"Freiwillig trete ich nicht zurück", sagt Norbert Steger, Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats, hier mit ORF-Chef Alexander Wrabetz (links) im ORF-Sitzungssaal.

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Es gibt sie noch, die türkis-blaue Koalition von ÖVP und FPÖ – in Österreichs größtem Medienkonzern. Im Stiftungsrat des ORF, dem wichtigsten Entscheidungsorgan des öffentlich-rechtlichen Milliardenkonzerns, trägt die zweitgrößte Fraktion nach der Volkspartei weiterhin Blau. Das wird noch eine Weile so bleiben. Nur mit Verhandlungsgeschick könnten die Grünen als Regierungspartei im ORF mit der FPÖ gleichziehen.

Einige Mandate halten die Freiheitlichen bis 2022, also auch wenn der Rat die nächste ORF-Führung bestellt – sofern die nächste Regierung nicht rasch am ORF und seinen Gremien schraubt. Auch FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger ist für vier Jahre zum Vorsitzenden des entscheidenden ORF-Gremiums bestellt.

Die 35 Stiftungsräte des ORF bestellen das Management des ORF – derzeit ein Alleingeschäftsführer, der ORF-Generaldirektor sowie Direktoren und Landesdirektoren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bei Stimmengleichstand entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Und die Stiftungsräte können Manager des ORF auch absetzen – den Generaldirektor mit Zweidrittelmehrheit.

Entscheidendes Organ

Der Generaldirektor entscheidet über alle weiteren Führungspositionen – Senderchefs, Chefredakteure, Hauptabteilungsleiter. Für jedes Programmschema, für jedes Budget und für jede größere unternehmerische Entscheidung braucht die ORF-Führung eine Mehrheit im Stiftungsrat.

Wenn der Stiftungsrat im Dezember den Finanzplan für 2020 beschließt, dann ist die Mehrheit im Stiftungsrat jedenfalls noch türkis-blau. Auf 15 Mandate von 35 kommt die ÖVP, bürgerliche Unabhängige nicht mitgezählt. Acht haben die Freiheitlichen derzeit – vier auf Regierungsmandaten, drei auf Mandaten des ORF-Publikumsrats und eines der Partei im Nationalrat. Die Grünen sind nicht vertreten, seit sie 2017 den Einzug ins Parlament verpasst haben.

Nun steht ihnen ein Parteimandat von sechs zu. Aber auch wenn sich der Nationalrat schon konstituiert hat, bekommen sie diesen Sitz erst, wenn die nächste Bundesregierung angelobt ist, denn die entsendet formal auch die Parteienvertreter in den Stiftungsrat.

Eine neue Regierung kann auch neun Regierungsvertreter auf dem Küniglberg entsenden. Bisher steht es dort vier zu vier plus ein bürgerlicher Unabhängiger.

Die FPÖ erhielt 2017 mit 26 Prozent der Wählerstimmen bei der Nationalratswahl vier Regierungssitze in der Koalition mit der ÖVP – für Fraktionschef Franz Maurer, Gerhard Anderl, Markus Braun und Claudia Hasenöhrl.

Die Grünen mit nun 13,9 Prozent könnten hier weniger Sitze bekommen (und die ÖVP mehr beanspruchen). Bei zwei Regierungsmandaten für die Grünen blieben die Freiheitlichen im Stiftungsrat größer – und die ÖVP könnte alleine auf eine Mehrheit im Stiftungsrat kommen. Bei drei wären FPÖ und Grüne gleich groß.

Denn der ORF-Publikumsrat entsandte 2018 drei türkise und drei blaue Mitglieder in den Stiftungsrat. Und die sind fix für vier Jahre bis 2022 bestellt. Ergibt mit einem Parteienvertreter weiter vier Mandate für die FPÖ.

Vier Jahre Steger

Für vier Jahre ist auch Norbert Steger zum Vorsitzenden des Stiftungsrats bestellt. Nur mit einer Änderung der Geschäftsordnung* wäre er abzuberufen – aber auch für solche Änderungen braucht es Mehrheiten.

"Freiwillig trete ich nicht zurück", sagt Steger auf STANDARD-Anfrage. Die FPÖ könnte sein Parteimandat neu vergeben – sie würde allerdings damit auch den Vorsitz im wichtigsten ORF-Gremium freiwillig aufgeben.

Recht intensiv wird Politikberater Lothar Lockl als grüner Vorsitzender des Stiftungsrats unter einer türkis-grünen Regierung gehandelt – ähnlich häufig aber auch als Minister in einer Koalition ÖVP-Grüne. Beides geht sich nicht aus: Politiker dürfen – bis zu vier Jahre nach Ablauf ihrer Funktion als Minister, Abgeordneter, Parteimanager – nicht in den ORF-Stiftungsrat. Die Mitglieder sind laut Gesetz unabhängig und an keine Weisungen gebunden.

Es gibt sie also noch eine Weile, die ÖVP-FPÖ-Mehrheit im ORF. (Harald Fidler, 12.11.2019)

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