Literaturnobelpreisträger Peter Handke war angeblich auch jugoslawischer Staatsbürger.

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Die Diskussion über Peter Handkes Nähe zum ehemaligen Jugoslawien reißt nicht ab und dürfte nun um eine Facette reicher werden: Der österreichische Schriftsteller, der am 10. Dezember den Literaturnobelpreis verliehen bekommt, hatte auch einen jugoslawischen Pass, berichtet die Online-Plattform "The Intercept". Sollte der Pass echt sein und Handke tatsächlich die jugoslawische Staatsbürgerschaft verliehen worden sein, dann hätte der Schriftsteller im Jahr 1999 automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Ob er nach dem Zerfall Jugoslawiens serbischer Staatsbürger geworden ist, war am Donnerstag für den STANDARD nicht zu eruieren.

Handke selbst nahm in einem serbischen Boulevardblatt Stellung. Er habe nur einen Reisepass erhalten, nicht aber die dazugehörige Staatsbürgerschaft, sagte er der Zeitung "Večernje novosti" vom Freitag.

ORF

Der Pass, dessen Authentizität dem STANDARD von Handkes Freund und Archivar Hans Widrich bestätigt wird, wurde am 15. Juni 1999 in der jugoslawischen Botschaft in Wien ausgestellt. Eine Woche davor hatte sein Stück "Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg" Premiere am Wiener Burgtheater gefeiert. Darin kritisierte Handke die Kriegsverbrecherprozesse, kurz vor der Premiere war auch der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević angeklagt worden. Handke selbst hielt im Jahr 2006 eine Rede bei Miloševićs Begräbnis, für die er Kritik erntete.

Bis vor kurzem waren Fotos des 1999 ausgestellten Passes im Handke-Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek auffindbar. Diese wurden kurzfristig von der Website entfernt, am Donnerstag aber wieder online gestellt. Das bestätigt der Leiter des Literaturarchivs der Nationalbibliothek, Bernhard Fetz, dem STANDARD. Die Fotos stammen aus dem Privatarchiv des Salzburger Handke-Freunds Hans Widrich, in dessen Haus Handke acht Jahre lang lebte.

Teurere Hotelzimmer

Warum Handke zusätzlich zu seinem österreichischen Pass auch einen jugoslawischen bekommen hat, ist unklar. Widrich sagte dem STANDARD am Mittwoch, dass Handke dafür recht banale Gründe ins Treffen geführt habe: Er sei auf seinen Jugoslawien-Reisen meist in Begleitung eines jugoslawischen Freundes gewesen und habe sich geärgert, dass dieser für dasselbe Hotelzimmer weniger bezahlen musste. Mit dem neuen Pass habe sich dieses Problem gelöst. Zu "Večernje novosti" sagte Handke, er habe sich das Dokument besorgt, "um zu reisen".

Doppelstaatsbürgerschaft nur in Ausnahmefällen

Grundsätzlich müssen Österreicher, die sich in einem anderen Staat einbürgern lassen wollen, bei der Behörde um Bewilligung ansuchen, dass sie die österreichische Staatsangehörigkeit behalten dürfen. Das wird nur in Ausnahmefällen genehmigt. Auf STANDARD-Anfrage beim Kärntner Staatsbürgerschaftsreferat heißt es: "Handke hat diesen Antrag nie gestellt."

Ist er also kein Österreicher mehr? Diese Frage will man in der Landesbehörde nicht beantworten, der Beamte verweist aufs Büro von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Und dort wird zwar bestätigt, dass eine Einbürgerung Handkes in Jugoslawien jedenfalls die sofortige Ausbürgerung aus Österreich bewirkt hätte. Nur: Ob es eine solche Einbürgerung in Jugoslawien gegeben habe, wisse man nicht. "Wir kennen ja nur das Foto des Reisepasses aus den Medien", heißt es im Büro Kaiser. Es könnte auch sein, dass Handke zwar einen Pass bekam, dass jedoch die dazugehörige Staatsbürgerschaft nie formell verliehen wurde. So wurde es auch von Handke selbst dargestellt. Die Landesamtsdirektion wurde nun von Landeshauptmann Kaiser damit beauftragt, den Sachverhalt zu prüfen.

Im Vorjahr hatten anonyme Hinweise auf türkisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaften zu Massenverfahren bei den Landesbehörden geführt. Wie berichtet mussten tausende Österreicher mit türkischen Wurzeln zittern, dass sie aus Österreich ausgebürgert werden. Umfangreiche Prüfverfahren wurden geführt, um den anonymen Hinweisen nachzugehen, einige Betroffene verloren die österreichische Staatsbürgerschaft. Später erklärte das Höchstgericht die Vorgangsweise für rechtswidrig.

Foto wieder online

Verwirrung gab es am Mittwoch rund um das Foto des Reisepasses im Online-Archiv der Nationalbibliothek. Widrich, der als Privatarchivar die Rechte am Foto innehat, begehrte, die Fotos aus der Datenbank zu entfernen, die Bibliothek kam diesem Begehren aus rechtlichen Gründen nach. Das bestätigt dem STANDARD der Leiter des Literaturarchivs der Nationalbibliothek, Bernhard Fetz. Wenig später wurden die Fotos jedoch wieder online gestellt: Widrich erklärt, er habe sich mit Handke persönlich abgestimmt, ob man das Foto weiterhin zeigen könne. Und der Schriftsteller meinte, er sehe kein Problem darin.

Heute sei der Schriftsteller jedenfalls Österreicher, glaubt Widrich, schließlich nehme er auch an den Empfängen des österreichischen Botschafters in Paris teil. Er sei letztens wieder dort gewesen, sagt der Handke-Freund. "Er meinte, so viele Dirndln habe er überhaupt noch nie gesehen." (Laurin Lorenz, Maria Sterkl, 7.11.2019)