Bad-Ischl-Impression: Die Trinkhalle.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Bad-Ischl-Impression: Trinkhalle und Tourismus.

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Bad-Ischl-Impression: Das Kaiserpaar wandelt noch durch die Stadt.

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Bad-Ischl-Impression: Die Esplanade.

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Bad Ischl, "Dornbirn plus" oder St. Pölten? Welche dieser österreichischen Städte 2024 Europäische Kulturhauptstadt wird, wurde am Dienstag bekanntgegeben. Durchgesetzt hat sich Bad Ischl.

Im Jänner traf man sich für die Vorauswahl, überraschenderweise wurden damals alle Kandidaten eine Runde weitergeschickt. Die Entscheidung fiel nun, nachdem die Städte besucht und deren Vorschläge nach sechs Kriterien wie langfristige kulturelle Strategie, Qualität des künstlerischen Programms und europäische Dimension diskutiert worden waren, so Juryvorsitzende Cristina Farinha.

"Gemeinsames kulturelles Fundament"

Kulturminister Alexander Schallenberg verwies bei dem Pressetermin auf Graz 2003 und Linz 2009. Die europäische Jury habe die Bewerberstädte "auf Herz und Nieren" überprüft, und sie sei eine wertvolle Idee, um "das gemeinsame kulturelle Fundament auf diesem Kontinent erlebbar" zu machen: Das regionale Element in der europäischen Integration werde dadurch stark nach vorne gestellt. 2016 habe der langjährige Auswahlprozess begonnen, 17 Bewerberstädte habe es damals im Bundeskanzleramt gegeben. Eine unabhängige zwölfköpfige europäische Jury hat jetzt über den Sieger entschieden.

Die Verkündung am Dienstag im Bundeskanzleramt
DER STANDARD/APA

Martin Selmayr, gerade erst Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich geworden, betonte, die Kultur sei, "was Europa im Innersten zusammenhält". Kultur habe auch viel mit Investition zu tun. Bis zum 50-Fachen hätten sich Investitionen in Kulturhauptstädte bisher gelohnt. Tartu in Estland und Bodø in Norwegen werden ebenso Kulturhaupstädte 2024 sein, erinnerte Selmayr.

Bad Ischler Salz

Bad Ischl hatte sich mit dem Motto "Salz und Wasser" beworben. "Wir wollen europäisches Role-Model dafür werden, den Tourismus mit Kultur auszubalancieren. Der Kulturtourist ist eine Gegenthese zum asiatischen Reisenden, der manchmal überhaupt nur für ein Foto bleibt", sagt der siegreiche Projektleiter Stefan Heinisch im Gespräch. Bad Ischl und das Salzkammergut hatte die Frage des Übertourismus in seiner Bewerbung aktiv angesprochen und die Jury auch nach Hallstatt gebracht. "Es war ein Risiko. Wir haben gewusst, dass das eine Gratwanderung ist. Aber wir wissen, dass solche Probleme auch in Matera (die kleine süditalienische Stadt ist 2019 Europäische Kulturhauptstadt, Anm.) und an immer mehr anderen Orten bestehen. Es entsteht gerade so etwas wie eine transnationale europäische Bürgerbewegung, die darauf aufmerksam macht und Auswege sucht."

Bad Ischl wird Kulturhauptstadt 2024.
ORF

Die Ischler Kulturhauptstadt-Strategie verfolge bewusst "einen anderen Ansatz statt nur die Bus-Slots zu verteuern". Man gehe bewusst auch in ruhigeren Regionen des Salzkammerguts, etwa ins Almtal. Die "Eigensinnigkeit und Sturheit der SalzkammergutlerInnen" habe den anfänglichen Gegenwind überwunden und die "Kulturhauptstadtfamilie" zusammengeschweißt. Neben dem oberösterreichischen Teil des Salzkammerguts hätte vor allem das steirische Ausseerland viel Initiative bewiesen. Die Schwerpunkte der Bewerbung, ein bewusster Umgang mit Zeitgeschichte, die Betonung des zeitgenössischen und des tourismuskritischen Blicks hätte etwa die Wolfgangsee-Gemeinden dazu bewogen, sich nicht an der Kulturhauptstadt-Bewerbung zu beteiligen, auch der Attersee habe bisher kritische Distanz gehalten, obwohl sie bei der gemeinsamen Kulturstrategie mit dabei seien. "Grundsätzlich haben wir weiter eine Drei-Bundesländer-Sache gemeinsam mit Salzburg im Hinterkopf. Die Tür wird nicht zugehen. Es wäre schön, wenn wir sie dazukriegen." Hinter dem Konzept der inneralpinen Region für die Kulturhauptstadt stehen rund 20 Gemeinden in Oberösterreich und der Steiermark.

Kaisererinnerungen

Mit Salzkammergut 2024 bewarb sich erstmals eine inneralpine Region um den Titel der Kulturhauptstadt. Die Bannerstadt ist Bad Ischl, heutiger Kurort und einstige Sommerresidenz von Kaiser Franz Joseph und Sisi. Zu Kaisers Zeiten kamen auch Künstler wie Franz Grillparzer, Johann Nestroy und Franz Lehár zur Sommerfische und hinterließen ihre Spuren. So huldigt das Lehár-Festival jedes Jahr der Operette, und bei einem Rundgang durch das 14.000-Einwohner-Städtchen stößt man allerorts auf Denkmäler der Ischler Blütezeit von 1849 bis 1914. Die Sisi- und Kaiserromantik lockt Jahr für Jahr die Gäste an.

Bürgermeister Hannes Heide (SPÖ) will dieses Stadtbild nun erweitern und lässt daher ein Kulturleitbild des 21. Jahrhunderts entwickeln. Daher war er einer der Ersten, die sich für eine Bewerbung der Stadt samt Region aussprachen. Auch wenn der Tourismus floriert, befindet sich die traditionell rote Arbeiterstadt im Bezirk Gmunden in einer nicht unproblematischen Region: Abwanderung sowie fehlende Arbeitsplätze und Bildungsangebote sind die zentralen Herausforderungen des Salzkammerguts. Das wird auch im Bewerbungskonzept für die Kulturhauptstadt thematisiert.

Weiteres prägendes Element von Bad Ischl und der Region ist das namengebende Salz und dessen Abbau in den Bergwerken. Heute liefert die Salinen AG, Österreichs einziger Salzhersteller mit Sitz im benachbarten Ebensee, pro Jahr rund 1,1 Millionen Tonnen Salz aus. Die Sole kommt aus dem Bergbau in Altaussee, Hallstatt und Bad Ischl. Bekanntestes Produkt ist das Bad Ischler Speisesalz.

Titel seit 1985 verliehen

Ziel der Initiative ist es laut EU-Kommission unter anderem, den "Reichtum und die Vielfalt der Kulturen Europas hervorzuheben", den Tourismus zu fördern und das Image der Städte international, aber auch bei den Bewohnern selbst zu verbessern. Außerdem soll das Gefühl der Europäer gestärkt werden, einem gemeinsamen Kulturkreis anzugehören.

In der Vergangenheit wurden die Kulturhauptstadt-Programme nicht nur für neue Kulturinitiativen, sondern auch für Stadterneuerungsprojekte genutzt. Für jede Kulturhauptstadt sind 1,5 Millionen Euro vorgesehen, die im Rahmen des Melina-Mercouri-Preises an die ausgewählten Städte vergeben werden können. Die damalige griechische Kulturministerin Mercouri war Initiatorin des 1985 ins Leben gerufenen Programms. Der Hauptteil des Budgets wird aber meist von den Gemeinden und Ländern getragen.

Erste Kulturhauptstadt war Athen. Die Reihenfolge wird nach Ländern festgelegt. Der Bewerbungsprozess beginnt in der Regel sechs Jahre vor dem betreffenden Jahr. Die endgültige Auswahl unter den jeweils nationalen Bewerberstädten erfolgt durch eine internationale Jury. Der Titel wurde bisher mehr als 60 europäischen Städten verliehen, da seit 2004 jeweils zwei Städte gemeinsam den Titel tragen. Ab 2021 wird in Dreijahresabständen zudem eine dritte Stadt aus einem Kandidatenland oder potenziellen Kandidatenland den Kulturhauptstadt-Titel tragen.

Jury erklärt sich

Eine offizielle, schriftliche Jurybegründung für die Wahl wird es erst in rund drei Wochen geben. Juryvorsitzende Cristina Farinha hob nach der Bekanntgabe jedoch vor allem die Auseinandersetzung mit den Problemen des Übertourismus und die Entwicklung von positiven Gegenstrategien hervor. "Es geht anhand des Themas Salz um Fragen der Post-Industralisierung, es geht um Tourismus und Hypertourismus und darum, wie man mit Tradition, Kultur und alternativer Kultur umgeht. Diese Fragen sind die gleichen, die sich vielen Städten in Europa stellen."

Die Jury konnte sich bei ihrem Lokalaugenschein auch von der schwierigen Situation in Hallstatt überzeugen. "Was für eine Art von Tourismus will man haben? In Hallstatt ist er nicht nachhaltig, weder für die Umwelt noch für die Wirtschaft. Die Bewerbung Bad Ischls hat sich mit Fragen auseinandergesetzt, wie man die Menschen länger in der Region hält, wie sie sich mehr mit den Menschen, ihrer Kultur und ihren Traditionen auseinandersetzen können. Wie kann man gemeinsam mit der Bevölkerung dafür alternative Lösungen erarbeiten?"

Politik gratuliert und zahlt

Der oberösterreichische Kultur- und Finanzreferent LH Thomas Stelzer (ÖVP), der dem Projekt Bad Ischls aus Kostengründen anfangs skeptisch gegenübergestanden war, gratulierte den Organisatoren, diese hätten alle Hausaufgaben der Kommission erfüllt. "Hinter einer Bewerbung wie dieser stecken viel Zeit, Engagement und Herzblut – das Ergebnis sind zahlreiche Ideen, die die Gemeinden in der Region näher zusammen rücken lassen." Diese Chance gelte es mitzunehmen: "Das Land Oberösterreich wird die Region dabei unterstützen", versprach Stelzer. Für Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) "eröffnen sich auch für den Tourismus im Salzkammergut vollkommen neue Chancen", denn mit dem Zuschlag könne "eine neue Zielgruppe angesprochen werden und das Salzkammergut rückt noch stärker in das internationale Rampenlicht". Das Beispiel Linz09 zeige, dass ein Kulturhauptstadtjahr nachhaltig für eine Region wirke.

Als "Riesenchance für die Regionalentwicklung rund um das Ausseerland" bezeichneten der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Kulturlandesrat Christopher Drexler (beide ÖVP) die Wahl zur Kulturhauptstadt 2024. "Wir freuen uns riesig über diese Entscheidung", hieß es in einem ersten Statement über die Juryentscheidung. Mit der Entscheidung für das Salzkammergut mit Bad Ischl an der Spitze sind auch die steirischen Salzkammergut-Gemeinden Altaussee, Bad Aussee, Grundlsee und Bad Mitterndorf mit dabei. "Teil der Europäischen Kulturhauptstadt 2024 zu sein ist eine ganz große Chance und ein Meilenstein für die Kultur- und Regionalentwicklung", hielten die beiden Landespolitiker in ihrer gemeinsamen Mitteilung fest. Sie gratulierten allen Verantwortlichen der Bewerberregion zum Erfolg. Die Steiermark stehe nach Graz 2003 wieder "im ganz hellen Scheinwerferlicht der europäischen Kulturszene".

Für die Kulturhauptstadtregion Bad Ischl-Salzkammergut wurde ein Gesamtbudget von mindestens 21 Millionen und maximal 30 Millionen Euro für den Zeitraum von Anfang 2020 bis Ende 2025 veranschlagt. Die Kosten werden zu je einem Drittel von Bund, Ländern (Oberösterreich und Steiermark) und der Kulturhauptstadtregion Salzkammergut getragen. Auf Basis der Berechnung der Landesanteile anhand der Einwohnerzahlen der teilnehmenden Gemeinden ergibt sich für die Steiermark für sechs Jahre ein Anteil von 160.000 bis 240.000 Euro pro Jahr.

Vorarlberg will weiter vernetzen

Aus Vorarlberg hatte sich "Dornbirn plus Feldkirch Hohenems Bregenzerwald" um den Titel der Kulturhauptstadt beworben. "Wir haben mit der Bewerbung gemäß unserem Motto 'Outburst of Courage' den Mut bewiesen, uns dem Wettbewerb zu stellen, und gratulieren Bad Ischl aufrichtig", erklärte Projektleiterin Bettina Steindl am Dienstag in einer Aussendung.

Das Bewerbungsbüro "Dornbirn plus" werde auch ohne Zuschlag weiterhin für Vernetzung im Land und in der Bodenseeregion stehen. Ziel ist es laut Steindl, die Region "auch zukünftig aktiv und selbstbewusst auf der kulturellen Landkarte Europas zu positionieren." Der intensive Bewerbungsprozess sei nicht umsonst gewesen, manches aus dem Prozess werde dennoch umgesetzt, etwa eine "Kulturstrategie 2030" für Dornbirn oder ein Vernetzungsprojekt für Gemeinden. Mit den Mitbewerbern Bad Ischl und St. Pölten ist weiterhin ein enger Austausch geplant.

Trostpflaster Landeskulturhauptstadt

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte noch vor Bekanntgabe der gekürten Stadt eine Pressekonferenz angekündigt. Gefasst und kämpferisch haben sie und Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) sich nach der Entscheidung gegen St. Pölten gezeigt. Mikl-Leitner betonte die "unglaubliche Dynamik" zwischen Stadt und Land bei der Bewerbung. "Nehmen wir es sportlich, geben nicht auf und gratulieren Bad Ischl", sagte Stadler.

Auch eine zunächst "enttäuschte" Mikl-Leitner gratulierte dem Mitbewerber aus dem Salzkammergut, als sie im Großen Sitzungssaal des Rathauses der Landeshauptstadt meinte: "Die Kaiserstadt Bad Ischl hat den Zuschlag bekommen, daher gratulieren wir zuerst einmal." Gemeinsam mit Stadler bedankte sich die Landeshauptfrau bei allen am Projekt Beteiligten und postulierte, den "Kopf nicht hängen zu lassen". "Die Vorbereitungen waren einfach zu professionell, daher wird St. Pölten 2024 Landeskulturhauptstadt."

Die Kernpunkte der Bewerbung würden umgesetzt, erklärte Mikl-Leitner. "Wir werden Europa 2024 zeigen, was es versäumt hat." Dem schloss sich Stadler an und ergänzte: "Wir sind Stehaufmandeln, wir schauen jetzt nach vorne, wir packen es an". Der Bürgermeister will jetzt "die positiven Dinge sehen". Eigentlich gebe es keinen Plan B, die "Kulturstrategie wird umgesetzt", urgierte er. Dazu zähle unter anderem das "KinderKunstLabor", die Revitalisierung des Festspielhauses und des Klangturms und die Renovierung der Synagoge. (red, APA, 12.11.2019)