Geht es nach Daimler Trucks, werden ab 2025 komplett selbstständig fahrende Lastkraftwagen auf US-Highways unterwegs sein.

Foto: Daimler AG / Global Communications Daimler

Derzeit scheint die Nutzfahrzeugbranche kaum ein Thema mehr zu elektrisieren als der autonom fahrende Lastkraftwagen. Zumindest lässt die Kommunikationsarbeit der Hersteller darauf schließen.

So hat der deutsche Autokonzern Daimler bereits Anfang des Jahres mit der Absicht aufhorchen lassen, in den kommenden Jahren eine halbe Milliarde Euro in die Entwicklung hochautomatisierter Lastautos zu stecken.

Unter hochautomatisiertem Fahren versteht man gemeinhin, dass ein Truck allein agiert. Er kann selbstständig bremsen, beschleunigen und lenken. Das heißt, der Fahrer muss nicht zwingend eingreifen. Bis 2025 will Daimler solche Lkws auf den Markt bringen.

Erste Tests

Schon sind in den USA die ersten Tests angelaufen. Daimler Trucks und sein Tochterunternehmen Torc Robotics wollen im Südwesten Virginias, in der Nähe des Firmensitzes von Torc Robotics, erste hochautomatisierte Lastwagen auf öffentliche Straßen bringen.

"Die US-Highways sind ideal, um diese Technologie zu entwickeln und zu erproben", hält Roger Nielsen, CEO von Daimler Trucks North America LLC, diesbezüglich fest.

Der Plan: Auf definierten Strecken im öffentlichen Verkehr sollen, nach einer monatelangen Erprobung auf abgesperrten Strecken, in der ersten Phase zwei Personen an Bord des Fahrzeugs sein – ein Entwicklungsingenieur, der das System überwacht, sowie ein Sicherheitsfahrer. Mittelfristig will man dann komplett auf den Lkw-Lenker verzichten und das Vehikel ohne menschliche Insassen auf die Piste hinausschicken.

Gute Gründe für die Automatisierung

Tatsache ist, dass automatisierte Fahrzeuge erhebliche Auswirkungen auf den Güterverkehr mit sich bringen werden. Dafür muss man sich vor Augen halten, dass der Straßengüterverkehr rund zwei Drittel aller Güterverkehrsleistungen ausmacht.

So wurden im Vorjahr von österreichischen Unternehmen im Straßengüterverkehr 393,3 Millionen Tonnen transportiert. Dieser ist zwar weniger umweltschonend, bietet jedoch auf kurzer und mittlerer Distanz diverse Vorteile: Dazu zählt unter anderem Flexibilität bei der Transportmenge – und man kommt damit, dank eines dichten Straßennetzes, fast überallhin.

Das ist auch vor dem Hintergrund des weiter wachsenden Versandhandels zu sehen. Auf der anderen Seite klagen Transportunternehmen seit langem über Fahrermangel: Der Job gilt als anstrengend, stressig und schlecht bezahlt.

Vor diesem Hintergrund ist auch das Bestreben der Nutzfahrzeughersteller zu sehen, die Entwicklung autonom fahrender Lastwagen voranzutreiben. Denn vor allem auf der Langstrecke sieht man für die Selbstfahrer großes Potenzial.

Der Mensch würde nur noch zu Beginn und am Ende der Strecke die Lenkung übernehmen, könnte sich während Fahrt ausruhen oder sich um andere Dinge kümmern. Der Lkw wäre dann quasi ein rollendes Büro. Pausen und Ruhezeiten wiederum wären dann anders zu regeln als bisher.

Kurzum: Damit würde sich das Berufsbild des Kraftfahrers radikal verändern. Bis allerdings die Rahmenbedingungen – technisch, vonseiten des Gesetzgebers, aber auch vonseiten der Straßeninfrastruktur – dafür geschaffen sind, werden noch Jahre, manche Experten meinen, Jahrzehnte vergehen.

In überschaubaren, geschlossenen Bereichen wie Steinbrüchen oder Minen werden bereits fahrerlose Vehikel in der Praxis getestet. Im Bild zu sehen: der AXL von Scania.
Foto: Scania CV AB / Dan Boman 2019 / Creative Commons 3.0 license

Wo das Konzept bereits erfolgreich zum Tragen kommt, sind geschlossene Bereiche mit festen Streckenverläufen, etwa Minen oder Steinbrüche. So hat beispielsweise Volvo Trucks sechs selbstfahrende Lkws in einem norwegischen Kalksteinwerk im Einsatz.

Sie transportieren das Material auf einer fünf Kilometer langen und mit Tunneln gesäumten Strecke, die das Bergwerk mit dem Steinbrecher verbindet. Ende 2019 soll die Anlage im Rahmen einer autonomen Gesamtlösung in Vollbetrieb gehen.

Auch Scania hat mit dem AXL mittlerweile einen Konzepttruck im Testbetrieb, der, von einem smarten Kontrollzentrum aus gesteuert, ganz ohne Lenker in einem Steinbruch unterwegs sein kann. Man hat daher beim AXL konsequenterweise gleich komplett auf eine Fahrerkabine verzichtet.

Die Kolonne als Zwischenschritt

Als Übergangslösung für den Einsatz auf der Straße setzen einige Hersteller auf das Platooning, zu Deutsch etwa "Kolonnenfahren".

Darunter versteht man, dass Lastwagen, virtuell miteinander verbunden, dicht hintereinander herfahren und so unter anderem den Windschatten des Vordermannes ausnutzen. Das Ganze geschieht computergesteuert und teilautomatisiert mithilfe diverser Sensoren.

Ende vergangenen Jahres hat MAN zusammen mit der Deutsche-Bahn-Logistiktochter DB Schenker und der Hochschule Fresenius auf einer Teilstrecke in Bayern das Platooning einige Wochen lang erprobt.

Die Ergebnisse waren allerdings ernüchternd. Erhofft hatte man sich vor allem eine Reduktion des Spritverbrauchs um acht bis zehn Prozent – letztendlich waren es aber nur drei bis vier Prozent. Immerhin.

Daher will man das Konzept noch nicht aufgeben. Mitte oder Ende der 2020er-Jahre soll die Technologie Praxisreife haben. (Markus Böhm, 6.11.2019)