Hilfe bei der Suche nach einem neuen Platz im Leben.

Foto: imago images / Huber Starke

18. August 2017. 22.30 Uhr. Es ist der Moment, in dem die Fröhlichkeit brutal hinweggefegt wird. Eine plötzliche Orkanböe zerstört in wenigen Sekunden das Zelt für das zum 39. Mal durchgeführte Fest der Feuerwehr Frauschereck in der kleinen Innviertler Gemeinde St. Johann am Walde. Zwei junge Menschen sterben, 140 Personen werden verletzt. Lukas H. ist einer davon. In der Unglücksnacht trifft den 23-Jährigen ein herabstürzender Stahlträger auf den Kopf. Zwei Monate liegt der gelernte Metallfacharbeiter im Tiefschlaf.

Der Grat zwischen Leben und Tod ist über viele Stunden, Tage und Wochen ein schmaler. Doch Lukas H. überlebt. Aber es ist ein völlig neues Leben. Der 23-Jährige öffnet sichtlich gut gelaunt die Tür zu seinem Zimmer. Die Narben am Kopf sind noch deutlich zu sehen. "Die haben mir eine Metallplatte eingesetzt", erzählt der junge Mann. Am linken Auge sehe er nur Doppelbilder, dazu würden die epileptischen Anfälle kommen.

"Glauben Sie mir, aus heutiger Sicht wäre es besser gewesen, ich wäre nicht zu dem Festl gegangen. Aber so ist es nun einmal." Er hadere auch gar nicht mit seinem Schicksal: "Wenn ich jetzt recht jammere, wird nichts besser." Obwohl: "Gegenüber meiner Freundin habe ich oft ein schlechtes Gewissen. Ich bin im Zelt auf sie gestürzt und sie hat sich dadurch drei Rippen gebrochen. Das tut mir furchtbar leid."

Alltagssorgen

Lukas verfolgt ein konkretes Ziel: "Ich will wieder arbeiten können. Als Metallarbeiter geht wegen der Anfälle nicht. Aber ich will eine Umschulung machen. "Hilfe auf dem steinigen Weg zurück bietet dabei eine österreichweit einzigartige Einrichtung. Lukas H. wohnt seit April in der "Synapse" im oberösterreichischen Gallspach. Die spezielle Einrichtung von Assista bietet Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen – etwa Gehirnblutungen, Infarkte, Tumore, postoperative Hirnschädigungen oder Schädel-Hirn-Traumata – die Möglichkeit einer sozialpädagogischen Reha.

Im Vordergrund steht dabei vor allem der Alltag. Was vielleicht banal klingen mag, ist für Betroffene meist eine der größten Hürden. "Bei uns geht es darum zu lernen, sich über die kleinen Schritte zu freuen. Denn wenn die Patienten zu uns kommen, sind die großen Schritte längst passiert: Betroffene wurden im Krankenhaus, etwa nach einem Unfall, wieder entsprechend zusammengeflickt, haben dann die medizinische Reha durchlaufen", erläutert Synapse-Leiter Gabriel Floß.

Selbst ist der Patient

In einer speziellen Trainingswohnung werden die Abläufe des Alltags geprobt, stets unterstützt von einem interdisziplinären Team aus Neuropsychologen, Logopäden, Physiotherapeuten und entsprechend qualifiziertem Pflegepersonal. Bis zu zwei Jahre können Betroffene in der "Synapse" leben. "Wobei die Ziele von unseren Bewohnern meist selbst vorgegeben werden", so Floß im STANDARD-Gespräch. Denn für jeden Betroffenen bedeute ein Mehr an Selbstständigkeit etwas anderes. Floß: "Aber eines muss allen bewusst werden: Es gibt kein zurück in das alte Leben, weil es eben dieses alte Leben nicht mehr gibt. Ein Hirnschaden verändert den Menschen.

"Nur drei Plätze sind in der Synpase, die aktuell ihr zehnjähriges Bestehen feiert, übrigens für Nicht-Oberösterreicher reserviert. Eine Situation, die Assista-Geschäftsführerin Heidi Engelbrecht durchaus nachdenklich stimmt: "Der Bedarf an zusätzlichen Plätzen ist da. Die Zahl der Patienten mit erworbenen Hirnschädigungen ist im Steigen. Doch aktuell sind wir österreichweit die einzige Langzeitreha-Einrichtung." Gefordert sei daher die Politik.

Rollstuhl-Äktschn

Der Feierlaune im Jubiläumsjahr scheint dies jedoch keinen Abbruch zu tun. Und man will mit einem ganz besonderen Projekt heraus aus der Mitleidsecke. Zum Zehnjährigen haben die Klienten der "Synapse", mit professioneller Unterstützung, einen Film gedreht. Der Action-Kracher "Rocky Rollstuhl – Sie geben alles, nur nicht auf" feiert am Freitag, 15. November, um 14 Uhr im Kursaal Gallspach Premiere. (Markus Rohrhofer, 10.11.2019)