Die Republik durchlebt entspannte Tage, die Sondierungen nehmen ihren geheimnisvollen, keinesfalls aber beunruhigenden Lauf. Gern nimmt der TV-Bürger die vertröstenden Worte der türkis-grünen Sparringpartner entgegen. Nichts soll das Wohlfühlklima stören, das die Regierung des Übergangs, geboren aus der Schönheit der Verfassung, verwaltet. Es gilt, die neue Normalität auszukosten! Und unterhält die Mattscheibengemeinde längst schon die Frage, wie die Minister rund um Kanzler Brigitte Bierlein heißen, ist die Chefin im Report zur Stelle, um deren Existenz zu beglaubigen und den Eindruck zu vertreiben, auch sie wäre ins Paralleluniversum des Republiksdienstes entschwebt.

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im "Report"-Interview.
ORF

Ob es möglich ist, Politik zu betreiben, ohne Politik zu machen, ob es also eine unpolitische Politik geben kann, muss die Nachwelt bilanzieren. Die Kanzlerin dürfte es bejahen. Ihr Team jedenfalls würde keine "Werteentscheidungen" für die neuen Machthaber treffen und auch keine budgetär nachhaltigen. Man sei "eine außergewöhnliche Regierung", einer "außergewöhnlichen Situation geschuldet."

Analytiker Thomas Hofer und Forscherin Sophie Karmasin sahen es später anders. Sie nannten die Regierung eine Beruhigungspille und monierten deren Zurückhaltung an falscher Stelle. Der TV-Bürger genoss hingegen Bierleins Auftritt, der wie jener einer Bundespräsidentin wirkte und folglich entspannte. Auch genoss er die aufgefrischte Gewissheit, dass es die Kanzlerin und ihre Übergangsregierung tatsächlich gibt, wie immer deren Mitglieder auch heißen mögen. (Ljubiša Tošić, 6.11.2019)