Smarte Tools sollen unter anderem die Umsetzung von Geldwäscheauflagen für Anwälte erleichtern.

Unzählige Tätigkeiten in der Rechtsbranche können durch Digitalisierung schneller und effizienter werden. Das gibt Start-ups im Legal-Tech-Bereich ein weites Feld für Innovationen und Ideen.

Der vor einem Jahr von sieben Wiener Anwaltskanzleien gegründete Legal Tech Hub Vienna (LTHV), dessen Accelerator solche Start-ups fördern und an die Bedürfnisse der heimischen Rechtsbranche heranführen will, hat sich in seinem zweiten Durchgang dennoch zu einer Fokussierung entschieden.

Die fünf Technologieunternehmen, die für den zweiten Batch ausgewählt wurden, beschäftigen sich mit Prozessoptimierung innerhalb von Kanzleien, verbesserte Mandatsarbeit und die Umsetzung des "Know Your Customer (KYC)"-Prinzips in den europäischen Geldwäscherichtlinien, sagt Gudrun Stangl, Partnerin bei Schönherr und Vorstandsmitglied des LTHV.

Tool für Geldwäscheprüfung

Eines von den Unternehmen, die im Rahmen des Hubs von Coaches begleitet wurden und mit Juristen die Praxistauglichkeit ihrer Lösungen getestet haben, ist die österreichische Firma 360Kompany, die Zugang zu elektronischen Firmenbüchern und Handelsregistern sowie KYC-Prüfungen für Anwälte, Wirtschaftstreuhänder und Banken anbietet.

Auch der Luxemburger Start-up Smart Oversight hilft mit seiner Software bei der Anwendung von Antigeldwäschebestimmungen.

Die drei anderen Firmen – Juralio aus den Niederlanden, Closed aus Frankreich und Bigle Legal aus Spanien – wollen die tägliche Arbeit von Anwälten erleichtern. "Wir suchen Lösungen zur Prozessoptimierung, mit denen wir tatsächlich unsere Mandatsarbeit verbessern, schneller werden und weiterlernen können", sagt Stangl.

Musterverträge

Bigle Legal wurde von zwei spanischen Brüdern, einem Anwalt und einem Manager, gegründet und bietet ein Programm, das die Erstellung von Musterverträgen innerhalb von Kanzleien automatisiert. Statt dass der Anwalt sich aus zahlreichen Vorlagen einen neuen Vertrag zusammenkopiert, wird hier ein Grundmuster erstellt und dann mit gezielten Fragen erweitert und angepasst.

Per Link kann auch der Mandant in diesen Vorgang eingebunden werden. Die Software sei benutzerfreundlicher als vergleichbare Produkte auf dem Markt und helfe, die Fehleranfälligkeit zu verringern, sagt Lukas Schmidt, Rechtsanwalt bei Dorda, der in der LTHV-Jury sitzt.

Das Produkt sei bereits in Spanien und den Niederlanden auf dem Markt und werde nun für Österreich angepasst. Als nächsten Schritt wollen die Entwickler Machine-Learning-Elemente in die Plattform integrieren.

Projektmanagement

Closed wurde von ehemaligen französischen Anwälten gegründet und soll den mühsamen Prozess bei Unternehmenstransaktionen – etwa Übernahmen, Joint Ventures oder Finanzierungen – mit ihren oft seitenlangen Listen an Dokumenten vereinfachen.

"Derzeit gibt es meist eine lange Liste im Wordformat mit Verantwortlichkeiten, Deadlines und Remindern, die zwischen den Anwälten hin und her geschickt wird", sagt Schmidt. "Es ist gescheiter, dies über eine volldigitalisierte Projektmanagementplattform zu machen."

Es gebe zwar zahlreiche Projektmanagementtools auf dem Markt, doch die seien weniger gut zugeschnitten für die besonderen Bedürfnisse der Anwaltsbranche, sagt Schmidt. "Es gefällt Anwälten, wenn sie in digitaler Form etwas erhalten, was so aussieht wie die Listen, die sie in den letzten 30 Jahren verwendet haben."

Digitale Plattformen

Ein Ziel im Accelerator sei es gewesen, eine Lösung für Closed auszuarbeiten, mit dem der Signiertermin beim Notar völlig digital ablaufen kann, sagt Schmidt. Dann müssten ausländische Partner dafür nicht mehr nach Österreich reisen. Notwendig sei dafür allerdings noch eine gesetzliche Anpassung; bisher ist nur die digitale Gründung einer GmbH möglich.

Eine ähnliche digitale Plattform, allerdings nur für die Phase zwischen Signing und Closing einer Transaktion, hat Schönherr kanzleiintern entwickelt und wurde dafür im Wettbewerb "Promoting the Best" der Vereinigung Österreichischer Unternehmensjuristen (VUJ) und Women in Law ausgezeichnet.

Gudrun Stangl bereitet die Ausweitung auf Europa vor.
Foto: Schönherr / Steppenseestudio / Wolfgang Prummer

Noch habe keine in den LTHV involvierte Kanzlei einen Vertrag mit einem der Start-ups abgeschlossen, "aber die Gespräche laufen sehr gut", sagt Stangl. Die intensive Arbeit habe sich bereits ausgezahlt, auch weil sich Wien und die angrenzende CEE-Region als Standort für Legal-Tech-Entwicklungen dadurch etabliere.

Längerfristiges Ziel sei es, Produkte mit echter künstlicher Intelligenz zu entwickeln, doch vorerst bleibe man im semiautomatisierten Bereich zur Prozess- und Back-Office-Optimierung.

Konkret ist die Internationalisierung des Hubs, betont Stangl. "Wir würden ihn gerne europaweit sehen, nur dann können wir gegenüber Hubs in Asien und Großbritannien eine gute Figur machen." Als erster Schritt sei 2020 eine Ausweitung ins Baltikum vorgesehen, wo vor allem Estland als Vorreiter der Digitalisierung gilt.

Dazu kommt politische Lobbyarbeit: Ein White Paper wurde ausgearbeitet, das die bestehenden rechtlichen Hürden für Anwälte beim Cloud-Computing anspricht. Hier wolle man mit der Rechtsanwaltskammer Wien zusammenarbeiten, sagt Stangl. (Eric Frey, 6.11.2019)