Bei einer Volksabstimmung vom Sonntag sprach sich die Mehrheit gegen eine Erweiterung eines Werks des Fruchtsaftherstellers Rauch aus.

Foto: Rauch

Eine türkis-grüne Regierung mag zwar am Sonntag und Montag nähergerückt sein, doch der Umweltschutz bleibt ein großer Stolperstein. Umso mehr, je konkreter man sich einzelne Punkte ansieht. Wie wollen die Verhandler beispielsweise Kompromisse bei der Genehmigung von Industrie-, Energie- und Infrastrukturprojekten finden? Die Gegensätze könnten nicht größer sein.

Was die Sache erschwert: Bei derartigen Fragen kann sich die ÖVP nicht hinter einem grünen Mäntelchen verstecken, das sich die Partei neuerdings umhängt, nachdem der Ökologie in der Amtszeit von Sebastian Kurz eine kaum wahrnehmbare Bedeutung zugekommen war.

Wie brisant das Thema ist, zeigt die Volksabstimmung vom Sonntag über die Erweiterung eines bestehenden Werks des Fruchtsaftherstellers Rauch in Ludesch. Die Vorarlberger lehnten die von der Red-Bull-Abfüllung getriebene Expansion ab, die Gemeinde wird daher die geplante Umwidmung von Grünland stoppen.

Wenig Proteste gegen Fachmarktzentren

Wertvoller Ackerboden und saftige Wiesen sind zwar ein hohes Gut, doch die Kehrseite der Medaille sollte nicht gänzlich von der neuen Naturverbundenheit überdeckt werden. Wenn Betriebe nicht in Österreich erweitern können, werden sie es woanders tun. Das heißt freilich auch: weniger Jobs und mehr Verkehr. Denn je arbeitsteiliger die Herstellung wird, desto mehr müssen Teile der Wertschöpfungskette hin- und hertransportiert werden.

Doch damit nicht genug: Der Glaube, Forschung und andere hochwertige Arbeitsplätze ohne Produktion in Österreich halten zu können, ist irrig. Wer die Industrie nicht im Land haben will, der soll bitte auch den Anstieg der Arbeitslosigkeit und den Verlust an Wohlstand erklären. Das jetzige Einkommensniveau der Republik wird jedenfalls nicht zu halten sein, wenn sich das Land in einen idyllischen Alpenpark verwandelt.

Dennoch haben die Ludescher ein wichtiges Signal gesendet. Jenes, dass es bei größeren Vorhaben einer viel besseren Planung und Einbindung der Bevölkerung bedarf. Wenn diese Botschaften ignoriert werden, wird uns künftig jedes noch so wichtige Projekt um die Ohren fliegen. Das wird umso mehr der Fall sein, als viele Pläne der ÖVP auf ein Durchpeitschen von Projekten und eine Reduktion der Beschwerderechte abzielen.

Was ist also zu tun? Die Raumplanung darf nicht zulassen, dass hier Bauland brachliegt und da Grünland umgewidmet werden soll. Dichte und Höhe der Bebauung müssen stärker in die Überlegungen einfließen, um Bodenversiegelung zu reduzieren. Während der Aufschrei wegen eines geplanten Werks groß ist, hört man wenig von Protesten gegen Fachmarktzentren oder Supermärkte am Rand der Gemeinden, mit denen Ortskerne ausgedünnt, Verkehr gesteigert und Grünflächen zubetoniert werden. Es ist halt schon recht bequem, am Samstag mit dem Auto in die nächste Shoppingmall zu rauschen, um am Tag darauf die Umweltsünden der Industrie anzuprangern. (Andreas Schnauder, 11.11.2019)