Küche, Kabinett, Koch: Patrick Sowa ist wieder in Wien und kocht ab jetzt in seiner eigenen Hütte!

Foto: Gerhard Wasserbauer

Manche Adressen wirken umso begehrenswerter, je leichter man sie beim Vorbeigehen übersieht. Ihr Reiz lebt von dem Versprechen, dass nur Eingeweihte ahnen können, was sich hinter einer schmucklosen Tür für Preziosen verbergen.

Wobei, die Tür zur Seidengasse 31, von einer schummrigen Laterne beleuchtet und einem alten Postkastl bewacht, ist bei näherem Hinsehen eh nicht ganz frei von Ornament – ein kleiner Flamingo ist ins Rauchglas geätzt worden, dazu ein Spruch auf Latein: "In Homines Animalis Welfare".

Was es mit dem Vogel auf sich hat, will Patrick Sowa nicht näher erläutern, den Spruch übersetzt er: "Menschen in artgerechter Haltung". Das sei es auch, was man sich hinter der diskreten Tür erwarten dürfe.

Zuallererst ist es ein richtig kleines Zimmer, eher eineinhalb Kabinette. Im Eingangsbereich stehen neben einem DJ-Schallplattenpult und einem Kleiderständer auch ein paar alte Fauteuils und zwei Couchtische. Dahinter öffnet sich, wassergrün ausgekachelt, die Küche, ein Kobel von 2,5 mal 2,5 Metern, drei Tische haben auch noch Platz –acht Leute können da sitzen.

Winz-Tschocherl

Patrick Sowa kochte schon am Spittelberg ("1070"), im Kontrapunkt (nunmehr Bruder) in der Windmühlgasse, im Freihausviertel oder auf der Burggasse. Und das war immer gut – leichtfüßige Gemüseküche, eine bei Wiens Gutköchen viel zu seltene Passion für Meeresfisch und -früchte, wunderbare Schmorgerichte. Die vergangenen Jahre hörte man nichts mehr von dem immer noch jungen Mann, kein Wunder, da kochte er in Berlin – und lernte seine Frau Sylvia kennen.

Die hat er auch zu unserem Glück jetzt nach Wien entführen können. Gemeinsam fanden sie das Winz-Tschocherl in der Seidengasse, gemeinsam rissen sie alles bis auf die Grundmauern nieder, um sich, endlich, ihr ganz eigenes Schmuckkasterl von einem Lokal zu zimmern.

Offenbar geht es sich aus, in dieser Winzigkeit gewinnbringend zu wirtschaften, jedenfalls aber erlaubt das knappe Platzangebot Sowa ein Maximum an Flexibilität in der Küche. Das Angebot wechselt täglich.

Speisekarte in dem Sinn gibt es keine, lediglich einen Vermerk bei der Weinkarte (für die Robert Stark mit seinen wunderbar expressiven Nador-Weinen vom Eisenberg und aus Tokaji, aber auch mit köstlich mineralischem Grand-Cru-Champagner von der kleinen Winzerkooperative St. Gall den Löwenanteil beisteuert), wonach drei nicht näher ausgeführte Gänge um 31,50 Euro zu haben sind, jeder weitere Gang ist um 9,50 Euro zu haben.

Eine Schüssel voll süß gegrillter Paprikas, mit Fisolen und Minze auf tonischer Kräutercreme angerichtet und mit Oktopus gepaart.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Schmilz, Schwein!

Der Mut, sich überraschen zu lassen, wird belohnt. Vorweg gibt es etwa hauchdünne Scheiben vom Schweinsbraten, mit ein bissl Olivencreme, Kren und Kernöl angemacht, ganz herrliches Zeug, das buchstäblich schmilzt auf der Zunge.

Dann darf es eine Schüssel voll süß gegrillter Paprikas sein, mit Fisolen und Minze auf tonischer Kräutercreme angerichtet und mit Oktopus gepaart, ein wehmütiger letzter Gruß des Sommers (siehe Bild).

Mit Wildgarnelen und Erdäpfeln gefüllter Paprika bekommt auf den Punkt gegarte Muscheln zur Seite gestellt, dazu Bohnencreme und einen duftigen Paradeisfond, herrlich ist gar kein Ausdruck. Das sich so viel Meer um dieses Geld ausgehen kann verblüfft nachhaltig, also muss auch noch geschmorter Ochsenschlepp her, auf einem duftigen Hauch von Zitronenpolenta.

Reservierung ist in diesen Dimensionen natürlich unerlässlich – das von den Sowas dafür täglich geöffnete Zeitfenster (siehe unten) ist diskussionswürdig schmal. Aber es ist schon klar, dass eine Unternehmung dieser Größe nur mit Abstrichen als vollwertiges Restaurant mit allen Services funktionieren kann, die man als Gast voraussetzen möchte. (Severin Corti, RONDO, 15.11.2019)


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