An der privaten Hochschule Central European University (CEU) gab es bereits 16.000 Absolventen. Der vorläufige Campus in Wien eröffnete in Wien-Favoriten.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Von den Koalitionsverhandlungen überschattet, spielt sich in dieser Woche ein symbolträchtiger Vorgang in Wien ab. Am Freitag nimmt eine der hundert besten Universitäten der Welt, die sagenhafte und vom Orbán-Regime durch juristischen und politischen Druck aus Budapest vertriebene Central European University (CEU), ihren Lehrbetrieb in einem vorläufigen Campus in Wien-Favoriten offiziell auf. Diese in vieler Hinsicht einzigartige private Hochschule, von dem Investor George Soros 1992 gegründet, haben bisher 16.000 Studenten aus 107 Staaten absolviert. Die schrittweise Übersiedlung dieser berühmten Universität, mit Professoren aus 40 Ländern, dürfte sich als Segen für den internationalen Ruf Wiens erweisen.

Es ist deshalb verständlich, dass Bürgermeister Michael Ludwig bereits am Donnerstag dem 89-jährigen Überlebenden des Holocausts, einem der bedeutendsten Philanthropen weltweit, das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Stadt Wien überreicht. Auch Sebastian Kurz hat im April 2018 Soros im Bundeskanzleramt empfangen und erklärt, die CEU sei in Österreich willkommen. Nur die FPÖ-Spitze hatte damals, übrigens unter Berufung auf "stichhaltige Gerüchte" durch ihren nach dem Ibiza-Video in der Versenkung verschwundenen Klubobmann, die von Viktor Orbán gesteuerte Kampagne gegen Soros als "Finanzier und Organisator der Massenmigration nach Europa" lautstark unterstützt.

"Dämon der Flüchtlingskrise"

Warum und wie wurde Soros, der US-Milliardär, der seit 1984 32 Milliarden Dollar aus seinem privaten Vermögen für die weltweit tätigen 20 Open-Society-Stiftungen gestiftet hat, zu einer Art "Dämon der Flüchtlingskrise" und zum Staatsfeind Nummer eins für Orbán, aber auch zu einer gefährlichen Figur in den Augen von Putin und Trump, Netanjahu und Salvini? Die Stiftungen und auch die Menschenrechtsgruppen, die Soros unterstützt, setzen sich für Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit, für Transparenz und Gleichberechtigung der Minderheiten ein. In Wien wird zum Beispiel das international angesehene, 1982 gegründete Institut für die Wissenschaften vom Menschen von der Soros-Stiftung mitfinanziert.

Der Rektor der CEU, der kanadische Zeithistoriker Michael Ignatieff, stellte einmal fest: "Niemand hat so viel für Ungarn getan wie Soros, und niemand wurde so zu Unrecht geschmäht." Eine besonders reizvolle Note am Rande ist, dass in der Hilfe für Ungarn in der Höhe von 400 Millionen Dollar (zusätzlich zu der enorm kostspieligen Finanzierung der CEU) auch die Stipendien in den 1980er- und 1990er-Jahren für zahlreiche Fidesz-Würdenträger, von Orbán bis zu Regierungssprecher Zoltán Kovács, inbegriffen sind.

Die Open-Society-Stiftungen, die von Soros mitfinanzierten NGOs, die unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft und die CEU werden von Orbán (wie von anderen autoritären Führungsfiguren) als potenziell gefährliche Störfaktoren betrachtet. Die sind in der Tat Leuchttürme der liberalen Demokratie. In diesem Sinne bekundet das politische Österreich mit dem Willkommensgruß für die Central European University seine Treue zu jenen Werten, die auch Soros mit seinem humanistischen und aufklärerischen Engagement lebenslang vertreten hat. (Paul Lendvai, 12.11.2019)