Nach den derzeitigen Plänen soll im Herbst 2029 eine Raumsonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA beim Jupiter eintreffen. Der Start von JUICE ist für 2022 vorgesehen. Nach mehreren Vorbeiflügen an Venus, Erde und Mars soll das 4.800 Kilo schwere Raumfahrzeug sieben Jahre später beim Gasriesen Jupiter ankommen. JUICE steht für "Jupiter Icy Moons Explorer" und der Name ist Programm, da die Erforschung der drei Eismonde Europa, Callisto und Ganymed das wissenschaftliche Hauptziel ist. Unter der Eisschicht von allen drei Monden sollen sich flüssige Wasserozeane befinden. Die wissenschaftlichen Geräte an Bord von JUICE werden die Oberfläche der Monde vermessen und sondieren, um besser beurteilen zu können, ob es in den verborgenen Ozeanen auch Leben geben könnte. Bei Europa soll es ähnlich wie beim Saturnmond Enceladus Spalten in der Eisschicht geben, durch die das Wasser an die Oberfläche gelangen kann, um von dort als Eispartikel in den Weltraum geschleudert zu werden.

Künstlerische Darstellung der Raumsonde JUICE bei Jupiter.
Foto: ESA

Vom Jupiter- zum Ganymed-Orbiter

Mit einem Durchmesser von 5.262 Kilometern ist Ganymed der größte Mond im Sonnensystem. In der letzten Missionsphase wird JUICE vom Jupiter-Orbiter zum Ganymed-Orbiter. Das heißt, die Raumsonde wird ihre Umlaufbahn um Jupiter verlassen und seinen Mond Ganymed in einer Höhe von 500 Kilometer umrunden. Am Ende der Mission 2033 soll JUICE dann auf der Oberfläche des Jupitermondes zerschellen. Ganymed besitzt auch ein eigenes Magnetfeld, das sich innerhalb des riesigen Magnetfelds von Jupiter befindet.  

Die Erforschung der einzigartigen Plasmapartikelprozesse, die dort stattfinden, ist ein weiterer Forschungschwerpunkt der Mission. Dafür ist das JUICE-Instrument RPWI (Radio and Plasma Wave Investigation) essentiell. RPWI besteht aus mehreren Sensoren wie elektrischen und magnetischen Antennen und den sogenannten Langmuir-Sonden, die Dichte, Temperatur und Energie der Plasmapartikel messen können. Das Messgerät wird unter der Führung des schwedischen Instituts für Weltraumphysik in Uppsala mit Hardwarebeteiligungen aus Frankreich, Polen, Tschechien und Japan hergestellt. Insgesamt ist die Raumsonde JUICE mit zehn verschiedenen wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet.  

Airbus Defence and Space

Das Einmaleins der Antennenkalibrierung

Jupiter hat eine reiche Radioumgebung und in seiner Magnetosphäre gibt es viele Quellen für Plasma- und Radiowellen, die durch geladene Teilchen im Magnetfeld entstehen können. Die Radiostrahlung aus der Aurora ist bespielsweise so stark, dass sie ganz leicht auch auf der Erde gemessen werden kann. Durch eine Raumsonde vor Ort lassen sich die Eigenschaften der Radiostrahlung jedoch viel besser bestimmen. Mit elektrischen Antennen kann man Intensität, Polarisation und Einfallsrichtung von Radiowellen genau ermitteln, wobei für letzteres drei Antennen notwendig sind. Diese Messungen liefern aber nur dann exakte Resultate, wenn das Antennensystem kalibriert ist, das heißt, man sollte die Empfangseigenschaften der verwendeten Antennen genau kennen. Zur Antennenkalibrierung gibt es nun mehrere Methoden: Mit einer bekannten Radioquelle (in Bezug auf Ort der Quelle und Polarisation) kann die Kalibrierung "im Flug" der Raumsonde durchgeführt werden. Auf dem Boden und vor dem Start gibt es die experimentelle Methode namens Rheometrie und theoretische Berechnungen mit numerischen Computersimulationen.

Raumsonden können sich durch geladene Teilchen im Weltraum aufladen und haben im allgemeinen elektrisch leitende Oberflächen, um die Zerstörung von Messgeräten durch elektrische Überschläge zu verhindern. Für die experimentelle Methode der Rheometrie wird daher ein metallisches, elektrisch leitendes Modell der Raumsonde hergestellt. Dieses wird in einen Wassertank gesenkt, an dem durch große metallische Platten ein homogenes elektrisches Feld angelegt wird. In diesem Feld kann das an einer vertikalen Achse (aus Plastik, elektrisch nichtleitend) aufgehängte Modell rotiert werden. Die Messung der Spannung an den Antennen zeigt nun eine Variation in Abhängigkeit vom Drehwinkel des Modells. Es gibt zwei Minima und zwei Maxima, übereinstimmend mit den zwei Minima und Maxima des zu bestimmenden Richtdiagramms der Antenne. Letzteres beschreibt, wie die Antenne Radiowellen aus verschiedenen Richtungen empfängt. Rheometrie bedeutet eigentlich die Vermessung der Fließeigenschaften von Materialen. In unserem Fall fließen Ströme von der Modelloberfläche durch das Wasser zu den Antennen.

Das JUICE-Modell bei der Messung im Wassertank.
Foto: IWF/G. Fischer

Das JUICE-Modell als "ESA Space Science Image of the Week"

Das skalierte, metallische Modell für die JUICE-Rheometrie hat im Größenmaßstab 1 zu 40 von einem zum anderen Ende der Solarpanele eine maximale Ausdehnung von 75 Zentimetern (entspricht 30 Meter bei der echten Raumsonde). Das Modell besteht hauptsächlich aus dem zentralen Raumsondenkörper, den großen Solarpanelen (im Bild links und rechts) und diversen Antennen und Auslegern (Booms). Die drei zu kalibrierenden Radioantennen (Dipole), die senkrecht aufeinander stehen, befinden sich am Magnetometer-Boom und sind im Foto des goldenen Modells (ESA Space Science Image of the Week) rechts unten vom Raumsondenkörper zu sehen. Ihre Länge beträgt im Modell lediglich 62,5 Millimeter von einer Spitze zur anderen, was in der Realität einer Länge von 2,5 Meter entspricht. Die längere am Raumsondenkörper montierte Dipolantenne (im Foto fast senkrecht verlaufend) ist die Radarantenne, mit deren Impulse die Oberflächen der Eismonde abgetastet werden.

Die vom Raumsondenkörper nach unten verlaufende, geschwungene Stange ist lediglich der Modellständer, den man sich wegdenken sollte. Das metallische Modell ist vergoldet, da bei den Messungen der elektrische Übergangswiderstand vom Modellkörper ins Wasser gering gehalten werden soll. Unedle Metalle bilden auf ihrer Oberfläche rasch eine dünne oxidierte beziehungsweise passivierte Schicht, was den elektrischen Widerstand erhöht. Um das zu verhindern und um eine schöne und chemisch stabile Oberfläche zu haben, wird das Edelmetall Gold zur Umhüllung verwendet. Das JUICE-Modell wurde von der Technischen Universität in Dresden hergestellt. Die experimentellen Messungen mit dem Modell fanden letztes Jahr am Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz statt. Das Projekt der JUICE-Antennenkalibrierung wurde in einem von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft finanzierten Projekt durchgeführt.

Numerische Methode zur Antennenkalibrierung

Die Empfangseigenschaften der RPWI-Dipole können auch aus numerischen Berechnungen ermittelt werden. Dazu wird aus CAD-Plänen der Raumsonde ein Drahtgittermodell bestehend aus tausenden von Dreiecken im Computer konstruiert, wie es für JUICE im nächsten unteren Bild auf der linken Seite dargestellt ist. Auf dem 10,6 Meter langen Magnetometer-Boom sind die drei zueinander orthogonalen RPWI-Dipole montiert. Rechts ist das typische Richtdiagramm eines Dipols zu sehen, das in seiner torodialen Form an einen Donut oder dicken Reifen erinnert. Es ist rotationssymmetrisch und die Symmetrieachse, die exakt in Richtung des Empfangsminimums zeigt, ist der sogenannte effektive Längenvektor, den es zu bestimmen gilt.

Numerische Berechnung der effektiven Antennen mit Computermodellen.
Foto: IWF

Experimentelle versus numerische Methode

Durch die Rotation des Modells in einem angelegten elektrischen Feld wird das Richtdiagramm quasi abgetastet, um die Projektion des effektiven Längenvektors in die horizontale Ebene normal auf die Rotationsachse des Modells zu bestimmen. Da der effektive Längenvektor aber irgendwie im Raum steht (und wir seine Richtung genau bestimmen wollen), muss durch eine zweite Aufhängung des Modells eine weitere Projektion ermittelt werden. Aus diesen zwei Projektionen kann schließlich die dreidimensionale Lage des effektiven Vektors eindeutig berechnet werden.

Der effektive Längenvektor ist im allgemeinen nicht mit der Richtung der physikalischen Antenne ident. Die Abweichung kommt durch Ströme auf der leitenden Oberfläche der Raumsonde zustande, womit wir wieder bei der numerischen Methode sind. Durch eine komplizierte Gleichung wird die Stromverteilung auf der Oberfläche des Gittermodells berechnet. Dafür gibt es heute schon ausgefeilte, fertige Programmpakete, die die Berechnung durchführen. Die Aufsummierung aller Ströme über alle Oberflächenelemente des Modells (und die anschließende Division durch den Strom am Fußpunkt der Antenne) ergibt dann in einer weiteren Berechnung den effektiven Längenvektor. Bei Frequenzen unter einem Megahertz ist dieser im allgemeinen ein konstanter Vektor, der allein die Empfangseigenschaften des Dipols beschreiben kann. Bei höheren Frequenzen bekommt das Richtdiagramm der Antenne aber mehrere Antennenkeulen und der effektive Längenvektor ist dann nicht mehr konstant. Die Resultate der numerischen Methode stimmten im allgemeinen mit den Ergebnissen der Rheometrie ganz gut überein, mit typischen Abweichungen von ein bis zwei Winkelgraden.

Bei JUICE wurde die numerische Methode auch dazu verwendet, um den Einfluss anderer Geräte (zum Beispiel das Radar) auf RPWI zu quantifizieren. Wenig überraschend kam dabei heraus, dass das Radarsignal den Empfänger der RPWI-Dipolantennen vollkommen übersättigt, da das nur wenige Meter entfernt erzeugte Signal viel intensiver als die natürliche Radiostrahlung von Jupiter ist. In einem Vorgängerprojekt zur Antennenkalibrierung wurde mit der numerischen Methode die optimale Position und Orientierung der drei Dipolantennen am Magnetometer-Boom überhaupt erst ermittelt. Dazu wurden die effektiven Längenvektoren von tausenden, etwas vereinfachten JUICE-Modellen berechnet, woraus die beste Positionierung ausgewählt wurde.

Das JUICE-Modell in drei unterschiedlichen Aufhängungen.
Foto: IWF/G. Fischer

Galerie der vergoldeten Raumsonden

Die Antennenkalibrierung mittels Rheometrie und numerischer Berechnung hat am IWF Graz bereits eine lange Tradition. Erstmals wurde die Rheometrie Mitte der 1990er-Jahre bei der Nasa-Mission Cassini angewendet, um die Radioantennen des RPWS (Radio and Plasma Wave Science) Instruments zu kalibrieren. Die 1997 gestartete Langzeitmission Cassini war von 2004 bis 2017 im Orbit um Saturn und verglühte erst vor etwas mehr als zwei Jahren in der Atmosphäre des Planeten. Es folgten zahlreiche weitere Missionen, wie Interball (russische Raumsonde zum Studium der Plasmaprozesse in der Erdmagnetosphäre), STEREO (zwei Nasa-Raumsonden zur stereoskopischen Beobachtung der Sonne), Resonance (vier Satelliten zum Studium der Erdmagnetosphäre, bis heute noch nicht gestartet), Juno (Nasa-Mission, derzeit im Orbit um Jupiter) und Solar Orbiter, für welche die Radioantennen kalibriert wurden.

Galerie der vergoldeten Rheometriemodelle - von Cassini bis Solar Orbiter.
Fotos: IWF

Heiß und kalt

Solar Orbiter ist eine Mission der ESA, die in naher Zukunft – am 6. Februar 2020 – von Cape Canaveral in Florida starten soll. Solar Orbiter wird um die Sonne kreisen und sich dabei bis innerhalb der Merkurbahn an unser Zentralgestirn annähern. Außerdem werden Vorbeiflüge an der Erde und der Venus genutzt, um die Inklination der Bahn in Bezug zur Ekliptik anzuheben, wodurch neue Einblicke auf die Polregionen der Sonne möglich werden. Neben der Antennenkalibrierung baute das IWF Graz auch den Bordcomputer für das Radiowelleninstrument RPWI und ist wissenschaftlich am Magnetometer beteiligt. Solar Orbiter besitzt ein eigenes Hitzeschild, um das Raumfahrzeug von der intensiven Strahlungswärme der nahen Sonne zu beschützen. JUICE wird auf dem Weg zu Jupiter die Hitze beim Vorbeiflug an der Venus aushalten müssen, während im Jupitersystem der Energieinput von der Sonne nur 1/25 des Wertes von auf der Erde beträgt. JUICE ist also hauptsächlich für eine kalte Umgebung ausgerüstet, und exponierte Stellen der Raumsonde werden durch eine elektrische Heizung auf Betriebstemperatur gehalten werden. (Georg Fischer, 15.11.2019)

European Space Agency, ESA

Georg Fischer studierte Technische Physik an der TU Graz und promovierte in Geophysik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Er ist seit 2000 mit Unterbrechungen am Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) als Wissenschaftler tätig. Unter anderem verbrachte er insgesamt drei Jahre als Postdoc an der University of Iowa, USA. Er ist Co-Investigator von Cassini/RPWS (Radio and Plasma Wave Science) und JUICE/RPWI (Radio and Plasma Wave Investigation). Seine Forschungsschwerpunkte liegen (neben der Antennenkalibrierung) in der planetaren Radiostrahlung und bei Gewittern und Blitzen in Planetenatmosphären. 

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