Das 1799 in der Kaiserlichen Manufaktur unter Konrad von Sorgenthal produzierte Tassenpaar war einst in der Sammlung Ferdinand Bloch-Bauers und gelangt nun bei Lempertz in Köln zur Versteigerung. Laut Katalogangaben seien die Porzellantassen restituiert worden. STANDARD-Recherchen bestätigen das nicht.

Foto: Lempertz

Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Hubertus Czernin (1956-2006) seinen Verlag gründete, der seither für "unbequeme" Themen sensibilisiert. Etwa für prominente Raubkunstfälle. Viele hatte er für eine STANDARD-Artikelserie recherchiert, die Chronologie der Entziehung in der Nazizeit ebenso wie die teils vergebliche Suche nach Gemälden und Objekten nach dem Zweiten Weltkrieg und behördliche Unbill dokumentiert.

Beispielhaft dafür stand die Geschichte der Sammlung des Großindustriellen Ferdinand Bloch-Bauer, die allererste ISBN des Verlages: Die Fälschung titelten die beiden Bändchen, die fast auf den Tag genau vor 20 Jahren erschienen und die Verlagsserie "Bibliothek des Raubes" begründeten. Im Mittelpunkt standen die Gemälde Gustav Klimts und allen voran das berühmteste von allen – das Porträt von Bloch-Bauers 1925 verstorbener Ehefrau Adele, die "Gold"-Variante von 1907.

"Die Frau in Gold"

Erst 2006 restituierte die Republik Österreich die Klimt-Bilder nach einem jahrelangen Disput an die Erben nach Ferdinand Bloch-Bauer: vier davon wurden im gleichen Jahr bei Christie's für knapp 193 Millionen Dollar versteigert. Nummer fünf, die "Goldene Adele", fand für 135 Millionen Dollar in Ronald Lauders Museum "Neue Galerie New York" eine neue Heimat: eine Trophäe, die diesen Fall in der öffentlichen Wahrnehmung bis heute dominiert.

Klimts "goldenes" Porträt von Adele Bloch-Bauer (1907) dominiert die Wahrnehmung der Raubkunst-Causa. 2006 wurde es – zusammen mit vier weiteren Gemälden des Künstlers – nach einem jahrelangen Disput restituiert. Für 135 Millionen Dollar erwarb es Ronald Lauder für sein Museum, die "Neue Galerie" in New York.
Foto: Neue Galerie New York

Einen Anteil daran trägt die Verfilmung Die Frau in Gold (Woman in Gold), in der Adeles Nichte Maria Altmann (Helen Mirren) und ihr Anwalt Randol E. Schoenberg (Ryan Reynolds) als "David" gegen den "Goliath" Österreich ins Feld ziehen. Fakten waren dabei nur am Rande von Relevanz. Das betraf nicht nur die von Altmann abweichende Sichtweise der anderen Erbengruppe.

Flucht nach Zürich

Unerwähnt blieb etwa auch, dass der wenige Monate zuvor konstituierte Kunstrückgabebeirat im Juni 1999 eine Restitution an die Erben empfohlen hatte: Die Albertina retournierte 16 Zeichnungen von Gustav Klimt und das Museum für angewandte Kunst 20 Porzellanobjekte, darunter mehrteilige Dejeuners, Tassen samt zugehörigen Untertassen und Bildteller.

Letztere Gruppe war Teil einer ehedem etwa 450 Objekte umfassenden und ob ihrer Güte legendären Kollektion, die 1941 in alle Winde zerstreut wurde und allenfalls noch in einschlägigen Fachkreisen ein Begriff ist.

Legendäre Porzellansammlung

Ferdinand Bloch-Bauer hatte sich auf Porzellane der Wiener Manufaktur in der Ära (1785-1805) Konrad von Sorgenthals spezialisiert. In den 1920ern ließ er seine Kollektion von Richard Ernst, Kustos im Museum für Kunst und Industrie (MKI, heute Mak) inventarisieren, aufarbeiten und 1925 in einem Katalog (Amalthea-Verlag) publizieren.

Die 229 Objekte umfassende Sammlung wurde in den Folgejahren laufend ergänzt. Abgesehen vom kulturhistorischen Wert war auch der monetäre evident: 1932 lag er bei stattlichen 4,34 Millionen RM, belegt ein Dokument im Archiv des Bundesdenkmalamtes (BDA).

Die ob ihrer Qualität legendäre Porzellansammlung Ferdinand Bloch-Bauers wurde beschlagnahmt und 1941 im Auktionshaus "Kärntnerstraße" (das arisierte "A. Kende" versteigert. Zum Download des damaligen Auktionskataloges https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunst_und_auktionshaus_kaerntnerstrasse1941_06_23
Foto: Repro, Universtitätsbibliothek Heidelberg

Nach dem Anschluss im März 1938 flüchtete Bloch-Bauer nach Zürich, sämtliche seiner Vermögenswerte wurden beschlagnahmt. Die umfangreiche Kunstsammlung fungierte zur Deckung angeblicher Steuerrückstände. Und so kam auch das Porzellan ins Spiel, das nun auf 500.000 RM geschätzt wurde. "Sammlung B.B. Wien – Porzellan des Klassizismus" titelte der Katalog des Auktionshauses "Kärntnerstraße" (vormals A. Kende) mit 413 Lots.

Museumsankäufe

Noch vor der für 23. bis 25. Juni 1941 anberaumten Versteigerung sicherte sich Richard Ernst, nunmehr MKI-Direktor, und die städtische Sammlung (heute Wien-Museum) knapp 70 Objekte. Der Umsatz blieb hinter den Mindesterwartungen von 146.000 RM zurück. Ein Teil der Porzellane wurde bei einer Nachfolgeauktion im Dezember versteigert.

Sieht man von den institutionellen Ankäufen ab, wechselte der Großteil in anonymen Besitz. Mehr als 300 Katalogpositionen befinden sich bis heute unerkannt in Privateigentum. Denn die Suche nach dem Zweiten Weltkrieg verlief weitestgehend ergebnislos.

Ferdinand Bloch-Bauer war im November 1945 in seinem Schweizer Exil verstorben. Als Erben hatte er seinen Neffen Robert Bentley sowie seine Nichten Louise Gattin und Maria Altmann eingesetzt. In deren Auftrag bemühte sich der Anwalt Gustav Rinesch, ein Studienkollege Robert Bentleys, um die Auffindung der gesamten Kunstsammlung.

Gros verschwand in Privatbesitz

An der Porzellanfront war der Erfolg sehr überschaubar geblieben. Aus den städtischen Sammlungen bekamen die Erben gegen Rückerstattung der Kaufpreise (!) 15 Porzellane zurück, 16 waren im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen. Aus dem Museum für angewandte Kunst bekam man gegen eine Widmung von 19 Objekten 15 weitere im Weg eines Tausches von Dubletten aus dem Bestand ausgeglichen.

Im Juni 1941 wurde die zuvor beschlagnahmte "Sammlung B.B. Wien – Porzellan des Klassizismus" versteigert. Lot 198, das nun von Lempertz angebotene Tassenpaar, wechselte für 700 RM in unbekannten Besitz.
Foto: Repro, Universtitätsbibliothek Heidelberg

Von den zahlreichen Privatkäufern 1941 konnte Rinesch nur einen Walter Schmeil ausfindig machen, wie aus einem Akt im BDA-Archiv hervorgeht. Der im Juni 1948 vereinbarte Rückstellungsvergleich sah eine Rückgabe von 29 Porzellanen gegen Rückerstattung des Kaufpreises vor. Der Rest gilt als verschollen.

Bei Lempertz in Köln wird am 15. November ein Tassenpaar (Schätzpreis 6000-8000 Euro) versteigert, das einst in der Sammlung Bloch-Bauer beheimatet war. Die Verkäufer erwarben es bei der Kunsthändlerin Elisabeth Sturm-Bednarcyk, die seit Mitte der 1980er-Jahre in enger Verbindung mit den Nachfahren steht und die in den Besitz der Familie zurückgekehrten Porzellane teils verkaufte.

Laut Lempertz-Katalog sei das Tassenpaar restituiert worden. Recherchen des STANDARD bestätigen das nicht. Rinesch habe bei der Auktion 1941 einige Gegenstände im Auftrag Bloch-Bauers ersteigert, erklärt Sturm-Bednarcyk auf Anfrage. Darunter wohl auch diese. Dazu ließen sich nicht alle Bloch-Bauer-Porzellane heute noch zweifelsfrei identifizieren, erzählt sie. Manches habe die Wiener Manufaktur mit geringfügigen Abweichungen ja auch mehrmals produziert. (Olga Kronsteiner, 9.11.2019)