Der Blick vom Tiefenbachferner hinüber zum Linken Fernerkogel (direkt über dem Stegende). Links davon sind im Hintergrund die Lifte des Pitztaler Gletscherskigebiets zu sehen. Links unterhalb des Stegs ist im Fels ein grüner Punkt, kaum sichtbar. Er markiert jenen Grat, von dem 36 Meter Fels abgetragen werden müssten, um darauf eine Liftstation zu errichten.

Foto: Steffen Arora

Auf dieser Visualisierung der Söldener Bergbahnen sind die geplanten neuen Anlagen zwischen den bestehenden auf den Gletschern des Ötz- sowie des Pitztales zu sehen.

Foto: Bergbahnen Sölden

Mit dieser Grafik wollen die Projektwerber verdeutlichen, dass der Eingriff in die Natur kein allzu großer sei, weil nur ein Bruchteil der Gletscherfläche genutzt werde.

Foto: Bergbahnen Sölden

Sölden – Die Macht der Bilder ist gewaltig. Weil die Gegner der geplanten Skigebietserweiterung zwischen Ötztaler und Pitztaler Gletscher am vergangenen Wochenende mit bearbeiteten Fotos zum geplanten Projekt einen internationalen Sturm der Entrüstung losgetreten hatten, luden die Befürworter und Betreiber am Mittwochmorgen zum Lokalaugenschein auf den Berg.

Denn sie fühlen sich zu Unrecht in der Kritik, wie der Chef der Söldener Bergbahnen, Jakob Falkner, erklärte: "Dass wir einen ganzen Berggipfel wegsprengen wollen, ist eine Falschmeldung." Um das zu veranschaulichen, wurde auf dem betroffenen Berggrat, auf dem für den Bau einer Seilbahnstation 36 Höhenmeter abgetragen werden müssten, eine grüne Tonne platziert. "Das ist kein Gipfel, das ist ein Felsgrat, wie es sie zu Tausenden gibt", machte Söldens Bürgermeister Ernst Schöpf seinem Ärger über die Berichterstattung Luft.

"Alles andere ist Geschwätz"

Der Kritik am geplanten Ausbau kann Schöpf nichts abgewinnen. Denn der Tourismus und damit auch dieses Projekt seien für die Seitentäler Tirols alternativlos: "Alles andere ist Geschwätz!" Das Geschäft mit den Gästen sei schließlich kein Selbstläufer, es bedarf steter Weiterentwicklung, um am Markt nicht den Anschluss zu verlieren.

Genau das sei im Pitztal zu sehen. Dort wurde 1983 das Gletscherskigebiet erschlossen. Doch seit nunmehr 30 Jahren sei nicht mehr in den Ausbau der Liftanlagen investiert worden. Die nun geplante Erweiterung inklusive des Zusammenschlusses mit den riesigen Ötztaler Gletscher- und Winterskigebieten wird im langsam aussterbenden Pitztal als letzte Chance wahrgenommen, wie Bürgermeister Elmar Haid aus St. Leonhard erklärte: "Wir haben derzeit 1.380 Einwohner, das ist ein historischer Tiefststand."

Der Impuls kommt vom Berg

Ihm pflichtete Jasmin Walser bei, die vor kurzem das Hotel ihrer Eltern im Ortsteil Mandarfen übernommen hat: "Der Impuls muss vom Berg ausgehen. Nur dann können wir uns im Tal weiterentwickeln." Walser ist Teil einer Vereinigung junger Pitztaler, die sich für das Projekt einsetzen. In ihrem 150-Betten-Haus beschäftigt sie 48 Mitarbeiter, ein Drittel davon stamme aus dem Tal. Eine Alternative zum Tourismus gebe es für sie und die meisten anderen im Pitztal nicht.

Die heftige Kritik von außen versteht Walser nicht. Sie und auch Bürgermeister Haid erzählten von wüsten Beschimpfungen und Droh-E-Mails, die sie seit dem Wochenende erhalten haben. "Wir werden als Naturzerstörer beschimpft, die wir nicht sind", verteidigten sie sich.

Von überlebenswichtig bis netter Mehrwert

Während auf Pitztaler Seite, wo die dortigen Bergbahnen 95 Prozent der 130 Millionen Euro Projektkosten tragen, der Zusammenschluss als überlebenswichtig gesehen wird, ist er für die Ötztaler eine Erweiterung des ohnehin gewaltigen Portfolios. Er erwarte sich gar keine Steigerung der Bettenanzahl, räumte Bürgermeister Schöpf ein. Seine Gemeinde hat nach Wien die zweitmeisten Winternächtigungen in Österreich.

Warum man trotzdem an dem Projekt festhält, erklärte Bergbahnen-Chef Falkner: "Es ist eine Riesenchance, ein Traumangebot für unsere Gäste zu schaffen." Umfragen hätten gezeigt, dass die auf drei Dinge achten: die Größe des Skigebietes, Schneesicherheit und Modernität. Ein erweitertes Gletscherskigebiet biete all das.

"Die Logik schreit nach dieser Verbindung", ist Falkner überzeugt. Außerdem sei das Projekt "politisch gewollt" – tatsächlich spricht sich in Tirol keine Partei außer der Liste Fritz dagegen aus. Dass es noch Jahre dauern werde, bis die endgültige Entscheidung für oder wider die Gletscherehe fällt, ist den Projektwerbern klar. Auch dass es Folgen für die Umwelt haben werde, streiten sie nicht ab, geben aber zu bedenken, dass "nur 0,6 Prozent unserer Gletscherfläche dafür verwendet würden". Und das sei verkraftbar. (Steffen Arora, 6.11.2019)