Nicht nur Darling von New Yorks Upper East Side: Designerin Gabriela Hearst in ihrer Kollektion für den Onlinehändler Mytheresa.

Foto: APA / AFP / Angela Weiss, Mytheresa

Die große schmale Frau sitzt kerzengerade auf dem Sofa. Hinter ihr schwere dunkelrote Vorhänge, ein Blumengesteck. Nahtlos fügt sich Gabriela Hearst in das herrschaftliche Ambiente des Salons Nummer 19 im Seitenflügel des Bayerischen Hofs in München ein. Ein paar Stunden später wird sie ihre Kollektion für den in München ansässigen Luxus-Onlineshop Mytheresa vorstellen.

Die 42-jährige Designerin – an diesem Tag trägt sie einen Lederrock ihrer eigenen Marke – ist nicht nur eine aufgekratzte Erscheinung, sie ist Kosmopolitin durch und durch. Das ehemalige Model ist auf einer Ranch in Uruguay aufgewachsen und seit einigen Jahren in New York mit dem US-amerikanischen Geschäfts- und Medienmanager Austin Hearst verheiratet.

Der Ehemann ist nicht nur Teil des weitverzweigten einflussreichen Hearst-Clans, er gehörte auch zu den ersten Investoren der amerikanischen Designerin Tory Burch. Gemeinsame Leidenschaft des Ehepaars: Pferde.

Neuerdings ist das amerikanische Label Gabriela Hearst, das im vergangenen Jahr zwischen 15 und 20 Millionen Dollar Umsatz gemacht haben soll, ein Darling der Luxusbranche. Vor zwei Jahren hat sie den renommierten Woolmark Prize gewonnen, nun gilt sie als Hot Ticket der New York Fashion Week.

Nicht, weil die Mode der gebürtigen Uruguayerin die Coolness der Straße atmet oder weil die Handtaschen von Kundinnen wie Meghan Markle getragen werden und für Wartelisten sorgen. Ihr Luxuslabel hat sich der Nach-hal-tig-keit verschrieben. Das wolkige Schlagwort sorgt in der Modewelt derzeit für Schnappatmung.

Gutes Gewissen kaufen

Gabriela Hearst bedient eine Klientel, die Geld hat und bereit ist, 1690 Euro für einen Kaschmirpullover, handgestrickt von der Non-profit-Kooperative Manos del Uruguay, hinzulegen. Die Geschäftsfrau führt vor, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Luxusmodebranche mit Samthandschuhen angefasst werden muss.

Die 42-Jährige, die mit dem Namen ihres Ehemanns für das New Yorker Establishment steht, macht schlichte Mode, die sich neben den luxuriösen Kollektionen von Hermès oder Bottega Veneta behaupten will.

Hearsts Entwürfe für den Herbst 2019
Foto: APA / AFP / Angela Weiss, Mytheresa

Seit vergangenem Jahr kann sie in der hauseigenen Boutique auf der Madison Avenue schräg gegenüber der Galerie Gagosian erstanden werden. Wenn hier die Kundinnen von der Upper East Side hereinkommen, dann stöckeln sie über unbehandeltes Eichenholz. Vielleicht finden sie das passende Gewand für den nächsten Ausflug mit dem E-Auto in die Hamptons: "Ich mache keine Dinge, die Menschen brauchen. Ich mache Dinge, die Menschen begehren", erklärt denn auch die Designerin.

Derzeit gilt das Begehren dieser anspruchsvollen Konsumelite der Merinowolle von Gabriela Hearsts Familienranch und recycelten Materialien, die die Designerin im Optimalfall per Schiff statt per Flugzeug verschickt und in biologisch abbaubaren Verpackungen anbietet. Zwanzig Prozent des Umsatzes der Mytheresa-Kollektion gehen an Save The Children: Hearsts Ehemann sitzt im Kuratorium der Organisation.

Emissionsreduzierte Modenschau

Damit die ambitionierten Botschaften der Modedesignerin nicht verpuffen, unternimmt das Unternehmen einige Anstrengung: Nicht nur, dass die Designerin in Interviews keine Gelegenheit ungenutzt lässt, ausgiebig über "Sustainability" zu sprechen, während der letzten New York Fashion Week veranstaltete Gabriela Hearst auch eine emissionsreduzierte Modenschau. Die erste, die als solche deklariert wurde.

Die Modedesignerin engagierte ausschließlich Models, die nicht nach New York eingeflogen werden mussten, richtete die Haare ohne Elektrogeräte, das Catering: lokal und saisonal.

Hearsts populäres Taschenmodell Nina.
Foto: APA / AFP / Angela Weiss, Mytheresa

"Endlich gelten wir in der Modeindustrie nicht mehr als die Verrückten", seufzt die Designerin. Vor fünf Jahren habe man ihr noch von allen Seiten abgeraten, das Luxuslabel mit dem Thema Nachhaltigkeit in Verbindung zu bringen. Nun ist die Ablehnung der Modeindustrie in Aktionismus umgeschlagen.

Den Vertrag mit der UN "Fashion Industry Charter for Climate Action" haben im vergangenen Jahr 43 Labels unterzeichnet, der Luxuskonzern Kering rief während der G7-Konferenz in Biarritz publikumswirksam einen "Fashion Pact" aus, Unternehmen wie Gucci beteuern bereits, "komplett klimaneutral" zu sein.

Auch Hearst, die in den Nullerjahren mit Candela zehn Jahre lang ein konventionelles Modelabel geführt hat, geht nun in die Vollen: Vier Jahre nach der Gründung von "Gabriela Hearst" wurde die Damenlinie um eine Herrenkollektion und Wohnaccessoires ergänzt.

Giuseppe Giovanetti, ehemals Präsident beim italienischen Modehaus Bottega Veneta, ist seit vergangenem Herbst CEO bei dem New Yorker Label, Stararchitekt Norman Foster gestaltete die Shops.

Anfang dieses Jahres investierte der mächtige französische Luxuskonzern LVMH in die Marke. Hearst steht seither nicht nur mit Sylvie Bénard, der Umweltbeauftragten der Gruppe, in Kontakt, sie kann auch auf das weit verzweigte Netzwerk von LVMH zurückgreifen.

Die Umtriebigkeit des französischen Konzerns, der auch eine Minderheitsbeteiligung an Stella McCartneys Unternehmen erworben hat, verwundert nicht. Er will und muss sich als umweltschonend produzierendes Unternehmen in Position bringen.

Denn die Kundschaft macht zunehmend Druck. Und die Konkurrenz schläft nicht. Derzeit gilt Erzrivale Kering als zweitnachhaltigstes Unternehmen der Welt – mit mehr als einer Milliarde US-Dollar Umsatz. Dem will LVMH nicht nachstehen. Firmen wie die von Hearst sollen bei der Aufholjagd helfen. (Anne Feldkamp, RONDO, 11/2019)