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Gesichtserkennungssoftware ist in China weiter auf dem Vormarsch.

Foto: AP/Ng Han Guan

Professor Guo Bing zeichnet seit Anfang November für den ersten Gerichtsprozess zum Thema Gesichtserkennung in China verantwortlich. Der Wissenschafter der Universität Zhejiang Sci-Tech im Osten Chinas wollte nicht hinnehmen, dass der Safaripark Hangzhou mit 17. Oktober seine Jahreskartenbesitzer plötzlich zu einem verpflichtenden Gesichtsscan aufforderte. Wer sich weigert, dem soll künftig der Zutritt zu dem Zoo verwehrt bleiben, hieß es in der Textnachricht an die Jahreskartenbesitzer. Bis dahin mussten bereits jedes Mal die Fingerabdrücke gescannt und die nationale Identitätskarte vorgewiesen werden. Alle Maßnahmen würden der Sicherheit und dem Komfort der Gäste dienen, hieß es von den Parkbetreibern.

Guo wollte daraufhin seine Jahreskarte kündigen und forderte eine volle Rückerstattung des Kaufpreises, was ihm jedoch verwehrt wurde, da er den Park bereits mehrmals im laufenden Jahr besucht hatte. Als Guo daraufhin eine Klage wegen Konsumentenschutzverstößen aufgrund des "verpflichtenden Sammelns individueller Charaktereigenschaften der Besucher" einbrachte, die Behörden die Klage akzeptierten und der Fall Aufmerksamkeit in Chinas sozialen Medien erlangte, lenkte der Zoo ein. Man bot dem Professor an, zu den bisherigen Bedingungen den Park besuchen zu können.

"Ich habe diese Klage nicht aus wirtschaftlichen Gründen eingebracht", sagte Guo einer Regionalzeitung. Er habe deutlich sein Unbehagen und seine Sorge über das Sammeln biometrischer Daten zum Ausdruck gebracht. Dabei bestünden zu viele Unsicherheiten und Sicherheitsrisiken, weshalb es hier mehr Regulierung brauche. Ein Zoosprecher beteuerte gegenüber dem Onlinemedium "Sixth Tone", dass man selbstverständlich Maßnahmen treffe, um die biometrischen Daten sicher aufzubewahren, wollte dabei aber nicht ins Detail gehen.

Schlechte Chancen für Klage

Juristen wie Mimi Zou von der Universität Oxford räumen der Klage jedoch nur geringe Chancen ein. Es gebe derzeit keine verbindlichen Gesetze, die die Argumentation des Klägers untermauern. Da der private Zoo die Gesichtserkennung zur Bedingung für den Einlass mache, müsse es laut derzeitiger Rechtslage keine optionale Zustimmung durch die Kunden geben, sagte sie der BBC. Dennoch sei in China in den vergangenen Jahren ein loses Netzwerk aus vereinzelten Datenschutzgesetzen sowie eine freiwillige nationale Richtlinie für die Verwendung privater Daten entstanden. Diese sind rechtlich noch eher zahnlos, "bilden aber eine normative Grundlage für ein rechtlich bindendes Rahmenwerk", das künftig entstehen könnte. Sogar die Finanzriesen Alipay und Wechat Pay sollen Teile des strengeren freiwilligen Datenschutzes testweise bereits umgesetzt haben.

In China ersetzt das Gesicht immer öfter die Geldbörse.

Zou sieht diese Entwicklung in Zusammenhang mit einer steigenden Unzufriedenheit der Bevölkerung über den Umgang von Privatunternehmen mit privaten Daten. Die staatliche Gesichtserkennung ist trotz aller mahnenden Stimmen aus dem Ausland aufgrund ihrer Erfolge in der Verbrechensaufklärung weiterhin sehr beliebt bei den Chinesen. Bis zu 60.000 mutmaßliche Verbrecher seien alleine dank der Gesichtserkennung bereits aufgegriffen worden, heißt es. Mehrere Privatsphäreverletzungen durch private Unternehmen in den vergangenen Monaten – etwa der Weiterverkauf biometrischer Daten durch Handy-Apps oder der einfache Hack von Schließfächern mit Fotos – sensibilisierten aber zumindest einen Teil der Bevölkerung.

Komfort versus Überwachung

"Neue Technologien bringen Komfort in das Leben der Menschen", aber man müsse stets vor Missbrauch gewarnt sein, sagte etwa ein Nutzer des chinesischen Mikrobloggingdiensts Weibo in Anlehnung an die Klage des Uni-Professors. "Schauen die Menschen noch die Tiere an, oder ist es umgekehrt?", fragte ein anderer User zynisch. Tatsächlich schwingt die staatliche Überwachung im Kern immer mit. "In diesem Bereich gibt es keine Privatsphäre", sagt Zou.

Tatsächlich haben in China in den vergangenen Jahren nicht nur private Firmen, sondern auch die öffentliche Hand die Gesichtserkennung und damit das Sammeln biometrischer Daten massiv vorangetrieben. Immer öfter ersetzt das Gesicht dabei den QR-Code am Handy, sowohl an Bahnsteigen auch als an Flughafengates – ja, sogar an Schulen. Bis Ende des Jahres sollen zudem bis zu eine halbe Milliarde Sicherheitskameras, über das ganze Land verteilt, fertig aufgestellt sein.

Einchecken per Gesichtsscan – an der Uni.

Das Urteil im Zooprozess – das noch aussteht – wird eher keine Datenschutzrevolution in China auslösen. Es könnte aber die öffentliche Debatte über das Thema befeuern, vor allem wenn auch Ausländer mit höheren Ansprüchen an Datenschutz und Privatsphäre zunehmend von Gesichtsscans betroffen sind.

Erleichtertes Bezahlen für Touristen

Vergangene Woche ermöglichten etwa Chinas Finanzriesen Alipay und Wechat Pay Touristen fortan das bargeldlose Bezahlen mit ausländischen Kreditkarten. War bis vor kurzem noch ein chinesisches Bankkonto nötig, so können die mehr als 140 Millionen Touristen, die China jedes Jahr besuchen, nun per App ihre Kredikarten um eine virtuelle chinesische Karte ergänzen, mit der das oftmals mühsame Bezahlen in China erleichtert werden sollte. Das Bezahlen per Gesichtserkennung, das sich in China bereits großer Beliebtheit erfreut, dürfte wohl bald auch schon für China-Besucher möglich sein. (Fabian Sommavilla, 12.11.2019)