häufiger sind auch junge Profi- und Leistungssportler betroffen. Im März 2018 starb der italienische Fußballnationalspieler Davide Astori vom AC Florenz im Alter von 31 Jahren an plötzlichem Herztod. Im Frühjahr 2012 versagte auch das Herz des norwegischen Schwimmweltmeisters Alexander Dale Oen. 2003 starb der 28-jährige kamerunische Fußballspieler Marc-Vivien Foé während des Confederations Cup in Frankreich vor laufenden Kameras einen plötzlichen Herztod.

Laut Studien liegt die Häufigkeit zwischen 0,7 und 3,0 Todesfällen pro 100.000 Sporttreibenden jährlich. "Bei Sportlern unter 35 Jahren sind die häufigsten Ursachen eines plötzlichen Herztods Erkrankungen des Herzmuskels, der Herzklappen, der Hauptschlagader oder der Herzkranzgefäße", sagt Jürgen Scharhag, Leiter der Abteilung für Sportmedizin am Institut für Sportwissenschaft der Uni Wien. In seltenen Fällen handelt es sich um angeborene Herzfehler oder genetisch bedingte Herzerkrankungen.

Meistens könnte der plötzliche Herztod verhindert werden, ist der Salzburger Kardiologe Jörg Eichinger überzeugt. Ein gewichtiges Risiko sind für Sportler verschleppte Bakterien- und Virusinfektionen. Die Krankheitserreger können sich im Herz einnisten und zu einer Herzmuskelentzündung führen. "Am gefährlichsten sind Influenzaviren. Für jeden Tag, den ein Patient an echter Grippe erkrankt ist, sollte er eine Woche auf sportliche Aktivitäten verzichten", sagt Eichinger. Eine Woche Grippe würde demnach fast zwei Monate Trainingspause bedeuten. Daran halten sich die wenigsten Profis: "Viele beginnen viel zu früh wieder mit dem Training. Einerseits fehlt ihnen die Krankheitseinsicht, andererseits stehen sie auch unter Druck. Wenn ein Wintersportler im Herbst für zwei Monate pausieren muss, ist die Saison für ihn gelaufen", erklärt Eichinger.

Todesfälle verhindern

Auch ein vermeintlich harmloser grippaler Infekt sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Für jeden Tag, an dem der Patient über 38,5 Grad Celsius Fieber hatte, verordnet Eichinger einen Tag Pause. Auch während einer Antibiotikatherapie sollten die Patienten auf körperliche Aktivitäten verzichten, da das Immunsystem ohnehin schon geschwächt sei. Bei leichtem Schnupfen oder Husten kann hingegen ein Training mit geringerer Intensität absolviert werden.

Ein weiteres Problem sei Eichinger zufolge, dass sich viele Profi- und Leistungssportler keiner regelmäßigen Herzuntersuchung unterziehen. "Würde man jedes Jahr ein Ruhe- und Belastungs-EKG und eine Ultraschalluntersuchung des Herzens machen, könnten viele Problemfälle rechtzeitig erkannt werden", sagt der Experte. Allerdings ist es im Ernstfall auch mit der Profikarriere vorbei, ergänzt Hengstenberg.

Dass der regelmäßige Herzcheck Todesfälle verhindert, zeigen Daten aus Italien. Dort sind seit dem Jahr 1982 Sporttauglichkeitsuntersuchungen für Wettkampfsportler aller Leistungsklassen und Wettbewerbe gesetzlich vorgeschrieben. Dadurch reduzierte sich die Plötzlicher-Herztod-Rate beim Sport um das Neunfache pro Jahr.

Auch wenig Sport hilft

Mit einem Anteil von 70 Prozent ist das tödliche Leiden vor allem ein Problem der Männer. So stellten Forscher vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bei einer Untersuchung von 54 männlichen und 29 weiblichen Triathleten fest, dass zehn der Männer (17 Prozent) Vernarbungen am Herzmuskel hatten. Frauen waren hingegen gar nicht betroffen. Die Ursache für die Vernarbungen führten die Wissenschafter auf eine bestehende oder zuvor nicht erkannte Herzmuskelentzündung zurück. Die Forscher vermuten, dass Männer eher über ihre körperlichen Grenzen gehen und sich zu wenig regenerieren, denn in der Normalbevölkerung kommt das Problem nur mit einer Häufigkeit von drei bis vier Prozent vor.

Eines ist trotzdem sicher: Die Couch ist ein gefährlicherer Ort als der Sportplatz. Diesen Schluss legt auch eine aktuell im Fachblatt British Journal of Sports Medicine veröffentlichte Meta-Analyse nahe. Forscher der Victoria University in Melbourne werteten die Ergebnisse von 14 Studien aus, die den Zusammenhang zwischen Joggen und dem Risiko für einen frühzeitigen Tod, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs untersuchten. Insgesamt wurden die Daten von 232.149 Personen ausgewertet, der Gesundheitszustand der Probanden zwischen 5,5 und 35 Jahren beobachtet.

Es zeigte sich, dass Joggen – unabhängig vom Pensum – mit einem um 27 Prozent geringeren Sterberisiko im Vergleich zu körperlicher Inaktivität verbunden war. Auch die Wahrscheinlichkeit für tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen war um 30 Prozent geringer. Für Krebs konnte ein um 23 Prozent vermindertes Risiko festgestellt werden. Selbst kleine Dosen Lauftraining von 50 Minuten pro Woche oder sogar weniger, mit einer Geschwindigkeit von weniger als acht Kilometern pro Stunde, dürften noch erhebliche Vorteile für die Gesundheit haben, lautet das Fazit der Autoren. (Günther Brandstetter, 5.11.2019)