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Ein Knicks, der zur Kategorie "Diplomatieunfall" gehört.

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Ein Tänzchen in Ehren.

Foto: AP/Roland Schlager

"Historische Drehscheibe", "Ort des Dialogs": In der Theorie und in den Regierungsprogrammen sieht sich Österreich gerne als Player mit internationaler Vermittlerrolle. Heutzutage ist ein Großteil der Außenpolitik von einst längst Europapolitik, Österreichs Rolle als neutraler Mediator inmitten Europas höchstens ein Kapitel der Zeitgeschichte.

Innerhalb der EU wird in den kommenden Jahren weiterhin ein außenpolitisches Thema dominieren: die zukünftigen Beziehungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer zu einem mutmaßlich bald ausgetretenen Großbritannien. Welche Art von Handelsvertrag ist möglich? Ein britischer Austritt aus Zollunion und Binnenmarkt würde zahlreiche Probleme für Politik und Wirtschaft schaffen, auch für Österreich. Eine aktive Rolle in den Verhandlungen ist unumgänglich.

Verteidigung und Budget

Eine weitere Frage, die sich mit dem Austritt Großbritanniens stellt, das als Nato-Militärmacht maßgeblich für die Sicherheit Europas war: Wie ernst nimmt Österreich sein Bekenntnis zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU? Diese Diskussion wird in Zukunft intensiver geführt werden.

Beim EU-Budgetrahmen 2021 bis 2027 zeichnen sich ebenfalls heftige Dissonanzen ab. Viele Nettozahler wollen in Zukunft weniger Geld einzahlen – neben Schweden und Dänemark besteht auch Österreich darauf, nur ein Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu überweisen, weil die Union durch den Brexit kleiner werde. Real muss Österreich aber eventuell mit Mehrzahlungen rechnen, je nachdem, wie Großbritannien aus der EU ausscheidet.

Aktive multilaterale Zusammenarbeit in globalen Fragestellungen wie Klimaschutz, Digitalisierung oder Abwendung von Handelskriegen ist unvermeidbar – Themenfelder, auf die das Programm der nächsten EU-Kommission fokussiert und für deren Bewältigung ein dementsprechendes EU-Budget nötig ist. Stichwort Nettozahler.

Österreich am Westbalkan

Massiv umstritten in der EU ist aktuell auch das Erweiterungsthema. Auf dem wirtschaftlich stark mit Österreich verflochtenen Westbalkan hat Wien die in den letzten Jahrzehnten erarbeitete Glaubwürdigkeit durch rechte Antimigrationsrhetorik und durch Parteinahme für Serbien verspielt. Vor allem in der Kosovo-Frage vertrat Österreich gemeinsam mit Ungarn die höchst umstrittene Position des Gebietstauschs zwischen Serbien und dem Kosovo entlang zweifelhafter ethnischer Kriterien. Die verlorene Glaubwürdigkeit gilt es wieder zurückzuholen. Vertrauen genießt in dieser Hinsicht der aktuelle Außenminister und Kurz-Intimus Alexander Schallenberg, der sich in der Region stark engagiert. Aktuell jedoch hat die Rolle des Vermittlers Deutschland übernommen.

Über die Blockade der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien entbrannte innerhalb der EU erst kürzlich massiver Streit. Als "schweren historischen Irrtum" bezeichnete EU-Ratspräsident Donald Tusk die Entscheidung. Nicht zuletzt wegen der geplanten Integration von Westbalkanstaaten in das Grenz- und Migrationsmanagement der EU ist es wichtig, sich hier zu engagieren.

Apropos Migration: Österreichs Glaubwürdigkeit und Ansehen hat Ende 2018 international auch massiv unter dem Rückzug vom Uno-Migrationspakt gelitten, den Wien sogar mitverhandelt hatte. Für die künftige Regierung wirft das die Frage auf, wie sich Österreich in der Welt insgesamt darstellen will. Als einer von vier Uno-Amtssitzen weltweit hat Österreich bei Menschenrechtsbelangen, in Fragen der Abrüstung oder Denuklearisierung einen Ruf zu verteidigen. Dazu gehört auch das Bekenntnis zu einer ehrlichen Afrikapolitik, die eine faire Wirtschaftspolitik und die Bereitschaft, über Migrationsvermeidung hinauszugehen, inkludiert.

Beziehungen zu Russland

Diplomatische Fauxpas wie der Knicks von Ex-Außenministerin Karin Kneissl vor Russlands Präsident Wladimir Putin sollten in Zukunft vermieden werden. Die Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen in Russland und der Benennung heikler Themen wie der eingefrorenen Konflikte in Georgien, auf der Krim und in der Ostukraine muss erst gefunden werden.

Eine historische Verantwortung hat Österreichs Politik in den Beziehungen zu Israel. Einer friktionsfreien Zusammenarbeit auf diplomatischer Ebene steht nichts im Wege, sofern der Koalitionspartner der nächsten Regierung nicht FPÖ heißt. Die Forderung der türkis-blauen Regierung nach Doppelstaatsbürgerschaften für Südtiroler kann im Übrigen getrost fallengelassen werden. Die Südtiroler sind dagegen. (Manuela Honsig-Erlenburg, 6.11.2019)