Werner Kogler auf dem Weg von den Gremien zur Verkündigung vor den Medien: Die Grünen wollen mit der ÖVP in Koalitionsverhandlungen eintreten, erklärte er.

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Es war der Tag des Werner Kogler, aber es ist nicht so, dass Sebastian Kurz am Wochenende untätig gewesen wäre: Am Samstag und am Sonntag absolvierte er Gespräch um Gespräch mit den Bündeobleuten und den Landesparteichefs der ÖVP, legte seine Erfahrungen aus den Sondierungsrunden mit den Grünen dar und bekam bestätigt, was er ohnehin hat: freie Hand für Koalitionsverhandlungen.

Der Grünen-Bundessprecher verkündete die einstimmige Bereitschaft der Grünen, mit der ÖVP in konkrete Regierungsverhandlungen zu gehen.
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Widersprüche gab es dem Vernehmen nach keine. Die Ansage von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, dass es ja weniger um die Stimmung zwischen den Koalitionsverhandlern als um die zu verhandelnden Inhalte gehe, ist mehr für die Öffentlichkeit bestimmt als für Parteichef Kurz, der solchen Rat wohl nicht braucht. Noch sei ja gar nicht über ein mögliches Programm für eine Koalition mit den Grünen gesprochen worden.

Ruhige ÖVP, diskussionsfreudige Grüne

Ohnehin waren erst einmal die Grünen am Zug: Die ÖVP verhielt sich am Sonntag auffallend ruhig – der potenzielle Koalitionspartner, der sich erst einmal selbst finden musste, sollte dies ungestört von türkisen Zurufen tun können.

Also lehnte man sich in der ÖVP zurück und beobachtete aus der Ferne, was sich da in der Wiener Urania abspielte: Dorthin war der Erweiterte Bundesvorstand der Grünen einberufen worden, um die Weichen für die Aufnahme von Regierungsverhandlungen oder den sofortigen Gang in die Opposition zu stellen.

Gräben zur ÖVP überwunden

"Wir haben diese Sondierungen mitverursacht, wir haben sie sehr ernst genommen", sagte Kogler am Sonntag vor Journalisten im Presseclub Concordia, wohin er um 17 Uhr übersiedelt war. Die Sondierungen hätten geholfen, die Gräben zu überwinden. Jetzt sei man sicher, in konkrete Verhandlungen eintreten zu wollen. Wie es ausgeht? "Das wissen wir nicht."

Kogler erinnerte an die Verhandlungen 2002/03: Da habe es von der ÖVP unter Wolfgang Schüssel den Versuch gegeben, "schwarz-blaue Politik mit einem grünen Mascherl" zu machen, dies hätten die Grünen nicht mitmachen können.

Einstimmiger Beschluss

Jetzt aber müsse man viel Grünes in ein Koalitionsabkommen hineinreklamieren – und dabei auch die Alternative bedenken. Denn es mache ja einen Unterschied, ob eine Mitte-rechts-Partei mit einer Rechtspartei koaliert oder ob eine Mitte-rechts-Partei mit den Grünen zusammenarbeitet.

Der Erweiterte Bundesvorstand, der dies auch zu hören bekam, ist das zweitwichtigste grüne Gremium. Damit eine Entscheidung gültig ist, braucht es eine einfache Mehrheit. Dass es schließlich Einstimmigkeit gegeben hat, ist für die Grünen eher ungewöhnlich.

Offene Türen für grüne Themen

Man habe ausführlich diskutiert, ein Prinzip, das er, Kogler, hochhalten wolle, sagte der Parteichef nach der Sitzung, die etwas länger gedauert hat als geplant.

Kogler stellte die nun angestrebten Verhandlungen in einen größeren Zusammenhang: Die "mögliche Allianz" mit der ÖVP könne einen kleinen Beitrag leisten, dass Ökologie und Ökonomie unter einen Hut gebracht werden. Die Grünen sähen Chancen auch bei der Bekämpfung von Kinderarmut, bei Informationsfreiheit und Pflegesicherung – hier sehe er offene Türen, sagte Kogler. Bei der Bekämpfung der Kinderarmut werde man auf die Bildungsfrage stoßen und vielleicht zu einer Lösung finden, bei der man sagen könne: Dieses Land ist ein Stückchen besser geworden.

Loblieb an den Kompromiss

Und das könnte im europäischen Kontext bedeuten, dass Österreichs Regierungspolitik zum Vorbild werde. Vom Klimaschutz her wisse man, dass es ein Land allein nicht schaffen könne – dass aber ein kleines Land durchaus ein Taktgeber für andere Länder sein kann.

Seinen Parteifreunden schärfte Kogler – wie auch nachher den Medien – ein, dass man Kompromisse nicht geringschätzen dürfe. Überraschende Kompromisse hätten schon manchmal Geschichte geschrieben. Der Erweiterte Bundesvorstand nickte das ab. Recht einfach fiel dem Gremium auch, den bisherigen Wahlkampfleiter Thimo Fiesel zum Generalsekretär zu wählen, seine Kür erfolgte einstimmig, wie der gebürtige Deutsche via Kurznachrichtendienst Twitter verlautbarte. Zuvor war der 36-Jährige Landesgeschäftsführer der Tiroler Grünen und organisierte vor dem Nationalratswahlkampf auch die EU-Wahl für die Ökopartei.

Und wie geht es nun weiter? Die ÖVP will sich am Montag erklären – Parteichef Kurz will die Öffentlichkeit (und davor wohl auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen) über die nächsten Schritte informieren. Dann wird wohl mit den Grünen verhandelt werden – und dies ohne Zeitdruck.

SPÖ bleibt distanzierter Zuschauer

In der SPÖ rechnete man am Wochenende nicht mehr mit einem Angebot von Sebastian Kurz, doch noch Koalitionsverhandlungen zu führen. Der ÖVP-Chef ließ Pamela Rendi-Wagner jedenfalls im Unklaren, allerdings zweifelte diese nicht daran, dass Kurz erst mit den Grünen in Koalitionsverhandlungen eintreten werde. Erst wenn diese scheitern sollten, könnte auch die SPÖ ein Gesprächsangebot ereilen.

Die SPÖ war aus den Sondierungen mit der ÖVP ausgestiegen, da man Kurz nicht in seiner Strategie, vor der steirischen Landtagswahl in zwei Wochen auf Zeit zu setzen, unterstützen wollte. Man kenne einander ohnedies persönlich recht gut, und auch inhaltlich sei klar, welche Positionen SPÖ und ÖVP vertreten, daher gebe es keinen Bedarf für längere Sondierungen. Für Koalitionsverhandlungen – mit der Bedingung, dass diese exklusiv erfolgen müssten – stehe die SPÖ aber jederzeit zur Verfügung, stellte Rendi-Wagner klar. (Marie-Theres Egyed, Conrad Seidl, Michael Völker, 10.11.2019)