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Pro
von Anne Feldkamp

Mein erstes Mal war mit 14 in einer holzvertäfelten Jugendherberge in Obertauern. Die Teller wurden hier durch eine Durchreiche geschoben: "Kaiserschmarrn!" Vor mir lag ein angebranntes Gemetzel aus Teig und Rosinen, begraben unter einer Schicht Puderzucker. Ich arbeitete mich durch bis zum Boden, die 21 Rosinen wurden fein säuberlich in eine Serviette entsorgt. Zehn Tage später kehrte ich aus dem Skiurlaub nach Deutschland zurück, ohne dem Schmarrn eine weitere Chance gegeben zu haben.

Heute weiß ich: Beim zweiten Mal tut’s gar nicht mehr so weh. Noch besser – es kommt jetzt einem Bekenntnis zur Unvernunft gleich, das üppige Gemisch (Milch! Eier! Zucker!) zur Hauptattraktion auf dem Teller zu erklären.

Als ansonsten ziemlich vernünftige Vegetarierin genieße ich nun hie und da das Gefühl, das Gemüse links liegenzulassen. Und mich ungehemmt durch Mohnnudeln, Milchrahmstrudel oder Salzburger Nockerln zu löffeln. Nur die Rosinen, die landen noch immer in der Serviette.

Kontra
von Michael Steingruber

Den Leuten zu raten, sie sollen doch Kuchen essen, damit war man noch nie gut beraten. Gleich die Guillotine auszupacken ist etwas radikal. Aber zumindest mein Unmut ist all jenen sicher, die mir Süßes als Hauptspeise servieren. Ich habe dieses österreichische Spezifikum noch nie verstanden.

"Aber da fehlt doch ein Gang!", wies ich schon als Kind meine Mutter auf den vermeintlichen Fehler in der Menüfolge hin, wenn es Suppe und danach Mehlspeise zu essen gab.

Bis zum heutigen Tag konnte mir niemand glaubhaft vermitteln, wieso man die pikante Hauptspeise durch Kaiserschmarren oder Mohnnudeln austauschen sollte. Bietet der Alltag nicht schon genug Überraschungen, auf die man flexibel reagieren muss?

Da ist es doch eine willkommene Abwechslung, wenn man sich zumindest bei der Reihenfolge der Gänge einer gewissen Beständigkeit sicher sein kann. Vor- und Hauptspeise: pikant, Dessert: süß – sonst werde ich sauer! (RONDO, 13.1.2020)