Kostenlose Therapie bekommen Pädophile erst nach der Straftat. Dabei ist Prävention auch Opferschutz.

Foto: Christine Müller / Westend61 / p

Original Play wird weiter eingedämmt. Auf Bundesebene von Bildungsministerin Iris Rauskala, die – zwei Wochen nach Bekanntwerden von Missbrauchsvorwürfen gegen den Verein in Deutschland – auch in Österreich die Zusammenarbeit de facto verbietet, zumindest an den Bundesschulen, die unter ihrem Einfluss stehen. Ländervertreter und Pädagogischen Hochschulen riet Rauskala "dringend davon ab, diesen Verein weiter einzusetzen", sagte sie in der "ZIB".

Auf Länderebene verbat eine Landesregierung nach der anderen den Einrichtungen, dass sie den Verein zu sich einladen, um mit Kindern zu spielen und zu raufen. Kurz nach dem Aufkeimen der medialen Diskussion wurde Niederösterreich aktiv, Oberösterreich und Wien zogen nach. Nun äußerten sich auch die zuständigen Landesrätinnen des Burgenlands, der Steiermark und aus Tirol gegenüber dem STANDARD und gaben an, dass von der Zusammenarbeit abgeraten oder diese verboten und Verträge aufgekündigt werden sollen.

Körperkontakt

Die Argumentation für das Verbot folgt einem Muster: Um die "Sicherheit der Kinder" geht es und um die "Seriosität der Angebote", denn in der Debatte rund um den Verein äußerten sich mehrere Experten mit Bedenken und sprachen etwa von einer "Einladung zur Übergriffigkeit". Der Verein würde in einer "hochkritischen, undifferenzierten Weise" Körperkontakt zu Kindern suchen, sagte etwa Kinderpsychiater Karl-Heinz Brisch.

Therapie bei pädophiler Neigung

In Wien bietet die Männerberatung Therapie für Männer mit pädophiler Neigung an – bei Frauen wird nur in seltenen Einzelfällen Pädophilie diagnostiziert. Jonni Brem leitet die Männerberatung, er sagt, er hätte noch nie mit dem Verein zu tun gehabt, doch "dass das Menschen mit pädophilen Neigungen anspricht, ist selbstverständlich". Er sagt aber auch: "Deswegen jeden als pädophil zu bezeichnen, der sich dort engagiert, ist falsch." Von Original Play heißt es, man werde daran arbeiten, die Rahmenbedingungen des Angebots sicherer zu machen.

Studien zufolge haben zwischen einem halben und vier Prozent aller Männer auf Kinder gerichtete sexuelle Fantasien – und damit zehntausende in Österreich. Das bedeutet nicht, dass sie Kinder missbrauchen, anders herum ist nicht jeder, der ein Kind missbraucht, pädophil. Damit diese aber die Kontrolle behalten, nicht absichtlich die Nähe zu Kindern suchen oder sogar übergriffig werden, brauchen sie Hilfe.

In Deutschland bietet die Berliner Charité anonyme und kostenlose Therapie, unter dem Titel "Kein Täter werden" spannte sie ein Präventionsnetzwerk über zahlreiche Städte. In Österreich gibt es abseits der Männerberatung keine präventive Therapie für pädophile Männer, die noch keine Tat begangen haben. Etwa 60 Männer sind bei der Wiener Männerberatung aktuell in Behandlung. In den Ländern gebe es quasi keine Versorgung, sagt Brem, "viele hätten gern vor Ort eine Möglichkeit" – auch wenn, wie Brem betont, die Anonymität eine große Rolle spielt: "Bei uns gehen viele Männer ein und aus, wer pädophil ist, wird nicht gleich als solcher identifiziert." Er fordert daher eine Versorgung in allen größeren Städten.

Die Therapie bei der Männerberatung ist – anders als bei der Charité – kostenpflichtig, auch wenn es keinen einheitlichen Stundensatz gibt. Umsonst bekommt man als Mensch mit pädophiler Neigung im Normalfall nur dann eine Therapie, wenn man seine Identität preisgibt – etwa beim Psychiater – oder, wenn man zudem bereits ein Kind missbraucht hat und dafür verurteilt wurde. Dann übernimmt das Justizministerium die Therapiekosten.

Genau hinschauen

Der Verein Limes etwa betreut Jugendliche, die wegen Sexualdelikten verurteilt wurden, im Einzelfall übernehme die Wiener Jugendwohlfahrt auch die Therapiekosten für Täter, die nicht verurteilt wurden, sagt Peter Wanke, Psychotherapeut und Leiter von Limes. "Auch das ist Prävention", sagt er, Limes helfe dabei, dass einer Tat nicht weitere folgen. Doch "selbstverständlich wäre es wichtig, präventiv mehr Menschen zu erreichen, noch dazu, wenn sie so reflektiert sind, dass sie das Problem wahrnehmen", sagt Wanke. Je schneller man grenzverletzendes Verhalten, Absichten und Fantasien erkennen könne, desto eher könne man dafür sorgen, dass diese nicht zu Taten werden. Doch auch Limes gibt es nur in Wien, außerhalb von Niederösterreich und dem Burgenland könne man Jugendliche nicht erreichen, so Wanke.

Auch er kennt Original Play nur aus den Medien und sagt: "Klarerweise muss man aufpassen. Wenn jemand einen so körperbezogenen Zugang zu Kindern bekommt, muss man genau schauen, warum ihn das so interessiert." (Gabriele Scherndl, 7.11.2019)