Bild nicht mehr verfügbar.

Eine iranische Fahne weht vor dem Sitz der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien.

Foto: reuters

Jetzt wird es langsam ernst. Zum dritten Mal in diesem Jahr gibt der Iran bekannt, dass er Schritte zur Erweiterung seines Urananreicherungsprogramms setzt, die einen Bruch des Wiener Atomabkommens von 2015 darstellen. Die ersten Male waren es Aktionen, die unter dem Motto "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass" zu stehen schienen. Die Erhöhung des Anreicherungsgrads von 3,67 auf 4,5 Prozent, das Ausmaß der Überschreitung des erlaubten Bestands an angereichertem Uran: Das alles war eher im symbolischen Bereich. Der Iran wollte zeigen, dass er das Atomabkommen brechen kann – aber eigentlich nicht will.

Das beginnt sich nun zu ändern. Die Verletzungen werden schwerwiegender und nachhaltiger. Wobei der Iran auch keineswegs bestreitet, was ihm die USA vorwerfen, nämlich "nukleare Erpressung". Man lädt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sogar ein, die Verstöße zu registrieren.

Denn noch immer verspricht Teheran, alles wieder zurückzufahren, wenn die internationale Gemeinschaft ihren Teil des Deals einhält: mit einem Iran wirtschaftlich zusammenzuarbeiten, der von den im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Sanktionen eigentlich befreit sein sollte. Aber die USA haben das Abkommen im Mai 2018 eben nicht nur verlassen; sie sorgen seitdem auch systematisch dafür, dass es nicht umgesetzt werden kann.

Große Anreicherungskapazitäten

Um die Kirche im Dorf zu lassen: Auch jetzt bewegt sich der Iran noch nicht annähernd in dem nuklearen Bereich, aus dem ihn das Wiener Abkommen 2015 geholt hat. Damals hatte der Iran bereits mehrere Jahre auch auf 20 Prozent angereichert und verfügte über einen beträchtlichen Bestand an angereichertem Uran und über große Anreicherungskapazitäten. Ein Reaktor, mit dem Plutonium produziert hätte werden können, stand vor der Fertigstellung.

Davon ist man heute weit entfernt. Aber wenn nun der Iran die Arbeit mit fortgeschrittenen Zentrifugen aufnimmt, auf die er unter dem Deal noch Jahre hätte warten müssen, wenn er die unterirdischen Anlagen in Fordo wieder zu einem Teil seines aktiven Anreicherungsprogramms macht, so ist das ein schwerer Schlag gegen die Substanz des Abkommens. Sogar wenn der Iran dabei bleiben sollte, seinen Uranbestand von einem kritischen Wert entfernt zu halten – produziertes Urangas kann man wieder quasi neutralisieren -, so beginnen nun doch bedeutende technologische Schwellen zu fallen.

Die Gegner des Wiener Atomabkommens haben dessen Sinn, den Iran auf Jahre hinaus von diesen Schwellen fernzuhalten, stets geringgeschätzt. Die Befürworter haben es nie für den Stein der Weisen gehalten, aber für die einstweilige Lösung eines damals akuten Problems. Nun wird der 2015 geschlossene Kompromiss mit dem Iran wohl bald vom Tisch sein: allerdings ohne dass auch nur eines der politischen Ziele, die die USA mit ihrem Ausstieg verfolgt haben, erreicht ist.

Fast alle Eskalationsstufen – außer einem Militärschlag, den US-Präsident Donald Trump verabscheut – sind ausgereizt. Aber auch jene Staaten, die den Deal erhalten wollen, vor allem die EU-3 Deutschland, Frankreich und Großbritannien, sind mit ihrer Weisheit am Ende: Früher oder später werden sie aus den iranischen Verstößen Konsequenzen ziehen müssen. Das wird Trump bestimmt freuen. Aber eine Lösung des Problems mit dem iranischen Atomprogramm ist es nicht. (Gudrun Harrer, 7.11.2019)