Bei Themen wie der Todesstrafe gibt es Verständnisschwierigkeiten zwischen Lukaschenko und Van der Bellen. Dennoch setzen beide auf das Gespräch.

Foto: STANDARD / Matthias Cremer

Niemand in Europa ist so lange am Ruder wie er: Seit 25 Jahren hält sich Alexander Lukaschenko als Präsident von Weißrussland (Belarus) an der Macht. Der autoritäre Staatschef gilt vielen als "letzter Diktator Europas". Menschenrechtler beklagen die Anwendung der Todesstrafe sowie Einschränkungen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der ehemaligen Sowjetrepublik. Die 2004 von EU und USA verhängten Sanktionen wurden erst 2016 ausgesetzt, nachdem Lukaschenko mehrere politische Gefangene freigelassen hatte.

Seine Wien-Visite am Dienstag war seither seine erste Reise in ein Mitgliedsland der Europäischen Union. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen wies Lukaschenko Kritik an der Menschenrechtssituation zurück. "Wir sind ein offenes Land", erklärte er und lobte unter anderem das dortige "Recht auf Arbeit" sowie das kostenlose Bildungs- und Gesundheitssystem.

"Zuverlässiger Partner"

Auch die Todesstrafe verteidigte er mit Hinweis auf ein Referendum aus dem Jahr 1996. Van der Bellen schlug ein Moratorium vor, damit sie zumindest nicht zur Anwendung kommt.

Ungeachtet solcher Differenzen bezeichnete Lukaschenko Österreich als "äußerst wichtigen und zuverlässigen Partner". Van der Bellen wies seinerseits darauf hin, dass Österreich der zweitgrößte Investor in Weißrussland sei: "Uns ist sehr daran gelegen, diese guten Wirtschaftsbeziehungen weiter zu vertiefen", sagte er und lobte Lukaschenko dafür, zur Annäherung seines Landes an Europa beigetragen zu haben.

Bereits im März war der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Gast in Minsk gewesen. Schon damals hatte Lukaschenko Signale der Öffnung gesetzt. Dass er etwa die EU als "eine der Stützen der globalen Sicherheit" bezeichnete, ließ sowohl im Westen als auch in Moskau aufhorchen. Die weißrussische Wirtschaft nämlich ist stark von Hilfe aus Russland abhängig. Das macht Lukaschenko gewissermaßen zum Präsidenten von Putins Gnaden – eine Rolle, die ihm angesichts der immer festeren Umklammerung durch den Kreml nicht recht sein kann: Moskau will die Vergünstigungen bei Öl- und Gaslieferungen für Minsk zurückschrauben, gleichzeitig fordert es eine stärkere Integration mit Russland.

Spuren des Holocaust

Die Todgeweihten wurden von den Nazis aufgefordert, auf ihrem letzten Weg Trinkgefäße mitzunehmen. Viele ahnten wohl, wohin die Reise geht, klammerten sich aber bis zuletzt ans Leben.
Foto: STANDARD / Matthias Cremer

Am Rande des Besuchs übergab Wladimir Gusakow, Präsident der weißrussischen Akademie der Wissenschaften, im Haus der Geschichte Österreich an dessen Direktorin Monika Sommer 17 Fundstücke vom nationalsozialistischen Vernichtungsort Maly Trostinec. Dort, am südöstlichen Stadtrand von Minsk, hatten die Nazis während des Zweiten Weltkriegs 10.000 österreichische Jüdinnen und Juden ermordet.

Auch die Aufschrift auf dem Boden eines Fläschchens belegt die Herkunft aus Wien.
Foto: Der Standard/Matthias Cremer

Die Gegenstände waren einst Habseligkeiten der Verschleppten – etwa ein Kamm "made in Austria", zwei Zwei-Groschen-Stücke oder eine Pillendose aus einer Wiener Apotheke. In Maly Trostinec hatte Kurz gemeinsam mit Lukaschenko im März ein Denkmal für die österreichischen Opfer enthüllt. Van der Bellen war 2018 bei der Grundsteinlegung dabei. (Gerald Schubert, 12.11.2019)