Edelsteinfachmann Melvyn Kirtley prüft und kauft Diamanten für Tiffany & Co.

Foto: Tiffany & Co.

Nicht alles, was glänzt, ist Gold, und nicht alles, was funkelt, ist ein Edelstein erster Güte. Ob es sich um einen solchen handelt – oder eben nicht, wissen Experten im Fach der Gemmologie. Dieses Teilgebiet der Mineralogie wird auch Edelsteinkunde genannt, existiert seit Anfang des 20. Jahrhunderts und widmet sich der Identifikation und Evaluation von Schmucksteinen.

So bietet etwa die österreichische Gemmologische Gesellschaft (ÖGEMG) Echtheitsuntersuchungen von ungeschliffenen und geschliffenen Edelsteinen aller Art, am Wifi Oberösterreich kann man einen Diplomlehrgang zum Thema absolvieren, und auf europäischer Ebene treibt die Federation for European Education in Gemmology (FEEG) die fachliche Professionalisierung voran und etabliert einheitliche Standards.

Eine international besonders renommierte Instanz in diesem Sektor ist das Gemological Institute of America (GIA). 1931 gegründet, betreibt das US-amerikanische Institut heute Ausbildungsstätten von Kalifornien bis Taiwan.

Auch Melvyn Kirtley hat sich am GIA ausbilden lassen. Der gebürtige Brite ist Chefgemmolge bei Tiffany & Co. Als Edelsteinexperte ist er unter anderem für den Einkauf von Diamanten und anderen teuren Steinchen verantwortlich. Im Zuge einer Kollektionspräsentation in Paris hat uns Kirtley Einblicke in seinen Beruf gegeben.

Foto: Tiffany & Co

STANDARD: Herr Kirtley, haben Sie einen Lieblingsedelstein?

Melvyn Kirtley: Ich mag blaue Edelsteine. Der Elbait, eine Turmalinart, gefällt mir besonders gut. Durch den Kupfergehalt hat er eine neonblaue Farbe. Der speziellste Stein, den ich in Händen hielt, war aber ein gelber Diamant mit 128 Karat.

STANDARD: Was macht einen Stein besonders?

Kirtley: Der Wert von Edelsteinen ergibt sich durch Rarität, Farbe, Schliff und Klarheit. Dazu kommt natürlich auch noch ein gewisser emotionaler Wert, zum Beispiel bei Verlobungsringen.

STANDARD: Unterliegt auch das Schmuckgeschäft Trends? Welche Edelsteine sind bei Kunden derzeit beliebt?

Kirtley: Diamanten sind von jeher sehr beliebt, aber auch Farbsteine werden immer populärer. Man darf nicht vergessen, dass sich viele Kunden über die Jahre hinweg eine ganze Schmuckgarderobe aufbauen.

STANDARD: Konsumenten werden kritischer. Auch beim Edelsteinkauf?

Kirtley: Konsumenten interessieren sich sehr dafür, woher ihr Stein kommt. Der Kimberley-Prozess soll über staatliche Herkunftszertifikate den Handel mit sogenannten Blutdiamanten unterbinden – eine gute Initiative! Ich denke aber, man kann noch mehr tun. Etwa die Herkunft unserer Steine ganz genau zu kennen. Diamanten ab 0,18 Karat bekommen bei uns im Unternehmen eine Seriennummer, über die Informationen über den Stein einsehbar sind. In einem nächsten Schritt wollen wir bis 2020 auch die einzelnen Verarbeitungsschritte transparent machen.

STANDARD: Wie werden Rohdiamanten möglichst effizient geschliffen?

Kirtley: Der Rohdiamant wird gescannt, und am Computer wird der bestmögliche Schliff ermittelt. Rohdiamanten sind meist würfelig oder oktaedrisch. Für den klassischen Brillantschliff wird der Stein mit dem ersten Schnitt in der Hälfte oder in zwei Drittel geteilt. Die dadurch entstehende gerade Fläche wird zu Tafel und Krone (Anm.: flache Oberseite), der unebene Teil zur Kalette (Anm.: winzige Facette am unteren Ende) oder Spitze.

Wichtig ist der richtige Winkel. Wenn man zu effizient arbeitet, um möglichst kein Material zu verlieren, verliert man Leuchtkraft. Nur in der richtigen Proportion schafft der Brillantschliff 100 Prozent Lichtreflexion. Man unterscheidet zwei Leuchtarten. Jenes Licht, das auf die Facetten trifft und ins Auge zurückgeworfen wird, nennt man Szintillation – das Funkeln. Das Licht, das in den Diamanten eindringt und in Spektralfarben aufgesplittert wieder austritt, nennt man Feuer. Eine Balance zwischen beiden erreicht man, wenn der Stein perfekt geschliffen und poliert ist.

Foto: Tiffany & Co

STANDARD: Diamanten kann man auch im Labor herstellten. Wie unterscheidet man natürliche von künstlichen Steinen?

Kirtley: Es gibt thermale und spektrografische Tests. Im Spektrogramm zeigen künstliche Steine spezifische Ausschläge. In allen Bereichen gibt es Kopien. Auch Gemälde kann man perfekt kopieren. Aber es ist halt nicht das Gleiche. Eine Kopie wird immer die Kopie bleiben und nie das Original werden. Die Konsumenten treffen die Wahl.

STANDARD: Auch bei Farbsteinen kann man schummeln. Wie funktioniert das?

Kirtley: Es gibt viele Techniken zur Manipulation des Aussehens von Farbsteinen, von denen die meisten abzulehnen sind. Hitzebehandlung ist hingegen ganz üblich. Im Erdinneren ist es ja auch die Hitze, die Edelsteine wachsen und die Farbe entstehen lässt. Bei Saphiren wird Hitze eingesetzt, um noch mehr Farbe herauszubringen. Farbsteine mit Öl zu behandeln ist auch legitim. (Michael Steingruber, RONDO exklusiv, 14.01.2020)