Die Eisschnellläuferin Vanessa Herzog in Aktion. Am Eis erreicht sie Geschwindigkeiten von weit mehr als 50 km/h. Dabei hilft ein besonderer, ölartiger Wasserfilm.

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Es war in diesem Winter bisher vielerorts zu warm fürs Eislaufen. Aber nun sind die Temperaturen überall in den Bereich unter 0 Grad Celsius gerückt, sodass dem Wintervergnügen auf Kufen nichts mehr im Wege steht. Profis wie Vanessa Herzog sind natürlich längst schon wieder im Einsatz: Die österreichische Sportlerin des Jahres flitzt bei ihren Sprintrennen über 500 und 1000 Meter mit fast 60 km/h über das Eis.

Was aber macht das Eis so schnell – und für Fußgänger oder Autofahrer so rutschig?

Die Physik weiß seit langem, dass Eisschnellläufer und Passanten nicht am Eis direkt gleiten bzw. ausrutschen, sondern auf einer dünnen Schicht aus Wasser, die durch Reibung erzeugt wird. Die Eigenschaften dieser dünnen Wasserschicht wurden freilich nie gemessen: Ihre Dicke ist unbekannt. Zudem blieb das Rätsel, wie flüssiges Wasser, das bekanntlich ein schlechtes Schmiermittel ist, als Flüssigkeitsfilm die Reibung so sehr reduziert.

Diese Rätsel haben nun französische Forschern um Lydéric Broquet (CNRS und Ècole Normale Supérieure) gelöst. Dazu entwickelten sie ein eigenes Gerät, das mit einer Art Stimmgabel ausgestattet ist, die jenen Geräten ähnelt, die in der Musik verwendet werden. Nur ist diese spezielle Stimmgabel in der Lage, die Eigenschaften der Reibung über dem Eis im Nanometerbereich zu wahrzunehmen.

Wasser mit besonderen Eigenschaften

Mithilfe dieses Geräts konnten die Physiker zum einen bestätigen, dass Reibung auf dem Eis tatsächlich einen Film aus flüssigem Wasser erzeugt. Zum anderen bot dieser Wasserfilm aber auch einige Überraschungen: Mit einer Dicke von einigen hundert Nanometern bis zu einem Mikrometer (also dem Tausendstel eines Millimeters) ist er viel dünner als bisher angenommen. Noch unerwarteter ist, dass dieser Film keineswegs "normales Wasser" ist.

Das Geheimnis des Gleitens auf dem Eis liegt in der Viskosität dieses Wasserfilms. Das Oberflächeneis verwandelt sich mithin nicht vollständig in flüssiges Wasser, sondern in einen Mischzustand ähnlich wie bei einer Mischung aus Eiswasser und Crushed Ice. Wissenschaftlich formuliert handelt es sich um ölviskoses Wasser mit komplexen viskoelastischen Eigenschaften.

Die Forscher gehen davon aus, dass ihre im Fachblatt "Physical Review X" erschiene Studie auch praktischen Nutzen haben könnte: Die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, in Zukunft bessere Lösungen zur Erhöhung der Reibung zu finden, um ein Ausrutschen oder Schleudern auf vereisten Straßen zu vermeiden – und um Eisschnellläufer womöglich noch ein bisschen schneller zu machen. (tasch, 28.12.2019)