Rund acht Millionen Dollar soll Egon Schieles Aquarell seiner Ehefrau Edith aus dem Jahr 1917 wert sein.

Foto: Klagsschrift Exhibit a

Der Spross eines Investmentbankers, ein übereifriges Auktionshaus und zwei konkurrierende Erbengemeinschaften, die ein Aquarell von Egon Schiele für sich beanspruchen, das in der NS-Zeit aus österreichischem Privatbesitz verschwand: Das sind die Zutaten zu einem seit 2016 hinter den Kunstmarktkulissen schwelenden Disput, der jetzt in den USA vor Gericht landete: Drei Klagen sind anhängig, der Ausgang ungewiss.

Wie in vielen Restitutionsfällen fehlen für die einstige Eigentümerschaft Beweise, die sämtliche Zweifel ausräumen. Je dünner die Faktenlage, desto höher die Gewichtung von Anhaltspunkten aus historischen Quellen. Bei Aquarellen oder Zeichnungen finden sich solche nur sporadisch, da sie anders als Gemälde kaum dokumentiert wurden.

Keine konkreten Beweise

Mangels konkreter Belege müssen dann Indizien zur Beurteilung herangezogen werden. Eine Wissenschaft für sich, die vom Kunstrückgabebeirat hierzulande seit 20 Jahren praktiziert wird: von einem Team aus Historikern, Kunsthistorikern und Juristen. Nun müssen sich damit amerikanische Richter befassen. Das kann Jahre dauern, wie man aus vergleichbaren Causen weiß.

Die aktuelle nahm im März 2016 ihren Anfang: Robin Lehman, ein Oscar-prämierter US-Dokumentarfilmer und Sohn des Bankiers Robert Lehman, übergab Christie's ein 1917 datiertes Aquarell, das Schieles Ehefrau Edith zeigt. Er hatte es 1964 bei der Marlborough Gallery in London erworben und nun in eine Stiftung eingebracht, zu deren Gunsten er es versteigern lassen wollte. Der Haken: Die Provenienzabteilung des Auktionshauses erkannte prompt eine problematische Vergangenheit.

Dossier Karl Mayländer

Eine wesentliche Rolle spielte dabei das vom Provenienzforscher Michael Wladika 2009 vorgelegte "Dossier Karl Mayländer" für fünf Schiele-Arbeiten im Bestand des Leopold-Museums. Darin wurde auch Lehmans Aquarell erwähnt, da es einst im Besitz von Rudolf Leopold gewesen sein soll. Im Frühjahr 2019 revidierte die Familie Leopold diese Angaben. Aber der Reihe nach. Anfang April 2016 kontaktierte Monica Dugot, Chefin des Christie's Restitution Departments, die Israelitische Kultusgemeinde in Wien (IKG) als Vertreterin der Erbin nach Mayländer. Just zu jenem Zeitpunkt, als man sich mit dem Museum einigte, dem man 2010 die Rückgabe empfohlen hatte. Karl Mayländer kam im Holocaust um. Vor seiner Deportation hatte er seine Kunstsammlung einer Freundin überlassen, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg schrittweise verkaufte. Nicht nur an Leopold, sondern auch an die Albertina, die ihrerseits 2011 fünf Schiele-Werke restituierte. Christie's ersuchte um ergänzendes Material, die IKG lieferte. Ein üblicher Geschäftsvorgang, da Auktionshäuser auch gütliche Einigungen zwischen Parteien vermitteln. Dann kann das Kunstwerk verkauft und der Erlös geteilt werden. Ein solcher Deal mag das Ziel gewesen sein, auch dann, als man eine weitere Erbengruppe kontaktierte: jene nach Heinrich Rieger, die aus Sicht von Christie's theoretisch ebenso Ansprüche haben könnten.

Belegartikel aus 1930

Schieles Zahnarzt war einer der größten Sammler seiner Arbeiten vor 1938 und fiel ebenfalls dem Holocaust zum Opfer. Vor seiner Deportation verkaufte er das eine oder andere Werk, den Großteil überließ er 1939 dem Galeristen Friedrich Welz und dem befreundeten Künstler Luigi Kasimir. Nach dem Krieg fand sich nur eine geringe Anzahl an Kunstwerken in Beständen heimischer Museen, die teils restituiert wurden, teils auch nicht, da die Beweislage zu mangelhaft war.

Den aktuellen Anspruch will man quasi über einen Artikel aus dem Jahr 1930 belegt wissen, der mit dem Aquarell illustriert war. Es war 1928 in einer vom Hagenbund und der Neuen Galerie veranstalteten Gedächtnisausstellung zum zehnten Todestag des Künstlers zu sehen.

Ob Rieger oder Mayländer als Leihgeber fungierten, geht aus dem im Belvedere verwahrten Aktenbestand nicht hervor. Eine Klärung der konkurrierenden Ansprüche steht aus. Ein Kompromiss in Form einer gütlichen Einigung aller Parteien ist nicht absehbar. Die IGK will hier keinen Präzedenzfall schaffen. Im September brachte Robin Lehmans Foundation Klage gegen die Erben nach Rieger, die IKG und die Erbin nach Mayländer ein. Die Erben nach Rieger sowie die Erbin nach Mayländer reagierten ihrerseits im Oktober mit Gegenklagen. (Olga Kronsteiner, 10.11.2019)