Boris Johnson.

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In der österreichischen Innenpolitik spitzt sich die Lage dramatisch zu. Was werden wir früher vor Augen haben – eine neue Regierung oder den Historikerbericht der Freiheitlichen Partei? Hätten andere Staaten nicht noch größere Probleme, die Spannung wäre kaum zu ertragen. Einen von denen zu helfen, griff der Zoologe und Verhaltensforscher Antal Festetics Mittwoch in der "Presse" zu dem literarischen Mittel Offener Brief, gerichtet an niemand Geringeren als Boris Johnson. Der britische Premierminister dürfte noch bleicher geworden sein, als er ohnehin wirkt, als er das Blatt aufschlug und dort lesen musste: Kein schöner Tod, Herr Premier!

Professor Dr. Festetics rührte mit dieser drastischen Einleitung nur an eines der ekelhaften Probleme, die mit dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU verbunden sind, nämlich an der von Boris Johnson geplanten Legalisierung der Fuchsjagd, die auf der Insel als Tierquälerei seit 2004 verboten ist. Den Engländern wurde nicht zuletzt vonseiten der EU wiederholt vor Augen geführt, welch drastische Folgen ein Austritt für sie haben würde, ohne bei hartnäckigen Brexiteers auf Resonanz zu stoßen. Wenn nicht einmal Festetics' Eingreifen gegen diese Barbarei der englischen Oberschicht an Johnson Wirkung zeigt, dann ist der Austritt wohl gelaufen.

Stellen Sie sich vor, Boris Johnson, Sie sind für einen Tag nicht der Mensch, der Sie sind, sondern ein Fuchs. Eingefangen, um ihn, wenn am Jagdtag zum Halali geblasen wird, aus der Kiste frei laufen zu lassen. Bis die kläffenden Köter Sie, Herr Johnson, als Fuchs, eingeholt haben und bei lebendigem Leibe in Stücke zu zerreißen bemüht sind. Als lustbefriedigende Endhandlung der reitenden Waidmänner werden Sie in Ihrem Todeskampf schließlich vom Jäger des Gutsherren mit seinem Stiefel zu Tode getreten.

Den Füchsen so fern

Nichts wäre erbaulicher, als die drastische Aufforderung des Zoologen, Boris Johnson möge sich in das Schicksal eines Fuchses versetzen, fiele auf fruchtbaren Boden. Zu fürchten ist freilich, Johnson fühlt sich der englischen Upperclass und ihren lustbefriedigenden Endhandlungen enger verbunden als den Füchsen, wenn ihm nicht doch noch jemand ein Exemplar der "Presse" durch den Türschlitz in Downing Street Nr. 10 wirft. Rees-Mogg wird es nicht sein.

In der Zeit um den 1. November muss man sich aber nicht in einen Fuchs versetzen, um mit dem Tod konfrontiert zu werden. "News" ging das nie zu erschöpfende Thema entschlossen an mit dem Cover: Das letzte Tabu. Ein Ex-Bestatter und Psychologe erklärt die Dinge, die Österreich totschweigt. Am besten in einem "Letzte-Hilfe-Kurs – Weil der Tod ein Thema ist" bei Styria Verlag (22 Euro).

Ein alpenländischer Charon

Wenn es um Totschweigen geht, hatten die Österreicher meist andere Prioritäten als den bürgerlichen Tod, ohne dass es dafür Kurse gegeben hätte. Kein Problem für den Ex-Bestatter. Anderen macht der Tod Angst, doch ihn macht er, bei leerem Magen, schläfrig. Ursprünglich war er Rauchfangkehrer, woher wohl, wie der "News"-Autor vermutet, eine gewisse Affinität zu dunklen Übergängen Richtung Himmel rührt. Dann zwischendurch Busfahrer, ein Chauffeur auf täglichen Wegen. Danach war er mehr als ein Jahrzehnt lang Bestatter, ein Lenker letzter Fahrten. Gewissermaßen ein alpenländischer Charon. Und wenn er gerade keine Toten abholte oder einsargte, überlegte er, wie man den völlig überforderten Überlebenden in ihrer Trauer helfen könne, studierte neben dem Job Psychologie, promovierte – und bietet nun österreichweit Letzte-Hilfe-Kurse an.

Dabei ist er den weltlichen Freuden durchaus zugetan: Bier mag er für sein Leben gerne, besonders das malzig anmutende aus seiner Mühlviertler Heimat. Und auch nahrhaftes Essen ist ihm ziemlich wichtig. Wenn zu Mittag nichts Gescheites auf den Tisch komme, sei er am Nachmittag zu gar nichts mehr zu gebrauchen, sagt er, dann fühle er sich leer und todmüde. Mit solchen Nahtoderfahrungen ausgestattet, sollte es auch ohne Psychologiestudium nicht allzu schwer sein, anderen zu helfen. Eine seiner Kernerfahrungen nach einem Jahrzehnt als Bestatter ist: Vor dem Tod gruselt 's uns allen, nicht wohlig, nicht halloweenmäßig, sondern kalt und brutal.

Seinen Kunden rät er: "Mit irgendwelchen Standardsätzen und Phrasen erreicht ihr gar nichts!" Womit man etwas erreichen könnte, bleibt eher vage, auch von Durchhalteparolen wie "Das wird schon wieder"hält er nichts. Ein Ex-Bestatter, der nicht ans Leben im Jenseits glaubt. (Günter Traxler, 9.11.2019)