Schreitet Norbert Hofer womöglich doch noch als Vizekanzler durch die Tapetentür in der Hofburg?

Foto: Matthias Cremer

Welch ein Jammer, dass die Sondierungen zur Geburt eines neuerlichen Regierungsversuches von Sebastian Kurz, kaum begonnen, schon wieder zu Ende gehen. Wie sie da so parteilich getrennt, aber koalitionswillig verbunden ins Winterpalais des Prinzen Eugen einzogen, immer wieder, um öffentlich ihre guten Absichten zu verkünden, und wieder auszogen, um zu melden, dass sich an diesen auch in Stunden atmosphärisch gesegneter Gespräche nichts geändert habe – die Medien apportierten eifrig jede noch so geringe Veränderung am Ritual, es war ein Triumph der Message-Control ohne Message.

Jetzt nur keine Verzweiflung: Es gibt eine Fortsetzung. Noch zweimal schlafen, und das laut Umfragen allgemein Herbeigesehnte könnte Realität werden: dasselbe noch einmal, unter dem Titel Koalitionsverhandlungen. Schon deshalb, weil man sonst eingestehen müsste, die Bürgerinnen und Bürger wochenlang gepflanzt zu haben. Was man Grünen noch zugestehen könnte, nicht aber jemandem, der um das Vertrauen wirbt, das ein Bundeskanzler genießen sollte – zumal nach einer Premiere parlamentarischen Misstrauens.

Zeit schinden

Diese Koalitionsgespräche werden zeigen, was die Sondierungen wert waren oder ob nicht Wochen vertan wurden, nur um die Zeit zu schinden, in der sich die FPÖ vielleicht doch noch zu einer moralisch erträglichen, nicht nur der heimischen, sondern auch der internationalen Öffentlichkeit zumutbaren Koalitionsvariante emporranken könnte.

An diesem Wendepunkt historischer Bedeutungslosigkeit lässt sich feststellen, dass die gereinigte Führung der Freiheitlichen ihre Chance nicht genutzt und den mit der Regierungsbildung beauftragten ÖVP-Obmann politisch und menschlich zutiefst enttäuscht hat. Nicht ohne Grund drängt man in der ÖVP bis zuletzt mit einer Hartnäckigkeit auf Konsequenzen im Fall Zanger, die einen merkwürdigen Kontrast zu der Duldung darstellt, die man dem blauen Koalitionspartner in etlichen unappetitlicheren Fällen zwei Jahre lang zuteilwerden ließ. Vom Innenminister ganz abgesehen. Ist Wolfgang Zanger doch nur das seltene Exemplar eines Büchernarren, der "generell keine Bücher in den Abfall" wirft, und das in einem Land, in dem viele kaum ein Buch besitzen, das sie in den Abfall werfen könnten.

FPÖ einschlägig unheilbar

Norbert Hofers am Beispiel Zanger gerade jetzt gelieferter Beweis, dass die FPÖ einschlägig unheilbar ist, ist eine seltsame Art, Dankbarkeit für das Lob zu zeigen, das ihr Kurz als bestem Koalitionspartner aller Zeiten lange zuteilwerden ließ. Aber Hofer kann nicht anders, ohne sich selbst als Burschenschafter untreu zu werden – in einer Partei, die fest in der Hand der Burschenschaften ist. Es geht nicht nur um die regelmäßigen Einzelfälle, die man als Zufälle wegzuerklären versucht. Die FPÖ ist der Schoß, aus dem die Einzelfälle kriechen, für seine Fruchtbarkeit ist gesorgt.

Daran wird sich nichts ändern. Hätte Kurz 2017 ebenso lange in der FPÖ sondiert, wie diesmal bei den Grünen, hätte er das, was er verdrängte, schon damals ans Licht bringen können. Ein Licht, das allen aufgehen müsste, die noch immer glauben, mit der FPÖ sei Staat zu machen. (Günter Traxler, 8.11.2019)