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Sanchez bei einer Wahlveranstaltung in Barcelona.

Foto: AP/Emilio Morenatti

Das ist Pedro Sánchez in Reinkultur. Der geschäftsführende spanische Premier lächelt, wann immer er bei der einzigen TV-Debatte vor den Neuwahlen am Sonntag vermutet, dass die Kamera auf ihn gerichtet sein könnte. Die vier Mitbewerber um das Amt des Regierungschefs sind ihm keines Blickes würdig. Der sozialistische Parteichef debattiert nicht, sondern gibt Statements ab, oft sind sie einstudiert.

Sánchez verspricht eine "fortschrittliche, stabile Regierung". Wäre es nach ihm gegangen, würde er "sein Projekt für das Land" schon lange umsetzen, betont er immer wieder. Doch die restlichen Parteien hätten ihn nicht gelassen, so sein Hauptargument im gesamten Wahlkampf. Sánchez betrachtet sich als Opfer.

Im Juni 2018 per Misstrauensvotum ins Amt gekommen, scheiterte Sánchez am Haushalt und rief im April vorgezogene Neuwahlen aus. Seine Sozialisten (PSOE) gewannen – aber verfehlten die absolute Mehrheit. Ein Partner musste her. Doch in fünf Monaten konnte Sánchez nur die Unterstützung eines einzigen Abgeordneten einer kleinen Regionalpartei erreichen. Mit der linksalternativen Unidas Podemos (UP) kam es zu keiner Einigung.

Statt nach der Sommerpause mehr anzubieten, weigerte sich Sánchez, nachzugeben. Als "vorgetäuschte Linke", die nur ein Ziel habe, nämlich die "Sozialisten nicht regieren zu lassen", beschimpft Sánchez die UP seither.

Und rechts seiner PSOE ortet Sánchez eine "Mauer der Blockade". Sie bestehe aus dem konservativen Partido Popular (PP), den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) und der rechtsextremen Vox.

Vier Wahlen in vier Jahren

Das Kalkül des Sozialisten war offensichtlich. "Die PSOE würde im Falle von Wahlwiederholung mit knapp 40 Prozent haushoch gewinnen", titelten im September, kurz vor dem endgültigen Abbruch der Gespräche zwischen PSOE und UP, alle Zeitungen des Landes. Mittlerweile aber sieht es anders aus: Am Sonntag werden die Spanierinnen und Spanier zum vierten Mal in nur vier Jahren an die Urnen gehen, viele sind wahlmüde. Der Wahlfrust ist aufseiten der Linken besonders stark.

Die Hoffnung auf eine "fortschrittlichen Regierung", für die sowohl Sozialisten als auch Linksalternative geworben hatten, war groß. Zudem verdüstert sich die Stimmung: Während Sánchez' geschaftsführende Regierung kaum Handlungsspielraum hat, geht das Wirtschaftswachstum zurück. Die Arbeitslosigkeit ist erstmals seit sieben Jahren wieder die Hauptsorge der spanischen Bevölkerung, wie Umfragen belegen.

"Die Wähler haben ihre Arbeit gemacht, die Politiker nicht", beschwert sich Iñigo Errejón angesichts der gescheiterten Regierungsverhandlungen. Die einstige Nummer zwei bei UP, der jetzt mit seiner eigenen Liste, Más País (Mehr Land), den Frust auf der Linken kanalisieren will, beschuldigt PSOE und UP, den drei Rechtsparteien eine neue Chance geschenkt zu haben.

Rechte Wahlbeteiligung stabil

Am Sonntag könnte es tatsächlich eng werden. Die Anträge auf Briefwahl sind gegenüber April um 30 Prozent zurückgegangen. Die Erfahrung zeigt: Die Wahlbeteiligung der Rechten ist von jeher sehr stabil, Linke wählen je nach Stimmung schon oder eben nicht.

Die PSOE liegt in den Umfragen unter dem Ergebnis vom April. Auch UP muss mit Verlusten rechnen. Más País wird dies nur teilweise auffangen können. Auf der rechten Seite macht die PP Terrain gut. Und: Die Umfragen sehen die rechtsextreme Vox als drittstärkste Partei. Sollte es zu einer rechten Mehrheit kommen, werden sie mit ihrer ausländer-, frauen- und minderheitenfeindlichen Politik eine wichtige Rolle spielen. (Reiner Wandler aus Madrid, 9.11.2019)