Gefangene mutmaßliche IS-Kämpfer in einem Gefängnis in Syrien.

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Während die deutschen Behörden die Ausweisung eines IS-Kämpfers durch die Türkei bestätigt haben, will die französische Regierung von nichts wissen. Verteidigungsministerin Florence Parly erklärte, sie habe "keine Kenntnis von der genauen Rückkehr irgendwelcher Terroristen". Es gebe auch keines der üblichen "Ausweisungsprotokolle". Diese sehen vor, dass die türkische Polizei die französischen Zöllner ein paar Tage zuvor informiert, wenn ein Syrien-Kämpfer in ein Flugzeug gesetzt und ausgewiesen wird.

Der Grund für die Pariser Diskretion: Frankreich ist das westliche Land mit den meisten potenziellen "revenants" (Rückkehrer, Gespenster). Deren 500 sollen sich derzeit in kurdischen, türkischen oder irakischen Händen befinden. Die am Montag angekündigte Ausweisung durch Ankara umfasst elf Franzosen – mehr Menschen als aus den anderen betroffenen Ländern Deutschland, USA, Irland und Dänemark. Österreicher sind fürs Erste nicht darunter.

Franzosen gegen Rückkehr

Die französische Bevölkerung wünscht diese "wandelnden Zeitbomben", wie sich Pariser Medien ausdrücken, so weit weg wie möglich: Laut einer Umfrage sind 67 Prozent der Befragten gegen die Rücknahme. Seit dem Attentat auf die Pariser Polizeipräfektur vor gut einem Monat verschärft Präsident Emmanuel Macron zudem seinen Diskurs gegen die "islamistische Hydra". Deren gefährlichste Exponenten in französische Gefängnisse zurückzuholen passt schlecht dazu. Lieber wäre es dem Staatschef, dass die Kurden und Iraker diese IS-Kämpfer aburteilen würden.

Außenminister Jean-Yves Le Drian hält sich auffällig zurück. Wirkt da bereits die türkische Drohung, nicht nur Jihadisten en masse zurückzuschicken, sondern die Grenze auch für Syrien-Flüchtlinge in die EU zu öffnen? Nicht nur: Eher scheint es, dass die französische Staatsführung ihres bisherigen Kurses selbst nicht mehr sicher ist. Der Koordinator des Pariser Antiterrorpools, David De Pas, plädiert heute offen für die Rückkehr der französischen Jihadisten. Alles andere würde in Frankreich "ein Risiko für die öffentliche Sicherheit" darstellen, meinte er. Auch die Anwältin diverser Jihad-Witwen in kurdischer oder türkischer Haft, Marie Dosé, hält die Rückkehr und Inhaftierung in Frankreich für weniger gefährlich. "In den syrischen Lagern reiben sich die radikalsten Wortführer derzeit die Hände. Sie ziehen auch Frauen, die an sich genug haben vom Jihad, auf ihre Seite, um dann Massenfluchten zu organisieren." Laut Dosé sind diese Frauen – oft auch Mütter – heute bereit, sich der französischen Justiz zu stellen.

Sofort in Haft

Die wenigen bereits zurückgekehrten Jihadistinnen werden in Paris wie die Männer umgehend inhaftiert; ihre Kinder kommen in soziale Institutionen. Der Anwalt von Opfern und Hinterbliebenen der Bataclan- und Nizza-Anschläge (224 Todesopfer), Gérard Chemla, meint ebenfalls, dass Frankreich seine Staatsangehörigen selbst verhören und verurteilen sollte. "Man kann nicht gegen die Attentate sein, ohne sich um die Urheber bereits erfolgter oder zukünftiger Attentate zu kümmern."

Die Rückkehr der Jihadisten bleibt indes unpopulär. Der konservative Ex-Innenminister Brice Hortefeux fragte am Dienstag, was passieren werde, wenn ein IS-Kämpfer seine Strafe in Frankreich abgesessen habe. (Stefan Brändle aus Paris, 13.11.2019)