Der Rollator soll den Alltag erleichtern, ist aber meist ungeliebt: Zeit für ein Redesign der Gehhilfe.

Foto: Robert Newald

Es gibt Dinge im Leben, auf die man nur im Notfall zurückgreift. Und selbst dann nur mit größtem Widerwillen. Vor allem bei Medizinprodukten lässt die Akzeptanz der Nutzer zu wünschen übrig. So verzichten beispielsweise nicht wenige alte oder kranke Menschen auf einen Rollator, obwohl dieses Gerät ihren Alltag erleichtern würde.

Noch größer ist die Abwehr bei Bettpfannen, Toilettenstühlen und ähnlichen mit einem sozialen Stigma behafteten Gerätschaften. Forscher und Studierende des Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege der Fachhochschule Salzburg haben sich mit diesem Problem auseinandergesetzt und in der Folge das Projekt REACT (Redesigning Health Products) ins Leben gerufen.

Gemeinsam mit Kollegen vom Studiengang Design und Produktmanagement der FH arbeiten sie nun bereits seit über einem Jahr daran, einige ebenso ungeliebte wie unverzichtbare Produkte aus dem medizinisch-pflegerischen Bereich einem forschungsbasierten Redesign zu unterziehen.

Wo es besonders hakt

"Unser Ziel ist es, sowohl die Akzeptanz als auch die Sicherheit von Medizinprodukten zu erhöhen und damit die Lebensqualität von Menschen mit krankheits- oder altersbedingten Einschränkungen zu verbessern", so Melanie Roth vom Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege. Um zu ermitteln, wo es ganz besonders hakt, haben die Projektpartner zunächst an die 50 Experten aus unterschiedlichen Bereichen des Gesundheits- und Pflegewesens sowie rund 20 Anwender in Salzburger Gesundheitseinrichtungen befragt.

Auf Basis dieser Informationen wurden schließlich sieben Produkte für ein Redesign ausgewählt und konkrete Design-Anforderungen abgeleitet. Dann ging es mit gebündeltem Gesundheits- und Design-Know-how ans Werk, um aus abgelehnten oder dysfunktionalen Objekten benutzerfreundliche und damit zumindest einigermaßen akzeptierte Hilfsmittel zu gestalten.

Kleine Änderung, große Wirkung

Den ersten Rang unter den als problematisch wahrgenommenen Produkten nahm übrigens der Rollator ein, und zwar das von der Krankenkasse bezahlte Modell. "Bei der Umgestaltung dieses Rollmobils standen weniger ästhetische als technisch-funktionale Probleme im Vordergrund", berichtet Laura Ackermann vom Studiengang Design und Produktmanagement.

"Insbesondere die Bremsen funktionieren beim Krankenkassenmodell schlecht, sodass sich die Menschen etwa auf nassem Untergrund oder beim Überwinden einer Gehsteigkante sehr unsicher fühlen."

Der neue Prototyp verfügt nun nicht nur über bessere Bremsen, sondern auch über eine Ummantelung für die Reifen, die damit deutlich rutschfester werden. "Da sich viele Menschen kein teures Rollmobil leisten können, haben wir ein Add-on zum bestehenden Kassenmodell entwickelt", so die Designerin. Eine kleine, kostengünstige und einfach anzubringende Nachrüstung, die den Alltag der Nutzer um einiges leichter und sicherer machen kann.

Sicherheit und Stabilität

Auch bei der umgestalteten Leibschüssel ging es vor allem um Sicherheit und Stabilität. "Auf den gängigen Schüsseln können die Patienten ihre Position schlecht kontrollieren und rutschen oft seitlich herunter", weiß Melanie Roth aus zahlreichen Interviews mit Nutzern und Pflegern.

"Deshalb haben wir bei unserem Prototyp die Form so geändert, dass man nicht mehr mit Hohlkreuz auf der Schüssel liegen muss, sondern eine hockende Haltung einnehmen kann." Eine ergonomische Verbesserung, die das Unbehagen auf der Toilette im Bett zwar nicht verhindern, aber zumindest etwas reduzieren dürfte.

Ergonomischer Natur sind auch die Probleme mit den aktuell eingesetzten Nierenschalen zum Auffangen von Erbrochenem. Diese sind sehr flach und haben keinen Rand, was für Pfleger und Krankenschwestern beim Entsorgen des Inhalts äußerst unangenehm sein kann. "Das neu entwickelte Design ist nun nicht mehr nierenförmig, sondern gleicht eher einem kleinen schmalen Eimer mit Griff", berichtet Laura Ackermann.

Ein anderes kritisches Objekt im Pflegebereich, mit dem sich das interdisziplinäre Projektteam beschäftigt hat, ist das Notrufsystem an Krankenhausbetten. Viele Patienten haben nämlich Probleme, zu unterscheiden, welcher Knopf wofür zuständig ist. "Wir haben bei unserem Prototyp nun eine klare Unterscheidung zwischen einem echten Notruf und einem normalen Ruf nach der Krankenschwester eingeführt", so Ackermann.

"Der Notrufknopf wurde auf der Fernbedienung sehr deutlich durch Farbe und Form hervorgehoben." Das bringt vor allem für die ohnehin sehr belasteten Pflegekräfte Vorteile, da sie solcherart leichter Prioritäten setzen können.

Funktionalität und Design

Von der Kooperation der beiden FH-Studiengänge sind nicht nur die Projektleiterinnen Melanie Roth und Laura Ackermann begeistert. Auch die Vertreter verschiedener Gesundheitseinrichtungen und Sanitätshäuser zeigten sich bei der Präsentation der ersten Prototypen höchst interessiert.

In der letzten Projektphase wollen Studierende und Forscher nun ermitteln, ob die redesignten Objekte tatsächlich besser abschneiden als vergleichbare handelsübliche Produkte. "Dabei schauen wir uns neben dem Design auch Kriterien wie Funktionalität, Benutzerfreundlichkeit und -erfahrungen oder Nachhaltigkeit sehr genau an", erklärt Melanie Roth.

Erfüllen die umgestalteten Gerätschaften die in sie gesetzten Erwartungen, werden wohl auch die Medizinproduktehersteller in absehbarer Zeit auf das Salzburger Know-how zurückgreifen. An der FH wird jedenfalls schon am Ausbau des Projekts zu einem eigenen Forschungs- und Entwicklungszentrum gearbeitet, in das künftig auch noch andere Studiengänge wie etwa Betriebswirtschaft eingebunden werden sollen. (Doris Griesser, 15.11.2019)