Was für eine Verwandlung: Während Nintendo früher seine Konsolensysteme vergleichsweise hermetisch abriegelte und unabhängige Entwickler kaum den Weg auf die Hardware fanden, ist mit der Nintendo Switch alles anders. Wie keine andere aktuelle Konsole bietet der japanische Unterhaltungsgigant eine täglich wachsende Auswahl an kleinen und gar nicht so kleinen Indie-Perlen.
Neben Nintendos eigenen Hochglanzfranchises Mario, Zelda & Co sowie immer mehr AAA-Portierungen wie etwa kürzlich von The Witcher 3 oder Overwatch locken also längst auch bemerkenswerte Indies auf die Switch, darunter wirklich hochkarätige Games, die auf anderen Plattformen ein begeistertes Publikum gefunden haben: von Stardew Valley über Hollow Knight bis hin zu Terraria, von Into the Breach über Slay the Spire bis Cuphead, von Ori and the Blind Forest über Dead Cells bis hin zur Horrorklassikersammlung der Amnesia Collection.
Im Mai letzten Jahres hat der STANDARD das letzte Mal einen Überblick gegeben, höchste Zeit für ein Update: Diese tollen Indies für Nintendo Switch abseits der üblichen Verdächtigen haben Sie vielleicht übersehen.
"Blasphemous" (24,99 Euro, auch erhältlich für PS4, Xbox One, Windows)
Retropixelige Metroidvanias gibt es viele, doch Blasphemous ist etwas Besonderes: Das 2D-Actionrollenspiel wird mit vage christlicher Symbolik und ziemlich blutiger Horror-Fantasy seinem Titel durchaus gerecht. Wie das große Dark Souls ist auch das Spiel südspanischer Entwickler herausfordernd, mysteriös in Story und Handlung und ein riesiges, offen erforschbares Labyrinth mit vielen Geheimnissen. Allein wegen des absolut originellen Settings den Kauf wert.
"Steamworld Quest: Hand of Gilgamech" (24,99 Euro, auch erhältlich für Windows, Mac und Linux)
Nicht nur das famose Slay the Spire mixt Deckbuilding-Kartenspiel mit Rollenspielmechaniken, auch der aktuelle Eintrag ins witzige Steamworld-Universum macht diesbezüglich gute Figur: Als wackere Roboter-Rittergruppe ist man im umfangreichen Rollenspiel der schwedischen Entwickler in unzählige taktische Kartenkämpfe gegen fantasievoll gestaltete Gegner verwickelt. Dank gewohnt charmantem Humor, tollem Artdesign und überaus motivierendem Gameplay-Kern ist Steamworld Quest ein lohnendes Rollenspiel für jedermann.
"Untitled Goose Game" (19,99 Euro, auch erhältlich für Windows und Mac)
Die schreckliche Gans ist ein Phänomen: Die Hauptfigur dieses australischen Spiels macht seit Wochen auf allen Social-Media-Kanälen Furore. In der Gestalt des furchtlosen Federviehs terrorisiert man eine friedliche Spielewelt mit allerlei Schabernack. Die Mischung aus Adventure und Gänse-Sim nicht ganz in der Tradition des Goat Simulator gefällt auch wegen ihres minimalistischen, klaren Grafikstils und des adaptiven Pianosoundtracks. Ein perfektes Spiel für die ganze Familie.
"80 Days" (11,29 Euro, auch erhältlich für Android, iOS, Windows, Mac)
Jules Vernes klassischer Abenteuerroman "Reise um die Erde in 80 Tagen" ist die berühmte Vorlage für ein Adventure, das ebenfalls schon Klassikerstatus beanspruchen darf: Kaum ein Spiel kann von sich behaupten, so wunderbar Erzählen, Entscheidungen und cleveres Ressourcenmanagement unter einen Hut gebracht zu haben wie 80 Days. Das bereits 2014 erschienene Spiel lädt nun auch auf der Switch wieder und wieder zur Weltumrundung und fasziniert durch sein Steampunk-Setting eines fantastischen 19. Jahrhunderts, hochkarätige Texte und stimmige Präsentation. 80 Days zeigt als wahrer Erbe der klassischen Textadventures, wie ungebrochen groß die Macht des Wortes im Videospiel sein kann.
"Return of the Obra Dinn" (19,99 Euro, auch erhältlich für Windows, Mac, PS4 und Xbox One)
Das neue Spiel des Schöpfers von Papers, Please ist ein absolut origineller Leckerbissen für Detektivnaturen. Als Versicherungsagent macht man sich im stylischen Pixel-Schwarz-Weiß Anfang des 19. Jahrhunderts ans Lösen eines Rätsels: Was ist an Bord des menschenlos driftend aufgefundenen Handelsschiffs Obra Dinn geschehen? Kurze Flashbacks in die Vergangenheit geben ebenso Hinweise wie allerlei Papierkram und sonstige Indizien, die sich zu einem düsteren Bild zusammenfügen – wenn man Aufmerksamkeit und Kombinationsgabe genug hat, die Hinweise korrekt zu deuten. Schon jetzt ein zu Recht hochdekorierter moderner Indie-Klassiker.
"Dark Devotion" (19,99 Euro, auch erhältlich für Windows und PS4)
Toller Pixel-Style, düstere Atmosphäre und Gameplay, das sich gerade genug vom offensichtlichen Vorbild Dark Souls abhebt, um sowohl dessen Fans als auch ambitionierte Neueinsteiger bei der Stange zu halten: Das fordernde 2D-Rollenspiel Dark Devotion eines französischen Entwicklerteams belohnt alle, die sich mit genügend Hartnäckigkeit und Forschergeist in seine finsteren Gemäuer begeben. Erstaunlich taktische Kampf-Action gegen kleine und große Gegner und eine Prise Rogue-like-Progression machen aus dem atmosphärischen Titel einen Geheimtipp nicht nur für Souls-Freunde.
"My Friend Pedro" (19,99 Euro, auch erhältlich für Windows)
Die sprechende Banane hat mich überredet – ich schwör's! Im absurd blutigen Sidescroller My Friend Pedro führt ein maskierter Superheld einen ultragewalttätigen Kreuzzug gegen das organisierte Verbrechen. Dank diverser Schusswaffen, beachtlicher Akrobatik und vor allem der zum Beispiel auch vom Action-Klassiker Max Payne bekannten Zeitlupenfunktion wird das eigentlich simple Spiel zum atemberaubenden Kugelballett, in dem sich unglaubliche Kampfeinlagen quasi im Sekundentakt aneinanderreihen. Dank bizarrer Story und schwarzem Humor wird dem Blutbad überdies viel von seiner Härte genommen – für Zartbesaitete ist es allerdings definitiv nichts.
"Mutant Year Zero: Road to Eden" (44,99 Euro, auch erhältlich für Windows, PS4 und Xbox One)
Man mische die Rundentaktik von Xcom und die Atmosphäre von S.T.A.L.K.E.R. und bevölkere das Ergebnis mit Figuren direkt aus einem Albtraum von Entenhausen, voilà – das ist Mutant Year Zero. Was seltsam klingt, erweist sich als erstaunlich gut zusammenpassendes Postapokalypsen-Abenteuer, in dem man mit einer kleinen Truppe aus bis an die Zähne bewaffneten anthropomorphen Tieren und einem Mädchen mit Steinhaut ums Überleben in einer düsteren Welt kämpft. Die Switch-Version beinhaltet übrigens bereits die Erweiterung Seed of Evil und bietet somit wirklich viel Spiel zum für Indie-Verhältnisse nicht gerade kleinen Preis. Aber: worth it.
"Creature in the Well" (12,49 Euro, auch erhältlich für Windows und Xbox One)
Was ist ein "Pinbrawler"? Im Genrebastard Creature in the Well erfährt man genau das: Als Roboter macht man sich darin auf, mit Schwert und Werkzeugen die titelgebende mysteriöse Kreatur durch Beschießen mit einer oder mehreren Flipperkugeln zu bezwingen. Halb Dungeon-Crawler, halb Action-Puzzler, mit simpler, aber sehr stylischer minimalistischer Grafik und originellem Gameplay: Creature in the Well ist ein absolut frischer, aber auch herausfordernder Titel mit viel Abwechslung und großartigem Art- und Puzzle-Design.
"Ape Out" (14,99 Euro, auch erhältlich für Windows)
Was für ein Affenzirkus: Als riesiger Gorilla ist man in Ape Out auf der Flucht aus unterschiedlichen menschlichen Gefangenschaften. Dieses Spiel definiert Style neu: Die Grafik zitiert die weltbekannten klassischen Titelsequenzen von Hollywoodfilmen der 50er- und 60er-Jahre des Grafikdesigners und Typografen Saul Bass, der hervorragend umgesetzte prozedurale Soundtrack lässt als endloses Free-Jazz-Drumsolo die überdrehte Gewaltorgie zum abstrakt-ästhetischen Frontalangriff auf alle Sinne werden. Ein einerseits minimalistisches, aber andererseits maximal adrenalinförderndes Ausnahmespiel.
Ihre Meinung ist gefragt!
Welche Switch-Indies haben Sie in den letzten Monaten beschäftigt? Auf welches Spiel unabhängiger Entwickler für Nintendos Plattform freuen Sie sich besonders? Posten Sie dazu einfach im Forum. (Rainer Sigl, 10.11.2019)