Foto: Institut für Archäologien, Universität Innsbruck

Lienz – Die Praxis, sich die Kultstätten älterer Religionen anzueignen und sie für einen neuen Glauben umzufunktionieren, begann nicht erst mit der Kirche. Ein antikes Beispiel für einen solchen Wechsel findet man vor den Toren von Lienz in Osttirol: Der Klosterfrauenbichl, ein 150 Meter hoher Hügel, war erst für die Kelten, dann für die Römer eine heilige Stätte. Seit 2014 sind dort Archäologen der Universität Innsbruck am Graben und haben bereits eine Reihe von Fundstücken aus beiden Kulturen freigelegt.

Historischer Hintergrund

Der keltische Stamm der Laianken hatte den Hügel erstmals als Heiligtum genutzt. Bereits in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung wurden an dem Ort heilige Riten und Weihungen durchgeführt. Mit der Besetzung der Region durch die Römer um die Zeitenwende herum wurde der Hügel dann zu einem römischen Heiligtum.

"Mit jeder Grabung hat sich der Platz als noch bedeutender erwiesen als bisher vermutet", sagt Archäologe Gerald Grabherr. Gemeinsam mit Barbara Kainrath und einem Team arbeitet er am Klosterfrauenbichl, der mittlerweile wieder einer anderen Religionsgemeinschaft gehört – nämlich den Dominikanerinnen.

Die Feuerböcke stammen noch aus keltischer Zeit.
Foto: Institut für Archäologien, Universität Innsbruck

Die seitdem auf dem Hügel gemachten Funde können sich sehen lassen: "Bei unseren Grabungen sind wir auf eine aus der Erde ragende Hand gestoßen und konnten dann eine bronzene Kriegerstatue aus der keltischen Zeit freilegen", so Grabherr. Auch Fibeln, Votivbleche aus Bronze, Münzen und sogar Teile einer keltischen Kriegstrompete, einer sogenannten Carnyx, haben die Forscher entdeckt.

"Wir konnten erstmals in Österreich auch Fragmente einer Carnyx, mit Wildschwein- oder Drachenkopf, bergen. Allgemein bekannt wurde diese auch in den Comics von 'Asterix und Obelix', in denen Troubadix diese Carnyx mit sich führt", sagt Kainrath. Auch mit Stierkopfenden versehene eiserne Feuerböcke – also Gestelle, auf die das Feuerholz gelegt wurde – wurden als Weihegaben am Heiligtum deponiert.

Keltische Siedlung noch nicht gefunden

In keltischer Zeit wurde der Hügel als Stammesheiligtum genutzt, wobei die Archäologen die eigentliche Siedlung des Stammes noch nicht lokalisiert haben. "Wahrscheinlich hat sich diese an dem Platz befunden, wo heute Lienz steht. Mit dem Fund des Heiligtums haben wir überhaupt erst den ersten Hinweis auf die Laianken", so Kainrath.

Dass dieser keltische Stamm im Lienzer Becken beheimatet war, sei laut Grabherr und Kainrath bereits bekannt. Allerdings fehlten bisher eindeutige Hinweise auf deren Leben. "Wir haben in Lienz nun das erste Heiligtum entdeckt, das noch nicht von anderen Bauwerken überbaut worden ist. So haben wir erstmals die Möglichkeit, auch die Nutzungsgeschichte dieses Ortes zu rekonstruieren."

Die Invasion aus dem Süden

Auch Hinweise auf die Eroberung des Gebietes durch die Römer hält der Hügel bereit – etwa Waffenfunde oder Schuhnägel römischer Legionäre. Nach dem Einzug der Römer wurde das Heiligtum monumentalisiert: "Die Römer haben den heiligen Platz der Kelten übernommen und an ihre Traditionen angepasst", so Kainrath.

Aus dieser Zeit wurden ebenfalls interessante Funde freigelegt. Dazu gehören unzählige kleine Zinnfiguren, sogenannte Votivstatuetten. "Insgesamt konnten wir rund 600 Fragmente in unterschiedlicher Größe und unterschiedlichem Erhaltungszustand bergen. Diese Figuren stellen das umfangreichste Ensemble solcher Zinnstatuetten im gesamten römischen Weltreich dar", berichten die beiden Archäologen.

Der Jupiter vom Klosterfrauenbichl.
Foto: Institut für Archäologien, Universität Innsbruck

Ergänzend zur keltischen Kriegerstatuette konnten die Wissenschafter ein römisches Pendant aus Bronze freilegen. "Als Prunkstück der Forschungen im Jahr 2019 wurde eine Bronzestatue des Gottes Jupiter geborgen", sagte Grabherr. Der Klosterfrauenbichl werde die Wissenschaft noch länger beschäftigen, bevor dieser mystische Platz wieder der Bevölkerung zugänglich gemacht werde. (red, APA, 13. 11. 2019)