Im Kapitol herrscht die Ruhe vor dem großen Anhörungsspektakel.

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William Taylor, George Kent, Marie Yovanovitch: Es sind Namen, mit denen bis vor einigen Wochen nur Washington-Insider etwas anzufangen wussten. Diese Woche tritt das Trio ins Rampenlicht, wenn im US-Kongress die öffentliche Phase der Anhörungen im Rahmen des Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump beginnt. Hinter verschlossenen Türen haben sie alle schon stundenlang auf Fragen geantwortet. Was sie vor laufenden Kameras zu sagen haben, dürfte sich kaum unterscheiden von dem, was sie bereits zu Protokoll gaben. Dennoch spricht die Opposition von einer Zäsur.

Man wolle dem amerikanischen Volk die Möglichkeit geben, sich selbst ein Urteil über die Zeugen zu bilden, sagte Adam Schiff, der Abgeordnete aus Los Angeles, der den Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses leitet. Zwar hat Schiff freigegeben, was jene Zeugen bei nichtöffentlichen Vernehmungen in einem abhörsicheren Raum im Keller des Kapitols zu Protokoll gaben. Die Aussagen summieren sich auf mehr als 2500 Seiten, aus denen die großen Zeitungen des Landes ausführlich zitierten. Nur sei es eben, argumentieren die Demokraten, etwas anderes, wenn man das alles live im Fernsehen erlebe. Zumal man damit ein deutlich größeres Publikum erreiche.

Schon gehört? Redakteur Manuel Escher erklärt, wie das Impeachment-Verfahren abläuft, warum es für alle Parteien sehr riskant ist und was passiert, wenn Trump des Amtes enthoben wird.


Zwei Wochen lang Hearings

Zwei Wochen, bis zum Thanksgiving-Fest Ende November, sollen die Hearings dauern. In diesen zwei Wochen will die Opposition der Wählerschaft darlegen, war um sie keine Alternative zu einem Impeachment Trumps sieht. Und da niemand behaupten kann, dass es sich bei den zu Befragenden um Parteisoldaten der Demokraten handelt, soll dies überzeugend geschehen.

William Taylor etwa, der 72-jährige Diplomat, der heute, Mittwoch, den Anfang macht, wurde von Außenminister Mike Pompeo aus dem Ruhestand geholt, um interimistisch die Nachfolge der geschassten Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, anzutreten. Einst hatte er die Militärakademie West Point absolviert, mit einer Luftlandedivision wurde er nach Vietnam beordert, von 2006 bis 2009 war er schon einmal Botschafter in der Ukraine.

ORF-Korrespondent Christophe Kohl berichtet aus Washington über die Ermittlungen eines möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump.
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George Kent, der Zweite im Zeugenstand, ist seit 27 Jahren im di plomatischen Dienst. Ein Staatssekretär, im State Department zuständig für Teile Osteuropas, dem niemand vorwerfen kann, Außenpolitik durch irgendjemandes Parteibrille zu sehen.

Ausgeleuchtet werden soll, was jenem Telefonat vorausging und folgte, in dem Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli um "einen Gefallen" bat, um die Aufnahme von Ermittlungen gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter, der im Aufsichtsrat des Gasunternehmens Burisma gesessen war. Mit anderen Worten, um Wahlkampfhilfe gegen einen potenziellen Rivalen. Nach allem, was man bisher weiß, gab Mick Mulvaney, der Stabschef des Weißen Hauses, eine Woche vor Trumps Gespräch mit Selenskyj die Anweisung, 391 Millionen Dollar Militärhilfe für die Ukraine zurückzuhalten.

Warum, daran hat Taylor hinter schalldichten Türen nicht den geringsten Zweifel gelassen: Das Geld sollte erst fließen, nachdem Selenskyj Nachforschungen zu den Bidens zugesagt hatte.

Republikaner hinter Trump

Dennoch bleiben Fragen, auf die es noch keine eindeutigen Antworten gibt. Kam die Order, die Auszahlung der Hilfe zu blockieren, von Trump? Oder handelte Mulvaney auf eigene Faust, womöglich in vorauseilendem Gehorsam? Seit wann drängte Rudy Giuliani, Trumps persönlicher Anwalt, der fast ein Jahr damit zubrachte, in der Ukraine Munition für die Wahlschlacht gegen Biden zu sammeln, auf ein Junktim? Seit wann wusste Trump Bescheid?

Klar ist zumindest, dass die Republikaner dem eigenen Präsidenten – bis auf wenige Ausnahmen – die Treue halten. Von einer Absetzbewegung kann bisher noch keine Rede sein. Im Gegenteil, frühere Kritiker, etwa der libertär- konservative Senator Rand Paul, klingen neuerdings wie Trump-Sprecher. Letzten Endes, argumentiert der, seien doch die Millionen für Kiew im September geflossen, während die Ukraine die Bidens mitnichten ins Visier nehme. Im Grunde gehe es also um nichts.

Worauf die Demokraten antworten, dass man mit derselben Logik auch einen versuchten Raubüberfall abhaken könnte: Dem Opfer wurde eine Pistole an den Kopf gehalten, dann schritt die Polizei ein, sodass es glimpflich abging. Niemand käme bei diesem Szenario auf die Idee, den Angreifer laufen zu lassen. (Frank Herrmann aus Washington, 12.11.2019)