Rechtsextreme haben den Grün-Politikern Cem Özdemir und Claudia Roth mit Mord gedroht. Die deutsche Regierung will nun Gesetzte verschärfen.

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Das Entsetzen in Deutschland ist groß. "Wir erleben eine hochproblematische Verrohung unserer Gesellschaft", sagt Innenminister Horst Seehofer (CSU), nachdem Rechtsextremisten Morddrohungen gegen die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth ausgesprochen haben. "Solidarische Grüße über alle Parteigrenzen hinweg an Cem Özdemir, Claudia Roth und all jene, die im Alltag bedroht werden", schickt Linken-Chefin Katja Kipping.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert, Einschüchterungsversuchen von Extremisten müsse "der Rechtsstaat seine vollste Härte entgegensetzen". Drohungen hatten auch Grünen-Chef Robert Habeck und der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring erhalten.

Hass im Netz

Die deutsche Regierung will jetzt im Internet ansetzen. "Hass, Rechtsextremismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit haben keinen Platz in Deutschland. Die Bundesregierung ist fest entschlossen, unsere freiheitliche Demokratie dagegen zu verteidigen", heißt es in einem Gesetzesentwurf.

Dieser verpflichtet Betreiber von Onlineplattformen zur Meldung von Morddrohungen oder volksverhetzenden Inhalten. Dazu wird eine zentrale Stelle im Bundeskriminalamt eingerichtet. Provider sollen auch die IP-Adressen der Absender solcher Postings übermitteln.

Besserer Schutz für ehrenamtliche Politiker

Zudem will die Regierung ehrenamtlich tätige Politiker und Politikerinnen auf kommunaler Ebene besser schützen. Dazu wird der im Strafgesetzbuch enthaltene Tatbestand der üblen Nachrede angepasst werden. Bevor Waffenbehörden einen Waffenschein ausstellen, müssen sie künftig bei den Verfassungsschutzbehörden anfragen, ob Erkenntnisse zu der Person vorliegen, die dagegen sprechen. So sollen Mitglieder von verfassungsfeindlichen Vereinigungen keine Waffen mehr erhalten. Extremisten, die bereits im Besitz einer Waffe sind, soll diese entzogen werden.

Ist die gesetzliche Lage in Österreich ausreichend? Immerhin ist auch hier die Zahl der rechtsextremen Straftaten im vergangenen Jahr leicht gestiegen, 1075 wurden vom Verfassungsschutz registriert. Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic äußerte sich auf Facebook besorgt: "Wenn Rechtsextremisten Todeslisten gegen Politiker führen, dann reicht es nicht, dass wir gemeinsam für Rechtsstaat und Demokratie einstehen." Rechtsextremismus und Hasskriminalität müssten als solche benannt, ernst genommen und konkret bekämpft werden.

Experten skeptisch

"Gesetzesmaßnahmen sind schnell gemacht, bringen aber meistens nichts", sagt der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl im STANDARD-Gespräch. Das Strafgesetzbuch reiche in den meisten Fällen aus. Deutschland wache zurzeit auf und denke sich "Huch, jetzt habe ich ja zehn Jahre nichts gemacht", sagt Kreissl. Viele Maßnahmen der Behörden im Bereich Terrorprävention zielten eng auf Islamismus ab, als Beispiel sei etwa die Verfolgung von Geldwäsche zu nennen. Doch Neonazis hätten genauso internationale Geldflüsse, die kontrolliert werden müssen.

Den Tatbestand der gefährlichen Drohung gebe es bereits, ergänzt Jurist Heinz Mayer. Die Todesdrohungen gegen die Politiker würden diesen auch erfüllen, erklärt er, denn sie würden Furcht und Unruhe bei Betroffenen hervorrufen. Allerdings wirke ein derartiger Paragraf nicht vorbeugend.

Weniger rechte Gewalt in Österreich

Die Identifizierung von Hasskriminalität im Netz findet Mayer "absolut notwendig". Bereits jetzt sind Diensteanbieter dazu verpflichtet, Daten wie eine IP-Adresse herauszugeben, wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt. Jedoch gelten dynamische IP-Adressen als schwierig zu verfolgen – auch weil man sie leicht verschleiern kann, etwa mittels der Nutzung eines öffentlichen Netzwerks.

Dass Facebook, Twitter und Co auch selbst Initiative ergreifen müssen und strafrechtlich Relevantes den Behörden melden müssen, ist aber in Österreich nicht vorgesehen.

"Faszinierend" findet Kreissl jedenfalls, dass man in Österreich zwar "einen Bodensatz von bis zu zwanzig Prozent rechtsextrem eingestellter Bevölkerung, aber kaum Todesfälle durch rechtsextreme Gewalt" habe. Das sei ein großer Unterschied zu Deutschland. Er plädiert jedenfalls dafür, "den Blick zu ändern" und sich nicht auf "typische Rechtsradikale" zu konzentrieren. (Birgit Baumann aus Berlin, Marie-Theres Egyed, Fabian Schmid, 5.11.2019)