"Gerade einmal zwei Prozent aller Posts beinhalten faktenbasierte Argumente", hat Raffael Heiss herausgefunden.

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Für politische Akteure haben sich mit den sozialen Medien die Pforten zu einer wunderbaren neuen Medienwelt geöffnet. In dieser gibt es keine lästigen Journalisten mehr, die Politiker-Botschaften an das Wahlvolk kommentieren.

"Dadurch haben Politiker heute eine enorme Medienmacht", weiß Raffael Heiss, der in seiner preisgekrönten Dissertation am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien dieses neue Phänomen untersucht hat.

In den sozialen Medien fällt die Kontextualisierungs- und Interpretationsarbeit der traditionellen Medien weg, Politiker können ihre Perspektiven und Deutungsraster völlig ungefiltert und unkommentiert weitergeben."

Neben den offensichtlichen Gefahren berge diese neue Kommunikationsschiene aber auch Chancen: "Zumindest theoretisch werden über die sozialen Medien auch neue Partizipationsräume geschaffen, in denen Bürger aktuelle Themen diskutieren und ihre Meinung einbringen können", so der 32-jährige Innsbrucker.

Ein demokratiepolitischer Mehrwert, auf den die meisten Politiker allerdings verzichten. "Nur in zwei Prozent aller Posts wird den Usern Partizipation angeboten", fand Raffael Heiss in seiner Untersuchung heraus. Die Kommunikation ist also einseitig. Je mehr Follower ein Politiker auf Facebook hat, desto stärker zeige sich der Trend. "Diskussionen mit Usern bergen ja immer auch ein gewisses Risiko."

Meinungen und Gefühle

Zudem gehe es in den Politiker-Posts vor allem um Meinungen und Gefühle, nur äußerst selten werden Behauptungen mit Fakten und Erfahrungswerten untermauert. "Gerade einmal zwei Prozent aller Posts beinhalten faktenbasierte Argumente", weiß der Nachwuchsforscher nach der Analyse von fast 2000 Posts. Was ihn dabei besonders überrascht hat: "Bei den verschiedenen Parteien gibt es in dieser Hinsicht keine nennenswerten Unterschiede."

Wenn allerdings mit Fakten und stichhaltigen Argumenten gearbeitet wird, reagieren die Follower stärker als auf die üblichen Stimmungs- und Meinungsbeiträge. "Solche Posts werden doppelt so häufig kommentiert und zehnmal öfter geteilt als andere Mitteilungen."

Und warum vermeiden politische Akteure in den sozialen Medien faktenbasierte Argumente, obwohl sie gut ankommen? "Vermutlich wirkt hier das Vorurteil, dass auf Facebook nur wahrgenommen wird, was emotional, negativ oder humoristisch ist", sagt Heiss, der am 11. 11. einen Preis von der Fakultät für Sozialwissenschaften der Uni Wien erhält.

Dass Vorurteile jedoch auch einen wahren Kern haben können, lässt sich an den privaten Neigungen des Tirolers ablesen: Er ist nämlich tatsächlich ein echter Bergfex. "Ich habe zwar gerne in Wien studiert, aber die Berge sind mir schon sehr abgegangen."

Mittlerweile hat sie der leidenschaftliche Snowboarder und Wanderer wieder direkt vor der Haustür. "Zurzeit baue ich am Management Center Innsbruck gemeinsam mit Kollegen ein Forschungszentrum im Bereich Sozial- und Gesundheitsforschung auf", freut sich Raffael Heiss über die neue Herausforderung, die ihn wieder in seine Berge zurückgeführt hat. (Doris Griesser, 9.11.2019)