Morales hat am Sonntag in einer Fernsehansprache seinen Rücktritt angekündigt – nachdem ihn die Spitzen von Armee und Polizei zu diesem Schritt aufgefordert hatten.

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La Paz – Nach anhaltenden Massenprotesten ist Boliviens Staatspräsident Evo Morales am Sonntag zurückgetreten. Am Nachmittag hatte Morales noch auf Neuwahlen gesetzt: "Ich habe beschlossen, neue nationale Wahlen auszurufen, damit das bolivianische Volk seine neue Regierung auf demokratischen Weise wählen kann, unter Einbeziehung neuer politischer Akteure". Das reichte allerdings nicht – am Sonntagabend gab er dann im Fernsehen seinen Rücktritt bekannt: "Ich verzichte auf mein Präsidentenamt".

Kurz davor hatten Armee- und Polizeiführung ihn zum Rücktritt aufgefordert. Berichte über eine Flucht des umstrittenen Staatschefs nach Argentinien wurden zunächst nicht bestätigt. Aber Mexiko hat dem linksgerichteten Politiker Asyl angeboten. Zuvor hätten 20 Regierungsvertreter und Abgeordnete Zuflucht in der mexikanischen Botschaft in Boliviens Hauptstadt La Paz gesucht, schrieb Außenminister Marcelo Ebrard am Sonntag (Ortszeit) auf Twitter. "In Übereinstimmung mit seiner "Tradition des Asyls und der Nichteinmischung" habe Mexiko die Politiker aufgenommen und biete auch Morales Asyl an.

Dienstältester Präsident Südamerikas

Morales beugte sich mit seinem Schritt wochenlangen Protesten gegen die Präsidentenwahl vom 20. Oktober, bei der es nach Ansicht der Opposition zu Manipulationen zugunsten des Amtsinhabers gekommen sein soll.

Auch internationale Beobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellten das Ergebnis der Wahl in Frage, wie CNN und BBC am Sonntag berichteten. Die Organisation forderte, dass die Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober für ungültig erklärt werden solle.

Der seit 2006 amtierende Morales war der dienstälteste Präsident des Kontinents. Bereits seit 2006 leitet der frühere Koka-Bauer die Geschicke Boliviens. Er sprach zuletzt von einem Putschversuch gewalttätiger Gruppen. Auch einige von Morales' Verbündeten in Lateinamerika bezeichneten die Wende der Ereignisse ebenfalls als "Putsch", darunter der venezolanische Präsident Nicolas Maduro und der designierte argentinische Präsident Alberto Fernandez.

Polizei vs. Morales

Berichten zufolge rebellierten in mehreren Regionen des Landes auch Polizisten gegen ihn. Der Oppositionsführer Luis Fernando Camacho dankte der Polizei auf Twitter dafür, dass sie auf der Seite des Volkes stehe.

Morales hat hingegen auf dem Kurznachrichtendienst erklärt, dass die Polizei einen "illegalen" Haftbefehl gegen ihn habe und dass "gewalttätige Gruppen" sein Haus angegriffen hätten. Der Chef der bolivianischen Polizei äußerte dagegen in einem Fernsehinterview, es gebe keinen Haftbefehl gegen Morales.

Wachstum

Die Unruhen haben auch wirtschaftliche Gründe. Zwar floriert Bolivien unter dem linken Präsidenten, die Förderung von Gas und Lithium bescherte dem Armenhaus Südamerikas zeitweise Wachstumsraten von mehr als sechs Prozent. Doch das zunehmend autoritäre Gehabe des indigenen Staatschefs stößt immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen.

Bei den Protesten kamen bisher drei Menschen ums Leben, rund 200 weitere wurden verletzt. Morales' Kandidatur für eine vierte Amtszeit war heftig umstritten. Boliviens Verfassung hätte eine weitere Kandidatur des seit 2006 amtierenden Präsidenten eigentlich nicht zugelassen, das Verfassungsgericht gestand Morales 2017 dennoch das Recht auf eine weitere Amtszeit zu. (red, Reuters, APA, 10.11.2019)