Für die Inhalte welcher Partei sind Sie empfänglich? Haben Sie Interesse an Gartenprodukten oder Biogemüse? All das hat die Post anhand gesammelter Daten erhoben – und sie verkauft.

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Die Post bringt allen was, heißt es in der Werbung so schön. Ob wirklich alle von den Dienstleistungen des börsennotierten Unternehmens profitieren, sei dahingestellt – Nutznießer dürften zumindest heimische Parteien gewesen sein. Wie im Frühjahr nach Recherchen der Plattform Addendum bekannt wurde, dürfte die Österreichische Post AG in den vergangenen Jahren mit Daten ihrer Kunden gehandelt haben. Das Vorgehen hat der Post mittlerweile mehrere Klagen eingebracht. Ende Oktober wurde sie erstmals von der Datenschutzbehörde zu einer Zahlung von 18 Millionen Euro verurteilt. Das Straferkenntnis ist nicht rechtskräftig,

Was weiß die Post über ihre Klientel? Das haben sich nach Auffliegen des Skandals Kunden gefragt und ein Auskunftsbegehren an den Konzern geschickt. DER STANDARD hat das Urteil zum Anlass genommen, einige Datensätze zu untersuchen. Viele Ergebnisse haben mit der Realität wenig zu tun.

Kilian, Mitte 20

Da gibt es zum Beispiel Kilian. Der junge Mann, der wie auch die anderen Protagonisten im wahren Leben ganz anders heißt, hat die über ihn gespeicherten Daten angefordert. Das Ergebnis sei "nicht besonders akkurat", wie er sagt. Zwar hatte der Konzern in einigen Punkten recht – so etwa bei seiner Affinität für Bioprodukte oder dass er immer wieder über den Versandhandel einkaufe. Falsch lag die Post hingegen bei seiner "möglichen Lebensphase", wie es in dem Auskunftsschreiben heißt. Laut diesem befindet sich der Angestellte in einer kinderlosen Partnerschaft. Das sei nicht richtig, sagt der kinderlose Single.

Auch bei der Einschätzung seiner politischen Neigung lag die Post bei ihrer statistischen Hochrechnung teilweise falsch: Sie dachte, Kilian sei nicht besonders offen für SPÖ-Inhalte, noch schlechter stehe es um sein Interesse an den Neos. Beides stimmt nicht, sagt Kilian. Sein Interesse am roten Parteiprogramm sei "hoch", und auch für die Inhalte der Pinken sei er empfänglicher als die Post annimmt.

Komplett falsch schätze die Post Kilians FPÖ-Affinität ein. Diese stufte der Konzern als hoch ein, was nach Angaben des Mitte-20-Jährigen ganz und gar nicht der Fall sei.

Alois, Ende 40

Anders sieht es bei Alois aus. Die Post stufte seine Interessen und Zielgruppenaffinität größtenteils richtig ein. Recht hatte das Unternehmen etwa in seiner Annahme, dass er nicht spendierfreudig sei. Auch die niedrige FPÖ-Affinität und die hohe Zustimmung zu grünen politischen Inhalten würden nahe an seinen tatsächlichen politischen Interessen liegen.

Verschätzt habe sich der Börsenkonzern bei seinen Berechnungen zu Alois' Wohnsituation, wie er erzählt. Das Unternehmen geht davon aus, dass der Ende-40-Jährige in die Zielgruppe für Gartenwerbung fällt. "Das stimmt nicht", sagt Alois. Er lebe in einer Hinterhofwohnung im Mehrparteienhaus, einen Garten gebe es in der Gegend nicht. Dass sich der Mann in seiner derzeitigen Bleibe jedoch wohlfühlt, schätzte auch die Post richtig ein: Alois fällt nicht in die mögliche Zielgruppe für Umzugswerbung.

Elena, Mitte 20

Im Gegensatz zu Kilian und Alois hat Elena eine wesentlich detailliertere Auskunft von der Post erhalten. In dem Schreiben finden sich nicht nur Informationen darüber, wie das Unternehmen die Interessen von Elena zum Stichtag eingeschätzt hat, sondern auch darüber, wie sich diese an verschiedenen Wohnorten verändert haben.

An Elenas Kindheitswohnort ging die Post davon aus, dass die Frau – damals selbst ein Kind – in einer Partnerschaft ohne Kinder lebe. Bei dieser Ansicht verblieb das Unternehmen bei allen weiteren Wohnadressen – mit Ausnahme der letzten. Hier blieb die Tabelle leer. Was sich aus Sicht der Post änderte, ist Elenas Empfänglichkeit für FPÖ-Werbung. Während diese im Haus ihrer Eltern als hoch eingestuft wurde, wechselte sie zeitweise zu niedrig, um Jahre später wieder hoch zu werden. Die FPÖ hat Elena jedenfalls weder damals noch heute gewählt, wie sie erzählt.

Lückenhafte Erhebungen

Die ausgewählten Beispiele geben natürlich nur einen kleinen Einblick in die gesammelten Datensätze. Was in den rund 10.000 heuer angefragten und erstellten Auskunftsbegehren letztlich zu finden ist, gründe darauf, "was verfügbar war", heißt es seitens der Post. Nicht bei allen Kunden wurden die gleichen Informationen erhoben, viele Angaben blieben lückenhaft. Als der Skandal aufflog, erklärte die Post, man habe keine individuellen Daten zur Parteizugehörigkeit erfasst, sondern lediglich Hochrechnungen angestellt. Laut Addendum hat die Post dafür ein eigenes Rechensystem entwickelt. Basis für die Hochrechnungen seien Umfragen, Wahlergebnisse aller Zählsprengel, Hochrechnungen und Statistiken gewesen. In dieses Rechenmodell wurden dann Alter, Geschlecht und Wohnort eingefügt und abgeglichen.

Auch die Art, wie die Daten generiert wurden, unterscheidet sich: Der Großteil der Informationen wurde nach Angaben der Post anhand verfügbarer Daten statistisch hochgerechnet. Bei manchen Unterpunkten vermerkte der Konzern, dass Daten erhoben oder zugekauft wurden. Quellen dafür gibt es laut Post mehrere, allen voran würden Adressverlage solche Daten anbieten.

Seit Bekanntwerden des Skandals habe man keine Hochrechnungen mehr gemacht, versicherte ein Sprecher dem STANDARD, im Jänner wurden die Daten gelöscht. Auch die Weitergabe der Informationen an Parteien habe man eingestellt, hieß es seitens der Post. "Damals" habe man die Daten "natürlich schon" an Parteien verkauft. (Nora Laufer, 13.11.2019)