Urlaubsgeld, Rückzahlung vom Finanzamt oder Familienbeihilfe auf dem Konto des Partners können das Bild verzerren: Nicht jeder Österreicher weiß, wie viel Geld dem eigenen Haushalt monatlich zur Verfügung steht.

Noch schwieriger lässt sich einschätzen, wo man in der Einkommensverteilung steht. Denn Statistiker haben eine komplexe Methode, wie sie den Lebensstandard messen. Mit dem neuen Onlinerechner des STANDARD in Kooperation mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) erfahren Nutzer, wie sie im Österreich-Vergleich abschneiden.

Erstmals können User auch Gruppen nach soziodemografischen Merkmalen wie Bildung, Herkunft, Alter oder Familienzusammensetzung vergleichen. Aus Erfahrungsberichten von unserem vorigen Einkommensrechner wissen wir, das viele ihren relativen Lebensstandard unterschätzen. Sie auch?

Um herauszufinden, wie Ihr Lebensstandard im Österreich-Vergleich abschneidet, folgen Sie einfach der Anleitung in unserem Rechner. Es werden keine Daten gespeichert oder ausgewertet. Wenn Sie mehr über die Berechnung erfahren wollen, lesen Sie unten weiter.

Sozialer Abstieg für Alleinerzieher

Der Einkommensvergleich offenbart mitunter, welche Rolle der Sozialstaat spielt und welche gesellschaftlichen Gruppen die größten Abstriche machen müssen.

Zum Beispiel: Eine allein lebende Frau mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.149 Euro liegt genau in der Mitte der Verteilung: Die Hälfte der Österreicher hat einen höheren Lebensstandard, die andere einen geringeren. Bekäme die Frau bei gleichem Einkommen ein Kind, das sie alleine erzieht, hätten mehr als 70 Prozent aller Haushalte einen höheren Lebensstandard.

Haushaltseinkommen bilden ab, was tatsächlich auf dem Konto und im Börserl landet. Eine Besonderheit: Ökonomen schlagen Personen, die im Eigenheim leben, fiktive Mieten (nach Abzug der Betriebskosten) als Einkommen drauf. Etwaige Kreditraten, die zur Finanzierung des Heims fließen, werden wiederum abgezogen. So lässt sich ein wesentlicher Vermögenswert, der dafür sorgt, dass ein Haushalt mehr Geld zur Verfügung hat, in die Berechnung von Einkommen übertragen.

Für die Berechnung des Lebensstandards, aber auch der nationalen Armutsschwelle verwenden Ökonomen das sogenannte (Haushalts-)Äquivalenzeinkommen. Dabei werden Anzahl und Alter der Personen im Haushalt berücksichtigt. Wer zu zweit wohnt, steht demnach besser da als zwei Singles, auch wenn alle das Gleiche verdienen. Schließlich braucht ein Paar nicht zwei Waschmaschinen, zwei TV-Geräte und doppelt so viel Wohnraum. Kinder verringern jedoch den Lebensstandard in der Regel, zumal sie kein eigenes Einkommen generieren – Youtube-Stars ausgenommen.

Natascha und Gilbert in Paralleluniversen

Folgendes fiktives Rechenbeispiel zeigt, wie stark der relative Lebensstandard schwankt. Die abgebildete Lebenslage bezieht sich stets auf Zahlen aus dem Jahr 2017.

1. Single-Studentin, Haushaltseinkommen 1.300 Euro

Natascha (19) konnte es kaum erwarten. Sie ist von zu Hause, einer ländlichen Gemeinde in Oberösterreich, ausgezogen, um in Wien Anglistik zu studieren. Die Aufregung über die neue Selbstständigkeit triumphiert meistens über das Heimweh. Ganz steht sie aber noch nicht auf eigenen Beinen. Ihre Eltern überweisen ihr die Familienbeihilfe und den Familienbonus (rund 300 Euro) sowie drei Hunderter extra jeden Monat. Neben dem Studium jobbt Natascha als Kellnerin bei einem Schnitzelwirt und gibt Nachhilfe in Englisch. Damit kommt sie im Studentenheim über die Runden, liegt mit ihrem Einkommen von 1.300 Euro im Monat aber nur knapp über der Armutsgrenze.

  • 85 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben einen höheren Lebensstandard
  • 81 Prozent der unter 25-Jährigen haben einen höheren Lebensstandard

2. Berufseinsteigerin, Haushaltseinkommen 1.800 Euro

Mit Anglistik allein kommt Natascha (24) nicht weit. Darum hat sie ergänzend Deutsch auf Lehramt zu ihrem Sprachstudium absolviert. Das Zimmer im Studentenheim tauschte sie gegen eine Zweizimmerwohnung in erschwinglicher Lage ein – die 600 Euro Miete gehen trotzdem unter die Haut. Natascha unterrichtet nun an einer Neuen Mittelschule. Eine volle Lehrverpflichtung konnte sie noch nicht ergattern. Mit ihrem Gehalt von netto 1.600 Euro im Monat (auf zwölfmal im Jahr gerechnet) ist sie zufrieden, dank Nachhilfe kommt sie auf ein monatliches Einkommen von 1.800 Euro. Damit liegt ihr Lebensstandard etwa in der Mitte der Mieter in Österreich.

  • 65 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben einen höheren Lebensstandard
  • 47 Prozent der Mieter haben einen höheren Lebensstandard

3. Zwei Einkommen, Haushaltseinkommen 5.800 Euro

Gilbert und Natascha (30) haben sich verliebt. Sie zieht noch vor der Hochzeit in der geerbten 75-Quadratmeter-Wohnung des Programmierers ein. An der Schule verdient Natascha mittlerweile 2.500 Euro. Gilbert ist selbstständig und kommt auf das gleiche Einkommen. In der Einkommensstatistik stehen sie auch besser da, weil eine fiktive Nettomiete von 800 Euro zum Haushaltseinkommen dazugerechnet wird. Außerdem: Wer von Armut spricht, betrachtet das sogenannte Haushaltsäquivalenzeinkommen. Darin fließen auch Zahl und Alter der Bewohner ein. Das kinderlose Paar zählt zu den obersten zehn Prozent aller Haushalte bzw. zu den obersten 20 Prozent der Haushalte ohne Kind.

  • 9 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben einen höheren Lebensstandard.
  • 14 Prozent der kinderlosen Partner haben einen höheren Lebensstandard.

4. Zwei Kinder, Haushaltseinkommen 4.600 Euro

Die Zwillinge Paul und June rauben den Eltern den Schlaf, in der Wohnung ist es eng. Natascha (36) erbte im Vorjahr ein Sparbuch mit 20.000 Euro, das de facto nichts abwirft. Die Eltern wechseln einander in der Karenz ab. Derzeit ist Gilbert zu Hause bei den Kleinen. An Kinderbetreuungsgeld erhält die Familie rund 2.000 Euro monatlich. Dazu kommen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in Höhe von knapp 400 Euro. Natascha hat eine Klasse abgegeben und verdient nun 2.200 Euro. In der Einkommensstatistik fällt die Familie in die Mitte aller Haushalte. Das Sparbuch etwa wird für das Haushaltseinkommen nicht berücksichtigt. Die Kosten für die Kinder verringern den Lebensstandard.

  • 48 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben einen höheren Lebensstandard.
  • 39 Prozent der Partner mit Kind haben einen höheren Lebensstandard.

5. Haus auf dem Land, Haushaltseinkommen 4.800 Euro

Natascha (42) hat Gilbert überzeugt, ein Einfamilienhaus in der Nachbargemeinde ihrer Eltern zu mieten, wo die Kleinen Auslauf haben und Natascha eine Teilzeitstelle hat. Auch Gilbert nimmt finanzielle Abstriche in Kauf. Zusammen verdienen sie netto 3650 Euro. Die Wiener Wohnung generiert Mieteinnahmen von 750 Euro, nach Abzug der Betriebskosten. Der Staat überweist weiterhin monatlich rund 400 Euro an Familienförderung. In Summe landen monatlich 4.800 Euro auf dem Konto. Das ergibt ein Äquivalenzeinkommen von 2.286 Euro. Die Familie liegt nun oberhalb der Mitte der ländlichen Einkommen (in Gemeinden unter 100.000 Einwohner) und ist reicher als 60 Prozent aller Städter.

  • 44 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben einen höheren Lebensstandard.
  • 45 Prozent der Landbewohner haben einen höheren Lebensstandard.

6. Bis zur Pension, Haushaltseinkommen 6.960 Euro

An die Ruhe müssen sich die beiden erst gewöhnen. Die Zwillinge sind in die Wiener Wohnung gezogen, um zu studieren. Die Miete fällt damit weg, aber Natascha (53) und Gilbert haben inzwischen das Haus gekauft. Natascha stockte in der Schule wieder Stunden auf, Gilbert hat mittlerweile eine kleine Firma mit zwei Mitarbeitern. Sie verdienen netto gemeinsam 6.000 Euro pro Monat. Vom Staat kommen rund 460 Euro an Familienbeihilfe dazu. Das Eigenheim fließt mit 500 Euro fiktiver Miete nach Abzug der Kreditraten ein. Das Paar zählt zu den obersten fünf Prozent. In der Pension sinkt ihr Einkommen auf 5.000 Euro. Damit liegen sie im Vergleich zu Personen über 65 immer noch im obersten Viertel.

  • 4 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben einen höheren Lebensstandard.
  • 8 Prozent der 50- bis 64-Jährigen haben einen höheren Lebensstandard.

(Leopold Stefan, Sebastian Kienzl, 9.11.2019)