Karl Felix Wolff war ein Kind des alten Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn. Als Sohn eines deutschsprachigen Offiziers aus Schlesien und einer zweisprachigen Mutter vom Tiroler Nonsberg am 21. Mai 1879 in Karlovac (Kroatien) geboren, kam er bereits 1881 nach Bozen. Dort erlernte er in der lokalen Presse das publizistische Handwerk und betätigte sich anfänglich als politischer Berichterstatter. Doch bald lenkte er sein Augenmerk auf den Reisejournalismus, vor allem auf den aufstrebenden Fremdenverkehr in Südtirol. Er verfasste Handbücher und Hotelführer, schrieb für Wiener, Münchner, Berliner Blätter und für Reisezeitschriften, am liebsten über die Dolomiten, um ein gebildetes und zahlungskräftiges Publikum in das soeben entdeckte Feriengebiet zu locken. Seine Sammlung "Dolomitensagen", erstmals 1913 als schmales Bändchen erschienen, wuchs bis 1966 zu einem umfangreichen Werk mit unzähligen Auflagen an.

"Unternehmen Dolomiten"

Die Entdeckung der Dolomiten begann im späten 19. Jahrhundert im Zuge des Alpinismus. Vorher waren sie eine abweisende Bergregion, wo der Mensch hart ums Überleben kämpfen musste. Als nun plötzlich Fremde in den abgeschiedenen Tälern auftauchten und begeistert von der Schönheit der Dolomiten schwärmten, schüttelten die Bauern anfangs wohl verständnislos den Kopf: Was sollte diese seltsame Sucht, ohne Notwendigkeit auf möglichst hohe Berge zu steigen, einfach so, als Freizeitvergnügen?

Karl Felix Wolff (1879–1966).
Foto: Forschungsinstitut Brenner-Archiv

Am Wettkampf um die unberührten Gipfel beteiligte sich halb Europa: Italiener, Engländer, Franzosen, Deutsche und natürlich Österreicher erkletterten als unersteiglich eingestufte Berge. Namen wie Paul Grohmann oder Emil Zsigmondy trugen die Kunde von den luftigen Felsnadeln hinaus in die Welt, und bald ergriff das Kletterfieber auch die Einheimischen.

Rund um den Alpintourismus wurde es schnell ein Gebot der Stunde, die nötigen Zufahrtswege zu errichten. Die Idee einer Straße quer durch das Dolomitengebiet, von Bozen bis Cortina d'Ampezzo, wurde in Bergsteigerkreisen früh angedacht und schließlich mithilfe des Wiener Kriegsministeriums auch verwirklicht. Neben wirtschaftlichen ging es um handfeste strategische Überlegungen. Die Trasse der "Großen Dolomitenstraße" verläuft in der Tat parallel zur alten Staatsgrenze zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien. Im September 1909 konnte die Anlage nach fast zehnjähriger Bauzeit eröffnet werden und erwies sich als Lebensschlagader der Dolomiten. Als sich 1915 Italien gegen Österreich stellte, wurde die militärische Bedeutung der Straße in ihrem ganzen tragischen Ausmaß klar: Noch heute sind die Spuren des Gebirgskrieges längs der Panoramastraße zu sehen.

Um 1900 war es aber noch nicht so weit. Der gepflegte Alpintourismus boomte, Teilstücke der Route waren bereits befahrbar, und die anspruchsvollen Gäste in den alpinen Grand Hotels griffen zur "Monographie der Dolomitenstraße" (1908) aus der Feder von Wolff oder zu dessen "Dolomitensagen", wo im Stil gehobener Unterhaltungsliteratur von der Wunderwelt der "Bleichen Berge" erzählt wurde.

Neben Dolomiten-Literatur verfasste Wolff auch eine Unzahl von Reisebildern aus Tirol, etwa über die damals brandneuen Bergbahnen. Doch dann brach der Weltkrieg aus ...

Der Dürrensee in den Dolomiten in einer Aufnahme von 1894.
Foto: Bildarchiv Austria

Das Ende einer Welt ...

Wolff rückte ein und war an der österreichisch-italienischen Front im Dolomitengebiet und am Gardasee im Dienst. Wegen seiner zarten Gesundheit war er in der Etappe als Übersetzer eingesetzt, da er perfekt Deutsch und Italienisch sprach und sich auch mit den Ladinern im Kriegsgebiet verständigen konnte.

Österreich-Ungarn zerbrach, Südtirol kam zu Italien. Wolff, im Geist Kakaniens erzogen, hatte Mühe, nach 1918 in Bozen wieder Fuß zu fassen. Zudem plagten ihn berufliche Sorgen. Seine Verbindungen zur deutschsprachigen Presse waren abgerissen, an Tourismus war im kriegsverwüsteten Europa nicht zu denken. Wolff wandte sich verstärkt der Schriftstellerei und dem Wissenschaftsjournalismus zu. Schon vor dem Krieg war er mit alldeutschem Ideengut in Berührung gekommen, und so publizierte er nun Aufsätze zur Rassenkunde, namentlich des alpinen Raums, da er die Frage nach der Herkunft der Ladiner klären wollte.

Der Mythos vom Urvolk

Wolff versuchte das Ladinertum vor allem ethnisch, das heißt "völkisch", zu definieren. Die Ladiner sprächen wohl eine romanische Sprache, seien aber Nachfahren eines rätischen "Urvolks", die das Erbe eines alten, edlen Blutes in sich trügen. Da wirft ein bedenkliches Weltbild seinen düsteren Schatten, doch muss dem habsburgtreuen Wolff zugutegehalten werden, dass es ihm primär darum ging, die im Namen der Latinità vom Königreich Italien erhobenen Machtansprüche zurückzuweisen. Offen politisch äußerte sich Wolff nach der Machtergreifung des Faschismus (1922) kaum, nicht zuletzt da er, als Sohn eines österreichischen Offiziers und nicht auf Südtiroler Boden geboren, jederzeit hätte ausgewiesen werden können.

Vorsichtig versuchte er in der italienischen Tourismuspublizistik Fuß zu fassen, was ihm auf dem sich langsam erholenden Reisemarkt auch gelang. Er italianisierte seinen Namen in "Carlo Felice" und verfasste Broschüren über Gröden oder über Cortina d'Ampezzo, das von den faschistischen Machthabern zum High-Society-Treff ausgebaut wurde.

Der Zweite Weltkrieg brach aus und ging vorüber. Als Südtirol 1943 bis 1945 unter nationalsozialistische Besatzung geriet, stellte Wolff sich in den Dienst des sogenannten SS-Ahnenerbes. Man schätzte seine heimatkundliche Expertise, doch war er dem Regime wegen seiner "pazifistischen" Haltung nicht geheuer. Wolff blieb zeitlebens ein völkisch denkender Alldeutscher, hielt aber Abstand zur NS-Ideologie.

Die Erfindung der "Bleichen Berge"

Mit dem Beginn des Wirtschaftswunders entwickelte sich ab den 1960er-Jahren der Massentourismus. Dieser Entwicklung war Wolff nicht mehr gewachsen. Er lebte zurückgezogen in Bozen und widmete sich seinem Lebenswerk, den "Dolomitensagen", die 1957 ihre "erste Gesamtausgabe" erlebten.

Wolffs Gespür für die erstaunlichen Überlieferungen der Ladiner schenkte dem Gebiet einen Klassiker der Sagenliteratur. Die Dolomiten hätten einst, so heißt es, genauso ausgesehen wie alle Berge der Alpen, grau und düster. Doch dann umhüllten zauberkundige Salváns ("wilde Männer") das Gebiet mit einem hellen Gespinst aus Mondlicht: Eine traumverlorene Erinnerung umweht seitdem die lichten Gipfel, man nennt sie die "Bleichen Berge".

Titelblatt von Wolffs "Monografie der Dolomitenstraße ..." – das verwendete Bild stammt von seinem Bruder Richard Wolff (1880–1964).
Foto: Forschungsinstitut Brenner-Archiv

Verwunschen ist auch König Laurins Rosengarten. Die mittelhochdeutsche Märe vom Kampf zwischen dem Zwergenritter Laurîn und Dietrich von Berne kennt wohl diesen magischen Garten, nicht aber das Ende vom Lied: Der besiegte Laurîn habe den Garten zu Stein werden lassen, damit niemand mehr seine Pracht sehen könne, weder bei Tag noch bei Nacht. Doch er hatte die Dämmerung vergessen, sodass man bei Sonnenuntergang den Widerschein seiner Rosen an den Wänden der "Bleichen Berge" erstrahlen sieht.

Motive solcher Art passten allerdings nicht in die Tiroler Sagenlandschaft. Die Fachwelt beäugte Wolff mit Misstrauen, und die Tatsache der offenkundigen Bearbeitung der in der europäischen Tradition oft einzig dastehenden Motive führte zur Beurteilung der Sammlung als Kunstsagen, wenn nicht gar als literarische Erfindung. Das sagt heute niemand mehr. Wolff hat die Sagen der Dolomitenbewohner nicht erfunden, wohl aber im Stil der Brüder Grimm "um-erzählt". Es ist nun Aufgabe der Kulturanthropologie, die autochthonen Motive freizulegen.

Dem nicht unumstrittenen Autor der "Dolomitensagen" wurde 1960 der erste Walther-von-der-Vogelweide-Preis zuerkannt; schon ab 1951 war er Mitglied der Accademia Roveretana degli Agiati. Karl Felix Wolff starb am 25. November 1966 in Bozen. Sein Nachlass liegt im Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck. (Ulrike Kindl, 20.11.2019)