In Salzburg mangelt es an kreativen Ideen, wie man des Verkehrsproblems Herr werden könnte, so der frühere SN-Redakteur Viktor Hermann im Gastkommentar.

Die feierliche Eröffnung der Salzburger Festspiele im heurigen Sommer setzte einen bemerkenswerten Akzent. Festspielredner Peter Sellars begeisterte mit seinem leidenschaftlichen Appell zum Klimaschutz nicht nur die Gäste im Festspielhaus. Die Medien ringsum feierten ihn als einen, der sich nicht scheute, unbequeme Wahrheiten auch dort anzusprechen, wo es zuvorderst um Kunstgenuss geht. Er hat sich in seiner Rede auf die Seite jener ungestümen und besorgten Jugend gestellt, die Angst hat vor den Folgen des Klimawandels und deshalb völlig zu Recht von der Politik entschiedenes Handeln fordert.

Freilich war vieles nach dem Festakt so wie sonst auch immer: Die illustersten unter den Gästen traten vors Festspielhaus und setzten sich in jene Limousinen, die dort nur zur Festspielzeit während Veranstaltungen parken dürfen, um die Prominenz unter Hinterlassung von Abgaswolken zum nächsten Termin zu kutschieren. Das Bild illustriert recht treffend den Zwiespalt, mit dem die Stadt lebt, unter dem sie auch leidet. Salzburg ist Weltkulturerbe, ein Juwel der Natur, ein Denkmal – und es hat ein hartnäckiges Verkehrsproblem. Gerade zu Festspielzeiten staut es sich in der Stadt, Touristenbusse, autofahrende Besucher und Einheimische blockieren einander auf vielen Straßen und konkurrieren um viel zu wenige Parkplätze.

Mit einem Flashmob protestierten Fridays-for-Future-Demonstranten gegen den Ausbau der Mönchsberggarage.
APA/GABRIEL HAUMER

Ganz offensichtlich mangelt es in Salzburg an kreativen Ideen, wie man des Verkehrsproblems Herr werden könnte. Aktuellster Streitpunkt ist der Plan zur Erweiterung jener in den Mönchsberg hineingebohrten Garage, die Salzburgern wie Besuchern die Schönheit der Altstadt erschließt. Knapp 1300 Autos haben dort derzeit Platz, mit dem Ausbau sollen es um 650 mehr werden. Das Konzept dafür ist mehr als zwei Jahrzehnte alt, die konkreten Pläne datieren aus dem Jahr 2011.

Noch mehr Verkehr

Zwischen den Betreibern und der Stadtpolitik einerseits und Umwelt-, Natur- und Denkmalschützern andererseits tobt seither ein Konflikt, den ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) nur scheinbar beendet hat. Die Garagenbetreiber und der Bürgermeister Harald Preuner freuten sich, denn das BVwG war zur Ansicht gekommen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts nicht nötig sei, weshalb man bald mit dem Bau beginnen könne.

Möglicherweise ist die Freude verfrüht. Denn die Gegner des Garagenausbaus haben beim Bundesverwaltungsgerichtshof eine außerordentliche Revision (und aufschiebende Wirkung) beantragt und in ihrem Schriftsatz gleich eine ganze Reihe von Gründen angeführt, weshalb der Spruch des BVwG vom August rechtswidrig und deshalb aufzuheben sei.

Man will knapp 30 Millionen Euro ausgeben, um noch mehr Verkehr in die ohnehin schon geplagte Altstadt zu ziehen. Doch dem Projekt haftet eine ganze Reihe von Problemen an. Es beeinträchtigt den Denkmalschutz im Weltkulturerbe Salzburg im Stadtteil Nonntal. Es zerstört für mindestens zwei Jahre einen geschützten Landschaftsteil – dem Versprechen, hinterher werde alles wieder so werden, wie es vorher war, glauben nur wenige. Die Erweiterung um 650 Stellplätze produziert mehr Verkehr in der Altstadt und verschlechtert damit die Luftqualität erheblich.

Ein besonders heikler Punkt ist der Abtransport des Materials, das aus dem Berg gegraben wird. Laut der Garagengesellschaft sollen sechs Monate lang Transporte durch die Fürstenallee fahren: inklusive Leerfahrten alle dreieinhalb Minuten ein Lkw in einer von Wohnhäusern gesäumten Allee, die heute schon zu Stoßzeiten von Staus geplagt wird.

Planerische Fantasie

Abgesehen von juristischen Problemen und Problemen mit Denkmal-, Natur- und Umweltschutz weist die Argumentation der Garagenbetreiber ein paar zweifelhafte Punkte auf. Sie geben an, die Mönchsberggaragen seien zwischen September 2018 und August 2019 an 60 von 365 Tagen "voll ausgelastet" gewesen. Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass an diesen "voll ausgelasteten" Tagen mehr als 1.300 Kfzs in die Garagen eingefahren sind, das hieße, dass jeder der knapp 1.300 Stellplätze benutzt wurde. Da aber nur selten jemand länger als vier Stunden im Berg bleiben dürfte, kann es zwar zu Spitzenzeiten zu Engpässen kommen, "voll" ist die Garage aber wohl nur selten und nur vorübergehend.

Es gibt nur einen Weg in diese Garage im Berg: die dichtbewohnte Neutorstraße. Wie lange wird es wohl dauern, bis die Anrainer dort den Aufstand proben, wenn potenziell 650 Autos mehr sich zu Spitzenzeiten in ihrer Straße um die Einfahrt in den Berg stauen? Und wie lange wird die Politik diesen Protest aushalten, ehe sie "nachgibt" und die jetzt geplante "vorübergehende" Baustelleneinfahrt im Nonntal halt doch "schweren Herzens" als permanenten Weg in den Berg und aus ihm heraus genehmigt?

Bei einiger planerischer Fantasie könnte man mit den knapp 30 Millionen Euro, die die Garagenerweiterung kosten soll (gerechnet noch ohne die in Österreich übliche Baukostenüberschreitung), am Stadtrand Parkflächen für Touristen und Pendler schaffen und den öffentlichen Verkehr zur effektiven und attraktiven Alternative machen. Vorerst warten Befürworter und Gegner des Projekts auf den Spruch des Verwaltungsgerichtshofs. Wäre eine Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtend, gäbe es ja noch Zeit, noch einmal über das Gesamtprojekt nachzudenken. (Viktor Hermann, 11.11.2019)