Der Bau der 380-kV-Leitung bringt Gemeinden in Bedrängnis.

Foto: Thomas Neuhold

Der umstrittene Bau der 380-kV-Leitung quer durch das Bundesland Salzburg ist eigentlich nur der Anlassfall. Die Auswirkungen der Debatte um den Bau dieser "Stromautobahn" werden aber wohl alle rund 2100 Gemeinden in Österreich genauestens beobachten. Wie die Sache ausgeht, könnte richtungsweisend für viele künftige Großprojekte sein.

Im Kern geht es in Salzburg um eine einfache Frage: Was geschieht, wenn Bürgermeister und Gemeinderat einer Kommune, über deren Gebiet die 380-kV-Leitung verlaufen soll, die von der Verbund-Tochter Austria Power Grid (APG) angebotenen Ausgleichszahlungen ausschlagen? Die Landesverwaltung hat dazu an der Universität Salzburg ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist wenig überraschend und ziemlich eindeutig.

Kurz gefasst: Schlagen Bürgermeister und Gemeindevertreter die Ausgleichszahlungen aus, die Leitung ist aber dennoch nicht zu verhindern, dann entstehe für die Gemeinde ein Vermögensschaden. Und schon winken das Strafrecht und der Untreueparagraf. Und da geht es immerhin um mehrjährige Haftstrafen.

Untreue wie in der Privatwirtschaft

Bei einigen der betroffenen Gemeinden, aber auch in der Landespolitik wie in den lokalen Kleinformaten ist seit Bekanntwerden des Gutachtens das sprichwörtliche Feuer am Dach. Der Gemeinderat der Flachgauer Gemeinde Koppl an der Stadtgrenze der Landeshauptstadt hat mit seinem kollektiven Rücktritt gedroht.

Für mit der Sache befasste Juristen kommt das Rechtsgutachten freilich nicht ganz so überraschend. Spätestens nach dem Schuldspruch für Salzburgs Ex-Bürgermeister Heinz Schaden und Ex-Landeshauptmannstellvertreter Othmar Raus im Zusammenhang mit der Übertragung von Zinstauschgeschäften von der Stadt auf das Land sei klar, dass die Gerichte bis hinauf zum Obersten Gerichtshof die Untreue ähnlich wie in der Privatwirtschaft auslegen. "Die Gemeinde darf ein günstiges Geschäft nicht sausen lassen", wird der Autor des Gutachtens, Universitätsprofessor Hubert Hinterhofer, in den Salzburger Nachrichten zitiert.

Schwierige Gesetzesreparatur

Die Landespolitik ergeht sich nun parteiübergreifend in Solidaritätsbekundungen."Es ist völlig unverständlich und geradezu absurd, dass Gemeinden – nicht nur die Bürgermeister, sondern alle Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter – gezwungen werden, jeden Vermögensvorteil für die Gemeinde ohne Rücksicht auf andere, gegenteilige Interessen der Gemeinde anzunehmen", sagt Landeshauptmann Wilfried Haslauer junior (ÖVP). Menschen, die sich in den Gemeinden ehrenamtlich zur Verfügung stellten und sich für ihre Ortsgemeinschaften nach bestem Wissen und Gewissen einsetzten, "müssen wir bestmöglich vor Strafverfolgung schützen", sagt Haslauer. Er fordert in diesem Zusammenhang eine Reparatur des Strafgesetzes und habe auch schon ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz um Unterstützung ersucht.

Wie eine solche Novelle aussehen sollte, ist freilich völlig unklar. Eine eigene Lex Bürgermeister oder Lex Gemeinderat sei undenkbar, sagen auch Justizexperten des Landes Salzburg. Nach dem Gleichheitsgrundsatz sei es nicht so einfach, für Gebietskörperschaften und Körperschaften öffentlichen Rechts wie etwa die Wirtschaftskammer Spezialstrafgesetze zu erlassen.

Das Land versucht nun in einem ersten Schritt das Problem mit einer Reform der Gemeindeordnung abzufangen. Demnach sollen Gemeindevertreter ohne Strafsanktion die Annahme von Geldleistungen oder Ausgleichszahlungen an die Gemeinde verweigern können ohne einen "Befugnismissbrauch" zu begehen. Für den Tatbestand der Untreue müsse ein Befugnismissbrauch der Amtsträger vorliegen. Den will das Land mit der Änderung der Gemeindeordnung nun landesrechtlich ausschließen. (Thomas Neuhold, 6.11.2019)