Plattenbauten bestimmen das Bild der Roma-Siedlung. Der Alltag der Bewohner ist von Diskriminierung geprägt.

Foto: Stefanie Ruep

Bei der Arbeitssuche werden sie diskriminiert, der Eintritt ins Schwimmbad oder in ein Restaurant wird ihnen verwehrt, Vorurteile sind an der Tagesordnung: So gestaltet sich der Alltag vieler Roma in Bulgarien. Stolipinowo ist eines der größten Roma-Viertel auf dem Balkan. Rund 55.000 Roma leben auf einer Fläche von zwei mal drei Quadratkilometern in dem Stadtteil der bulgarischen Kulturhauptstadt Plowdiw. Die Salzburger Plattform für Menschenrechte ist seit fünf Jahren Projektpartner der dort ansässigen selbstorganisierten Roma-Stiftung Stolipinowo und hat eine Sozialraumstudie über das Viertel in Auftrag gegeben.

"Stolipinowo ist ein hartes Pflaster", sagt Anton Karagjosow, der die Roma-Stiftung leitet. Das Bildungsniveau sei schlecht, die Arbeitslosigkeit groß. Das treibe viele Menschen dazu, ins Ausland zu gehen – nach Deutschland, Frankreich, Belgien oder Spanien. 30 Prozent der Bevölkerung von Stolipinowo leben außerhalb des Viertels. Es sei die einzige Möglichkeit, der Arbeitslosigkeit zu entkommen, sagt Karagjosow. 2019 sei es zu einer neuerlichen Massenauswanderung gekommen. Schulen, die vor den Sommerferien noch 1.200 Schüler hatten, haben nun nur noch 1.000.

Keine Mittel dagegen vorzugehen

Die Studie beleuchtet die Gründe für Ausgrenzung und Diskriminierung. "Viele Firmen akzeptieren keine Roma, weil sie dunkelhäutig sind. Jugendliche aus Stolipinowo werden nicht ins Schwimmbad gelassen. Roma werden häufig vor Restaurants, Cafés und Bars abgewiesen", schildert Karagjosow. "Für die meisten ist Diskriminierung eine Alltagserfahrung", sagt Studienautor Andreas Kunz. Die Menschen hätten auch keine Mittel, dagegen vorzugehen. Es gebe keine Strukturen oder NGOs, die sich dafür einsetzen.

Zwischen der Mehrheitsbevölkerung und den Roma in Bulgarien herrsche ein Kommunikationsproblem, erklärt der Autor. Viele Menschen waren selbst noch nie in Stolipinowo oder hätten keine persönlichen Erfahrungen mit Roma. "Aber die Vorurteile kommen wie aus der Pistole geschossen", sagt Kunz. Etwa jenes, dass der Strom für das Viertel von der Bevölkerung mitbezahlt werde. "Das stimmt nicht", betont Kunz. Stolipinowos Einwohner lägen bei der Begleichung ihrer Rechnungen laut dem Stromanbieter sogar an erster Stelle.

Nicht viel Kultur für Roma

In der Bewerbung für die Kulturhauptstadt hat Plowdiw viele kulturelle Aktivitäten und auch Infrastrukturprojekte mit den Roma in Stolipinowo angekündigt. Ziel war es, die Ghettosituation mit Projekten aufzulösen. Diese waren zum Teil ausschlaggebend dafür, dass die 343.000-Einwohner-Stadt zur Kulturhauptstadt 2019 gekürt wurde.

Übriggeblieben ist davon jedoch wenig. "Strukturell wurde nichts geändert", sagt Kunz. Roma-NGOs waren in die Planung nicht eingebunden, obwohl sie im Bewerbungspapier als Partner aufgelistet wurden. Bei einem Gesamtbudget von 32 Millionen Euro waren schlussendlich nur 200.000 Euro für Aktivitäten in Stoliponowo vorgesehen – für ein paar kleine Projekte mit Kindern und Jugendlichen. (Stefanie Ruep, 12.11.2019)