Angesichts steigender Zahlen von Migranten, die von der Türkei nach Griechenland einreisen, befürchtet man in Europa eine neue Migrationskrise.

Foto: APA/AFP/LOUISA GOULIAMAKI

Wien – "Was haben wir aus 2015 gelernt?" Diese Frage stellte Innenminister Wolfgang Peschorn am Donnerstag bei einer Pressekonferenz anlässlich des "Forum Salzburg", einer zweitägigen Konferenz, an der die Innenminister und Polizeichefs von 15 europäischen Ländern teilnehmen. Der Kampf gegen das Schlepperwesen und die Gewährleistung des EU-Außengrenzschutzes seien die wichtigsten Maßnahmen, "um eine neue Migrationskrise auch in den kommenden Jahrzehnten zu bewältigen", beantwortete Peschorn die eingangs formulierte Frage. Ziel der Konferenz sei es, eine solche neuerliche Migrationskrise auf der Westbalkanroute zu verhindern.

Der Anlass für die Sorge um den Außengrenzschutz seien "dramatische Bilder die uns von der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland erreichen.", erklärte Peschorn. Derzeit sind allein auf den griechischen Inseln 26.000 aus der Türkei kommende Flüchtlinge untergebracht, so viele wie noch nie seit dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingspaktes im März 2016. Obwohl in Österreich die Migrationszahlen rückläufig sind, könne man sich angesichts der wachsenden Zahl an Migranten auf der Westbalkanroute "nicht zurücklehnen", so Peschorn. Ein effektiver Schutz der Außengrenzen sei "quasi eine Geschäftsbedingung für das Funktionieren unseres Asylwesens und auch das Funktionieren der europäischen Grundfreiheiten."

Während die Vertreter aus Nordmazedonien und Slowenien betonten, dass sie "verlässliche Partner" beim Schutz der europäischen Außengrenzen seien, beurteilt man das in Deutschland offenbar anders. "Wir erwarten bis Ende des Jahres 100.000 Asylwerber in Deutschland, die über die Westbalkanroute kommen. Das ist ein Zeichen, dass der europäische Außengrenzschutz nicht funktioniert.", sagte Helmut Teichmann, Staatssekretär im Deutschen Innenministerium. Sloweniens Innenminister Bostjan Poklukar betonte, dass Alleingänge wie das Schließen von Binnengrenzen kein Schritt in die richtige Richtung seien. Es brauche ein gemeinsames Vorgehen der EU-Mitgliedsstaaten.

Reisefreiheit wiederherstellen

Auf die Frage, was im Rahmen des Forum Salzburg beschlossen werden solle, erklärte Peschorn, man müsse endlich über ein neues europäisches Asyl- und Migrationssystem reden, es brauche neue Regel im Dublin-System, die von allen Mitgliedsstaaten akzeptiert werden, und außerdem eine perfekte Vernetzung der Polizei über die Grenzen hinweg.

Im Zuge der Konferenz haben sich auch die Grenzpolizeichefs der eingeladenen Länder getroffen. Diese hätten bereits erste, kurzfristige Grenzschutzmaßnahmen beschlossen, langfristiges Ziel müsse es jedoch sein, in der EU die Reisefreiheit wiederherzustellen und die Binnengrenzen zu schützen, "so dass es niemandem auffällt.". Dafür brauche es einen Notfallplan, der es ermöglicht, gezielt auf Entwicklungen von Migrationsbewegungen zu reagieren, erklärte Peschorn.

Dringend notwendig sei auch die Bekämpfung der sekundären Migration innerhalb Europas sowie eine Forcierung von Abschiebungen, heißt es in einer Deklaration der Konferenz. Der Bedarf an Abschiebungen könnte in Zukunft in Österreich weiter steigen, da die Zahl der Asylaberkennungsverfahren heuer stark gestiegen ist, wie eine Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ zeigt. Allein in den ersten acht Monaten wurden 5547 Verfahren eingeleitet – und damit fast so viele wie im gesamten Jahr davor. Ein Drittel der Verfahren, wurde aufgrund von Straffälligkeit eingeleitet. (Johannes Pucher, 8.11.2019)