Die Geburtsstunde fand im Oktober des Jahres 2005 in der Mojave-Wüste im Süden der USA statt: Im Rahmen der Darpa Challenge sollten 23 autonome Roboterfahrzeuge auf einer fast 213 Kilometer langen Strecke gegeneinander antreten. Eine Herausforderung, an der im Jahr zuvor noch sämtliche Teilnehmer gescheitert waren. Auch 2005 konnten bloß vier Autos die Distanz innerhalb des zehnstündigen Zeitlimits absolvieren, bei zweien davon war die Wiener Softwarefirma TTTech mit an Bord. "Wir waren in der Gründungsgruppe dabei", erinnert sich Vorstand Georg Kopetz an die zarten Anfänge seines Hauses im Bereich autonomes Fahren.

Für scharfe Augen: Bei diesem Teilnehmerfahrzeug der Darpa Challenge 2005, eines Events für Roboterautos, war das TTTech-Logo angebracht.
Carnegie-Mellon University

Ab 2012 setzte TTTech, Ende 1997 als Spin-off der TU Wien im Bereich der Netzwerktechnik gestartet, gemeinsam mit dem Partner Audi verstärkt auf das Thema. "Audi war entscheidend für uns", sagt Kopetz über die Entwicklung hin zu Lösungen für automatisiertes Fahren. Im Vorjahr wurde die Sparte in ein eigenes Tochterunternehmen ausgegliedert, nämlich TTTech Auto. Heuer ist die Fahrzeugtochter bereits der stärkste Umsatztreiber der Gruppe.

"Wir haben zehn Jahre gebraucht für die ersten zehn Millionen Euro Jahresumsatz", erinnert sich Kopetz an die Anfänge. Heuer soll die gesamte TTTech-Gruppe auf etwa 175 Millionen Umsatz (Betriebsleistung) kommen nach 125 Millionen im Vorjahr. Bei der Autotochter sollen die Erlöse von 64 auf etwa 80 Millionen Euro ansteigen. Fast die Hälfte der Anteile hält die Mutter TTTech, der Rest verteilt sich auf bekannte Namen wie Audi, Samsung, Infineon oder GE Ventures, die Risikokapitaltochter des US-Industrieriesen General Electric.

Aktionäre bleiben an Bord

Als nächsten Meilenstein will Kopetz TTTech Auto an die Börse pilotieren. Warum? "Für uns ist der Börsengang kein Ziel, sondern ein Mittel zum Zweck", betont der Firmenchef. Sprich, es gehe nicht um einen Ausstieg der Altaktionäre, sondern darum, selbstständig zu bleiben, das weitere Wachstum zu unterstützen und als börsennotierte Gesellschaft die Wahrnehmbarkeit zu erhöhen. "Wien ist derzeit unsere bevorzugte Option", sagt Kopetz über den anvisierten Handelsplatz. Der Börsengang soll frühestens 2021 über die Bühne gehen.

Denn im Lauf des nächsten Jahrzehnts erwartet Kopetz einen starken Schub für die Branche, ausgelöst durch verpflichtende Fahrassistenzsysteme in der EU. Ab 2022 sind etwa Müdigkeitswarner, Rückfahr-, Spurhalte- und Notbremsassistenten für Pkws ebenso vorgeschrieben wie Systeme zur Unfalldatenaufzeichnung. Bei Lkws und Bussen kommen Abbiegeassistenten dazu. "Das wird einen starken Push in Europa im Bereich Fahrassistenzsysteme geben", sagt Kopetz.

Computer teilweise am Steuer

Auf der fünfstufigen Skala im Bereich des autonomen Fahrens bewege man sich damit erst auf der Stufe zwei plus, auf der noch immer der menschliche Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug habe. Erst ab Stufe drei übernimmt teilweise der Computer, indem er selbstständig Funktionen wie Spurhalten oder -wechseln ausführt. "Das ist schon in Entwicklung", sagt Kopetz, "ich glaube, dass Level drei ab 2022 oder 2023 auf der Autobahn kommen wird."

Auf Wunsch ist der Audi A8 der vierten Generation auf das Fahren auf Autobahnen im dichten Verkehr, ohne Hände dauerhaft am Steuer zu haben, vorbereitet.
Foto: Audi

Bitte warten heißt es indes auf vollautomatische Robotertaxis der Stufe fünf, die völlig ohne menschliches Zutun unterwegs sein werden. "Das wird nicht so schnell gehen, wie man noch vor ein bis zwei Jahren gedacht hat", bremst Kopetz die Erwartungen. Insbesondere im Stadtbereich seien die Anforderungen an solche Systeme doch sehr komplex. Der TTTech-Chef erwartet eine Entwicklung in vielen kleinen Schritten bis zur höchsten Stufe, nach dem Motto: von der Automatisierung zur Autonomie.

Etliche Niederlassungen

Für diese Entwicklungsschritte benötigt die Firma Personal mit entsprechendem Know-how, das in Zeiten des Fachkräftemangels nur schwer zu rekrutieren ist. Der Lösungsansatz: Das Unternehmen geht mit Niederlassungen in Regionen mit gut ausgebildeten Arbeitskräften und weniger starken Jobmärkten – etwa auf die Iberische Halbinsel oder den Balkan. Dazu kommen Standorte in Deutschland, außerhalb Europas agiert TTTech Auto über Joint Ventures mit lokalen Partnern.

Welche Störfaktoren die Fahrzeugtochter auf ihrem Weg zur Börse stoppen könnten? Kopetz' Optimismus bleibt ungebremst: Weder eine Rezession in Europa noch US-Importzölle auf europäische Autos würden den Markttrend zu mehr und höherwertigen Fahrerassistenzsystemen auf Dauer beeinträchtigen. (Alexander Hahn, 6.11.2019)