Die Grünen wissen, was sie an Werner Kogler haben, sagt Sebastian Kurz, daher vertraut er auf eine gewisse Stabilität.

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Kurz: "Wenn es jemandem Freude macht, kann er mich ja durchaus als Feindbild bewahren. Da habe ich kein Problem damit."

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Der ÖVP-Chef will mit den Grünen aufrichtig, ehrlich und exklusiv verhandeln, da könnten die Freiheitlichen derzeit auch nicht querschießen.

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STANDARD: Welche Themen werden die größten Herausforderungen bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sein?

Kurz: Wir haben über die Inhalte Vertraulichkeit vereinbart, insofern werde ich den Vertretern der Grünen jetzt nichts über die Medien ausrichten. Aber wir werden uns, so wie das bei Regierungsverhandlungen üblich ist, allen Themen widmen. Ein gemeinsames Regierungsprogramm müsste ein allumfassendes ein.

STANDARD: Es war schon die Rede von einem kreativen Koalitionspakt. Könnte das bedeuten, dass man einzelne Themenbereiche ausnimmt, oder muss alles durchgeregelt werden?

Kurz: Das werden wir uns anschauen, jetzt gilt es erst einmal festzustellen, in welchen Bereichen es möglich ist, dass wir uns inhaltlich finden.

STANDARD: Die Grünen sind für Umweltschutz gewählt worden, haben Sie erklärt, die ÖVP für Standortpolitik, für Steuern und das Migrationsthema. Heißt das, dass die ÖVP bereit ist, den Grünen beim Umweltschutz weit entgegenzukommen, in anderen Themenbereichen aber nicht?

Kurz: Wenn man eine Koalition eingehen möchte, dann muss man sich wechselseitig aufeinander zubewegen. Da gilt es zunächst einmal zu respektieren, was die stärksten Themen der jeweiligen Partei sind und wo die stärksten Erwartungen der jeweiligen Wählerinnen und Wähler liegen. Die Grünen haben sehr klare Positionen im Klima- und Umweltschutz, dafür sind sie gewählt worden. Wir haben sehr klare Positionen in der Migrations-, Sicherheits-, aber auch der Standort- und Steuerpolitik. Das ist ein objektiver Blick auf die Realität, daran kann man sich orientieren.

STANDARD: Ist das Bewusstsein für diese Realität bei den Grünen auch so verankert?

Kurz: Ich habe eine sehr gute Gesprächsbasis mit Werner Kogler und schon das Gefühl, dass er auch ein Bewusstsein dafür hat, dass Koalitionsverhandlungen nur dann funktionieren können, wenn man sich aufeinander zubewegt und wenn man respektiert, dass jede Partei und jeder Politiker auch Themenbereiche hat, die einem besonders wichtig sind und wo es eine klare Erwartungshaltung der Wähler gibt.

STANDARD: Eine Mitte-links-Regierung von ÖVP und Grünen können wir uns also nicht erwarten?

Kurz: Nein.

STANDARD: Klimaschutz ist auch eine Querschnittsmaterie, da braucht es Kompetenzen, Durchgriffsrechte und budgetäre Mittel. Ist es da nicht notwendig, die Ressortaufteilung völlig neu zu denken, um Klimaschutz effizient durchsetzen zu können? Das betrifft auch den Verkehr, die Infrastruktur, die Landwirtschaft und andere Bereiche.

Kurz: Das wird ein Teil der Verhandlungen sein, aber zunächst geht es erst einmal um inhaltliche Fragestellungen. Die Frage der Ressortverteilungen ist aus meiner Sicht sekundär.

STANDARD: Die Medien sehen das nicht so, wir haben alle schon viel spekuliert, wer was bekommen könnte.

Kurz: Ich habe das mitverfolgt und finde das durchaus interessant zu lesen. Mir kommt das allerdings wie ein Ratespiel vor, das wenig mit der Realität zu tun hat.

STANDARD: Das können wir jetzt noch gar nicht wissen. Vielleicht haben wir die Ressortaufteilungen und Besetzungen gut getroffen.

Kurz: Mein Vorteil ist, dass ich es sehr wohl weiß und daher manchmal etwas schmunzeln muss. Glauben Sie mir: Ich kann das ganz gut beurteilen.

STANDARD: Wie haben Sie Werner Kogler in den Sondierungsgesprächen erlebt? Hat er die Grünen hinter sich?

Kurz: Ich habe eine sehr gute Gesprächsbasis, halte ihn politisch für sehr erfahren, sehr klar in seinen Vorstellungen. Ich habe ihn sehr positiv erlebt. Ich glaube, die Grünen wissen, was sie an ihm haben. Insofern ist er auch ein starker Parteichef für die Grünen.

STANDARD: Für die Wiener Grünen könnte das eine schwierige Situation werden, wenn ihre Partei auf Bundesebene eine Koalition mit der ÖVP eingeht. Sie waren immer auch ein Feindbild für das linke Lager. Die Wiener Grünen stehen ja etwas weiter links als die Grünen in den westlichen Bundesländern. Das könnte im Wiener Wahlkampf kompliziert werden.

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DER STANDARD

Kurz: Wenn es jemandem Freude macht, kann er mich ja durchaus als Feindbild bewahren. Da habe ich kein Problem damit.

STANDARD: Haben Sie Angst vor Querschüssen, die bei den Grünen innerparteilich kommen könnten?

Kurz: Mein Gesprächspartner ist Werner Kogler, und da stimmt die Gesprächsbasis definitiv.

STANDARD: Es ist auffällig, dass Sie immer wieder bedauern, dass die Freiheitlichen nicht mehr als Koalitionspartner zur Verfügung stehen. Wenn sich die FPÖ jetzt durchringen würde, doch wieder für eine Koalition zur Verfügung zu stehen, würde das an der jetzigen Situation etwas ändern?

Kurz: Die Situation in der freiheitlichen Partei ist so, wie sie ist. Die FPÖ hat sich für den Gang in die Opposition entschieden. Ich habe mit Norbert Hofer gut zusammengearbeitet. Wenn es hier jetzt zu einem Meinungsumschwung käme, dann ändert das ad hoc nichts an der Situation, weil wir die Regierungsverhandlungen ehrlich und aufrichtig und auch exklusiv mit den Grünen führen. Darüber hinaus müsste ja erst einmal geprüft werden, wie ernst das gemeint ist. Denn die Statements der FPÖ in den letzten Wochen waren doch sehr eindeutig.

STANDARD: Haben sich die Freiheitlichen nicht schon selbst endgültig disqualifiziert, auch durch die Vorgänge der letzten Wochen?

Kurz: Ich habe vor der Wahl gesagt, dass jede demokratisch gewählte Partei für uns ein potenzieller Partner ist. Ich wüsste nicht, warum ich diese Meinung nach der Wahl ändern sollte.

STANDARD: Sie haben doch viel erlebt mit der FPÖ und selbst darauf hingewiesen, als sie Neuwahlen ausgerufen haben. Da war doch schon eine Schmerzgrenze erreicht, oder?

Kurz: Ja. Und dennoch habe ich vor der Wahl gesagt, dass jede demokratisch gewählte Partei ein potenzieller Partner ist. Ich sehe keinen Grund, diese Meinung zu ändern. Es gibt ohnedies zu viele Politiker, die ihre Meinung ständig ändern. Aber diese Frage stellt sich derzeit ohnedies nicht, weil sich die Freiheitlichen selbst aus dem Rennen genommen haben und wir mit den Grünen verhandeln.

STANDARD: Wie viel Zeit geben Sie sich für diese Koalitionsverhandlungen?

Kurz: Ich werde natürlich versuchen, aufs Tempo zu drücken, da sich die Österreicher schon bald eine stabile und handlungsfähige Regierung wünschen. Aber neben dem Tempo ist auch die Qualität wichtig, und beides werden wir zustande bringen müssen.

STANDARD: Trauen Sie sich eine Prognose zu? Vor oder nach Weihnachten?

Kurz: Darauf möchte ich mich jetzt nicht einlassen. Letztes Mal waren wir sehr zügig unterwegs und haben für die Verhandlungen zwei Monate gebraucht. Jetzt ist schon Mitte November, ein Abschluss vor Weihnachten wäre also sehr ambitioniert. (Michael Völker, 11.11.2019)