Wien – Der Architekt des Gebäudes, in dem das Verwaltungsgericht des Landes Wien untergebracht ist, muss ein Misanthrop oder ein Verehrer Franz Kafkas gewesen sein. Gänge und Treppen enden an verschlossenen Türen, die Verhandlungssäle sind willkürlich über zwei Stockwerke verteilt, selbst dort Arbeitende müssen auf einem Plan nachsehen, um den richtigen Weg zu jenem Saal weisen zu können, in dem die Maßnahmenbeschwerde von Anselm S. gegen die Wiener Polizei verhandelt wird.

Der deutsche Autor, freie Journalist und – laut Eigendefinition auf Twitter – "Aktivist" und "Auf der Straße für #climateJustice" wurde am 31. Mai am Rande einer nicht angemeldeten Kundgebung bei der Aspernbrücke in der Wiener Innenstadt festgenommen und kam dabei, wie Videos zeigen, mit dem Kopf unter einem Polizeigefährt zu liegen, das loszufahren begann. Erst unmittelbar bevor er verletzt wurde, zerrten Polizisten den bereits Fixierten aus dem Gefahrenbereich.

Am Verwaltungsgericht Wien wurde am Freitag die Maßnahmenbeschwerde von Anselm S. gegen die Wiener Polizei verhandelt.
Foto: APA/Hans Punz

Gemeinsam mit seinem Anwalt Clemens Lahner will S. vom Verwaltungsgericht nun seit Mittwoch feststellen lassen, dass die Amtshandlung nicht legal gewesen ist. Nicht nur wegen der gefährlichen Situation mit dem Polizeifahrzeug – S. und Lahner gehen auch davon aus, dass es überhaupt keinen Grund für eine Festnahme gegeben habe und es von der Exekutive illegal gewesen sei, den Aktivisten 14 Stunden lang festzuhalten.

Beschwerdeführer S. argumentiert, dass er als Journalist über die Straßenblockade der Klimaaktivisten berichtet und die Lage beobachtet habe. Er habe die Beamten auch auf seine Funktion hingewiesen. Dem widersprechen die Polizisten. Am Freitag, dem dritten Verhandlungstag, schildert ein weiterer Uniformierter, gegen den wegen des Vorfalls ermittelt wurde, als Zeuge seine Sicht der Dinge.

Gruppenbildung als Einschreitgrund

Er habe zuerst die offizielle Klimademo mit Greta Thunberg vom Helden- zum Schwarzenbergplatz eskortiert. Danach sei er zu der nicht angemeldeten Kundgebung kommandiert worden. Dort beobachtete er eine lebhafte Diskussion zwischen S. und einem Polizisten. "Es hat sich dann eine Gruppe von Sympathisanten um die beiden gebildet", er sei seinem Kollegen zur Hilfe gekommen. Als er eintraf, habe dieser Kollege S. schon an der Hand fixiert gehabt, der Zeuge packte die andere. Mehr will er nicht sagen, er macht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht möglicherweise selbst belasten zu müssen.

Ein Unbeteiligter schildert dagegen, er habe die Szenerie gefilmt, da sie ihm unverhältnismäßig gewalttätig vorgekommen sei. Die Beamten zerrten aus seiner Sicht einen Mann aus der Menge, der lediglich dastand. Wieso das Polizeiauto anfuhr, als S. darunter lag, kann er nicht sagen.

Für weitere Zeugen wird vertagt. (Michael Möseneder, 8.11.2019)