Als Verkehrsminister Andreas Reichardt im August dieses Jahres den Entwurf eines Forschungsrahmengesetzes präsentierte, nannten Kritiker das eine Hülle ohne Inhalt. Aus dem lange angekündigten legistischen Rahmen für die Verteilung und exponentielle Steigerung von finanziellen Mitteln für Wissenschaft und Forschung war eine Grundsatzvereinbarung geworden, die zwar Planungssicherheit bietet, aber die alles entscheidende Frage vorerst ausklammert: Welche Gelder sind dafür tatsächlich vorgesehen, und kann man mit jährlich steigenden Mitteln rechnen?

Der Quantenphysiker Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), fasste erst kürzlich zusammen, was wohl viele Wissenschafter denken: Das Gesetz sei in der vorliegenden Form entbehrlich. Wenn es kein fixiertes, reales Budgetwachstum gibt, brauche man das Gesetz gar nicht.

Nicht zu verachtender Nebeneffekt

Wie so oft lohnt ein Blick nach Deutschland, um zu sehen, wie kontinuierliches Wachstum in Wissenschaft und Forschung gelingen könnte: Hier garantiert der Pakt für Forschung und Innovation seit fast eineinhalb Jahrzehnten ein jährlich steigendes Budget für Forschungsorganisationen – derzeit sind es drei Prozent. In Österreich hat der ehemalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP), gegenwärtig EU-Kommissar für europäische Nachbarschaftspolitik, erstmals 2009 ein Forschungsfinanzierungsgesetz gefordert.

Das Hauptgebäude der Universität Wien, Österreichs größte Hochschule.
Foto: APA/HANS PUNZ

Die kommende Bundesregierung würde mit der realen Umsetzung einen nicht zu verachtenden Nebeneffekt erzielen: Die jahrzehntelang gehörten Politikerreden von der großen Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes wären mit glaubwürdigen Zahlen untermauert.

Wie oft hat man schon gehört, Österreich habe keine herkömmlichen Rohstoffe, es seien die klugen Köpfe, die die Zukunft des Landes und den Wohlstand sichern können. Die Realität: Der für Grundlagenforschung zuständige Wissenschaftsfonds FWF gilt seit Jahren als eklatant unterfinanziert. Anträge von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen werden abgelehnt, obwohl sie von Gutachtern hervorragend bewertet werden. Grund: Die Mittel sind zu knapp.

Dem FWF geht es zwar finanziell so gut wie nie zuvor: 2018 wurden 684 Projekte mit einem Volumen von 231 Millionen Euro gefördert. Allerdings steigt die von Wissenschaftern beantragte Geldsumme noch mehr (um 8,5 Prozent auf 949 Mio. Euro), und da gleichzeitig auch die Qualität der Anträge wächst, steckt der FWF in oben beschriebener Zwickmühle: Anstatt sich über hervorragende Ideen für Forschungsarbeiten freuen zu können, muss der Fonds exzellent eingestufte Projektvorschläge im Umfang von 50 Mio. Euro ablehnen. Fonds-Präsident Klement Tockner fordert mehr Mittel und zusätzlich – mit frischem Geld – die Umsetzung einer Exzellenzinitiative, die große Forschungsprojekte im Wettbewerb vorerst mit einem zweistelligen Millionenbetrag unterstützen könnte.

Vor Ibiza-Gate verschoben

Sowohl die Exzellenzinitiative als auch das Forschungsfinanzierungsgesetz wurden von der im Mai 2019 vorzeitig beendeten ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung in Aussicht gestellt. Die Umsetzung wurde allerdings schon vor Ibiza-Gate wegen fehlender Zusagen des Finanzministeriums auf Herbst 2019 verschoben. Und von der Übergangsregierung Bierlein nur mit dem besagten Rahmen versehen.

Blick in einen Quantencomputer des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck.
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Wahrscheinlich ist die Forderung nach "mehr Mut" genau die richtige an Österreichs Wissenschafts- und Forschungspolitiker. Formuliert wurde dieses "To-Do" im vergangenen August von der Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen. Was aber heißt das genau? Mehr Mittel für die anwendungsorientierte Forschung, weil auch die dafür zuständige Agentur Forschungsförderungsgesellschaft FFG zu wenig Geld für gut bewertete Projekte hat? Ein besserer Ausbau von 5G, um heimische KMUs fit für die digitale Zukunft und für künftige Aufgaben in der Industrieforschung zu machen? Wahrscheinlich sollten diese Punkte Bestandteile einer Agenda der neuen Bundesregierung sein.

Mutig wäre wahrscheinlich, die Empfehlung des Forschungsrats umzusetzen: die Schaffung eines Zukunftsfonds für Wissenschaft, Forschung und Innovation, der für zehn Jahre 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellen sollte. ÖAW-Chef Zeilinger nannte zuletzt keine Zahlen, sondern diskutierte über den Zugang der Politik zur Forschung. Sie sollte die Themen nicht definieren können.

"Missionsorientierte Forschung"

Er verwies auf die von der EU-Kommission ausgerufene "missionsorientierte Forschung", die Bereiche vorgibt, in denen mehr Mittel für die europäische Wissenschaft liegt. Sie heißen Krebs, Klimawandel, gesunde Ozeane, klimaneutrale Städte sowie Bodengesundheit und Lebensmittel. Der ÖAW-Präsident betonte, es gehe in der von Neugier getriebenen Wissenschaft immer um Persönlichkeiten mit großen Ideen, nicht um Themen. Er hofft daher auf einen eigenen, EU-unabhängigen Weg der heimischen Politik..

Viele Experten äußern diese Hoffnung auch im Zusammenhang mit der Benennung der Ministerien: In der künftigen EU-Kommission von Ursula von der Leyen wird die Wissenschaft nur durch die Kommission Youth and Innovation vertreten sein. Der bisherige Name hieß: Forschung, Wissenschaft und Innovation. Der neue sei ein deutlicher Rückschritt gegenüber früheren Jahren, kritisieren Experten. (Peter Illetschko, 11.11.2019)