Schmeiß-nix-weg-Suppe von Eva Rossmann und Manfred Buchinger aus ihrem neuen Kochbuch "Entspannt kochen – Lieblingsrezepte aus Österreich", erschienen im Pichler Verlag

Foto: Thomas Apolt

Gleich zwei gute Nachrichten zu Beginn. Zumindest an sich. Das Klima ist offenbar niemandem mehr Wurst, egal, ob man die liebt oder sich vor ihr ekelt. Kochen und Essen werden immer mehr zum gesellschaftspolitischen Thema.

Ich habe es selbst erlebt. In meinem aktuellen Kriminalroman steht die Klimakrise im Mittelpunkt, samt hoffentlich spannender Handlung und vielen Infos zum Thema. Die ersten beiden Rückmeldungen, die nicht freundlich-aufmunternder Natur waren, hatten aber weder mit Klimaschutzleugnern, Fakten über menschengemachte Klimagase oder den auch Klimaaktivisten nicht unbekannten Spielarten des Populismus zu tun. Es ging vielmehr ums Essen und um ein klimafreundliches Menü, das die Protagonistin des Buchs, Mira, zu kochen versucht.

Reaktionen

Reaktion eins, zusammengefasst: Es ist ein Verbrechen, ein Buch als Beitrag zum Klimaschutz zu tarnen und dann die Protagonistin Fleisch essen zu lassen! Mehr Heuchelei gehe denn wirklich nicht mehr.

Reaktion zwei, in der Wortwahl ziemlich deftig und entsprechend entschärft wiedergegeben: Ob mir elitärer links-grün-radikalen Feministin klar sei, dass ich für einen Polit-Gag die Jobs von Millionen Menschen aufs Spiel setze, indem mein Alter Ego über Vorteile regionaler, biologischer Ernährung labere. Hunderttausende würden von der Lebensmittelindustrie direkt oder indirekt leben, aber diese und die Fleischesser wollten Leute wie Greta und ich sowieso ausrotten.

Jetzt ist es keine Neuigkeit, dass es Spinner gibt. Und dass sich nicht nur die Erde, sondern bisweilen auch das gesellschaftliche Klima aufheizt. Ich habe beiden übrigens meine Standardantwort für Derartiges geschickt: "Herzlichen Dank für Ihre konstruktive Beschäftigung mit dem Thema, mit freundlichen Grüßen …"

Was ist schon gut?

Und natürlich gibt es eine Menge anderer Dinge zu tun, wenn wir die Klimakatastrophe noch abwenden wollen. Aber gut kochen und gut essen gehört für mich sozusagen zum Besten.

Bloß: Was ist schon "gut"? Meine beiden Kritiker würden das sehr unterschiedlich beantworten, der zweite könnte sogar "gut" und "Mensch" verbinden und es ausspucken, als wäre es grünes Gemüse.

Also, ich formuliere es anders: Wenn wir darüber nachdenken, wie auch künftige Generationen halbwegs angenehm auf unserem Planeten leben können, dann gehört die bewusstere Beschäftigung mit dem Essen zu den positivsten Facetten der notwendigen Veränderungen. Weil sie nicht nur dem Klima, sondern auch uns guttut. Uns Übersättigten und Gehetzten, Konsumjunkies, Gesundgestressten und Erlebnisfreaks der sogenannten westlichen Welt.

Aber was predige ich, die Botschaft ist seit langem unterwegs: regional einkaufen, lokal essen, besser bio, das nehmen, was in der Nähe wächst und da ist. Kaum ein Lokal mehr, das nicht damit wirbt: das Fleisch (sorry, schon wieder!) vom Huberbauern von nebenan, ohrmarkerlgeprüft, die Kräuter am besten aus dem eigenen Garten, die Zwetschken vom Nachbarn.

Instanttorten und Gulaschdosen

Blöd nur, wenn einem der örtliche Wirt dann im Großmarkt mit einem Riesenwagen voller Gulaschdosen entgegenkommt. Für ein privates Fest vom Onkel, hat er mir zugekeucht und weitergeschoben. Und wo, so frage ich mich, landen die Tiefkühlsäcke mit den vorpanierten Schnitzeln? Die Kartons mit Instanttorten, die monatelang unverändert nach gefärbtem Gips schmecken? Alles ein Schmäh, könnte man lamentieren.

Aber man darf es auch positiv sehen: Zumindest so tun als ob ist inzwischen angesagt. Das ist ähnlich wie mit der tatsächlichen Gleichbehandlung von Frauen. Und, jetzt wieder zum Essen und nur dazu: Solange alles in erster Linie billig sein soll und einige groß daran verdienen, haben eben auch die schäbigsten Produkte (Lebensmittel will ich sie nicht nennen) beste Chancen.

Ich koche, wenn ich Zeit habe, in Buchingers Gasthaus "Zur Alten Schule" mit. Da ist das meiste tatsächlich regional. Und weggeschmissen wird so gut wie nichts. Aus den Schalen von Karotten, Sellerie, Zwiebeln und Co entsteht der beste Gemüsefond. Und dafür zahlen die Leute auch noch.

Aber ein Typ, der auf vier Kontinenten gekocht und entsprechendes Medienecho hat, kann sich das wohl auch eher leisten als Josef der Dritte vom Wirtshaus "Seit Generationen". Das Fazit ist allerdings keine Billigung des Allzubilligen.

Es geht nur gemeinsam

Sondern eine Erkenntnis, die weit übers Kulinarische hinausreicht: Sie geht nur gemeinsam, die Veränderung zum Besseren. Und trotzdem darf keine auf den anderen warten und wir nicht auf die "große" Politik und diese nicht auf unser aller gemeinsamen Auftrag.

Es macht etwas aus, ob wir uns kümmern oder mit den Dumpfbacken Richtung Ende der Erdscheibe marschieren. Vielleicht geht’s am besten, wenn wir das Thema auf gut österreichisch, also ein bissl pragmatisch, sehen.

Zum Beispiel: Industriefleisch ist schädlich. Fürs Klima, für unsere Gesundheit, für unsere Bauern rundum, die zu solchen Preisen nie produzieren können. Vegane Fertigprodukte, die dick in Plastik verpackt über den halben Erdball gekarrt werden, sind es auch.

Natürlich, ich höre sie schon reden, die nicht ein bissl, sondern allzu pragmatisch Phlegmatischen: Wer hat schon Zeit, immer selbst zu kochen, wer hat schon Geld, das Gute von nah zu nehmen? Sind wir nicht letztlich Getriebene der Umstände? Achduliebegüte. Als ob nicht fast alle von uns Zeit für allen möglichen Unsinn hätten. Und Geld für absolut Unnötiges.

Abseits der Pfade

Natürlich, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wo doch ohnehin so viel auf unserer Welt anders und fremd erscheint. Wir mögen die immer gleichen Pfade und auch das Raunzen oder schön einmal die Woche protestieren zu gehen.

Deswegen gibt’s ja auch Common Food, das ist vertraut, überraschungsfrei, da wissen wir, was wir kriegen – egal, ob in einem süßlichen Brötchen oder für die, die passenderweise G’stopfte genannt werden, Gänseleber auf feinstem Porzellan.

Wie wäre es damit, endlich das Abenteuer zu wagen? Zumindest ein kleines, so zum Sich-daran-Gewöhnen? Kochen und schmecken, was echt ist. Noch nicht auf- und zubereitet, keinem mit Millionenbudgets an Werbung eingeredet. Sondern selbst ausgesucht.

Tatsächlich von nebenan oder sonst jedenfalls nah an der Natur. Und an den Menschen, die davon leben. Guter Wein aus demselben Weingarten schmeckt jedes Jahr etwas anders, je nachdem, wie viel Sonne und Regen er gesehen hat.

Spargel lässt sich Zeit, wenn es kühl ist, und schießt heraus, wenn die Hitze aufs Feld knallt. Frische Äpfel von einer Streuobstwiese duften schon anders als die in Folie erstickten Teile aus anderen Kontinenten.

Es ist wirklich die gute Nachricht zum Thema Erderhitzung: Wenn wir uns mehr um unsere Um-Welt kümmern, dann essen wir besser. Und vielfältiger. Ganz entspannt, mit oder ohne Fleisch, quasi als Übungsprogramm gegen vorgeschobene Glaubenskriege und für ein gemeinsames Leben mit erstaunlich vielen Alternativen. (Eva Rossmann, RONDO, 3.12.2019)