In der Amtszeit von Innenminister Herbert Kickl (links) wollten Ermittler auf Druck des BVT (rechts Direktor Peter Gridling) das Smartphone einer Abgeordneten beschlagnahmen.

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Stephanie Krisper zeigt sich über die geplante Beschlagnahmung ihres Smartphones entsetzt.

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Das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) hat wohl auf Druck von hochrangigen Verfassungsschützern versucht, das Smartphone der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper beschlagnahmen zu lassen. Das geht aus einem Dokument hervor, das in Justizkreisen ventiliert wird und dort für Aufregung sorgt. Anlass war die Suche nach einem angeblichen "Maulwurf" im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der die Abgeordnete über interne Vorgänge informiert haben soll. Krisper war zu dieser Zeit im parlamentarischen U-Ausschuss zur BVT-Affäre tätig,

Smartphones von Abgeordneten gelten als besonders sensibel, da dort oftmals brisante Informationen über Quellen gespeichert sind. Eine Beschlagnahmung der Smartphones wäre ein drastischer Eingriff in das freie Mandat gewesen. Wohl auch deshalb lehnte die Staatsanwaltschaft Wien das Begehren des BAK ab. Der Antrag dazu wurde im Mai noch unter der Amtszeit von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) gestellt, die Absage kam in den ersten Tagen der neuen, parteifreien Regierung. Das BAK ist Teil des Innenministeriums, die Staatsanwaltschaft ressortiert hingegen zum Justizministerium.

Die Staatsanwaltschaft Wien will einzelne Ermittlungsschritte nicht öffentlich erörtern, gibt aber an, dass "Anregungen durch die Polizei keine Rechtswirkung haben". Das Innenministerium bestätigt die "Anregung" des BAK, dementiert allerdings, dass der Verfassungsschutz diesen Schritt beeinflusst hat. Die Recherchen des STANDARD wurden von Justizkreisen bestätigt, auch die Tageszeitung Österreich berichtet darüber. Unklar ist, ob nur Krispers Smartphone oder auch die elektronischen Geräte anderer Politiker oder Journalisten ins Visier genommen wurden.

Vergangenes Jahr warnten in gemeinsamen Erklärungen bereits die Chefredakteure fast aller österreichischen Tageszeitungen und Magazine vor Razzien in Redaktionen. Derartige Pläne waren zuvor aus Sicherheits- und Justizkreisen an Medien herangetragen worden.

"Nicht einmal Abgeordnete sicher"

Krisper zeigt sich über die geplante Beschlagnahmung ihres Smartphones entsetzt: "Was ist das für ein Innenministerium gewesen unter Herbert Kickl? Ohne Stopp der Justiz wäre da wohl auch nicht einmal eine Nationalratsabgeordnete sicher gewesen. Ermittlungen würden nach politischem Kalkül priorisiert werden, sagt Krisper, "denn einschüchternd könnte auf manche ein Ermittlungsverfahren schon sein. Auf mich nicht."

Aus dem Büro Kickl hieß es nach dem Erscheinen des Artikels, dass der damalige Minister und sein Kabinett nicht über den Vorschlag des BAK informiert gewesen sind. Hätte Kickl davon erfahren, hätte er dem nicht zugestimmt, sagte ein Sprecher. Er verwies außerdem darauf, dass das BAK zu den Agenden der damaligen Staatssekretärin Karoline Edtstadler gehörte.

Die Neos hatten bereits vor der Aufdeckung der geplanten Beschlagnahmung den Nationalen Sicherheitsrat einberufen, um über das BVT zu beraten. Er wird nun binnen vierzehn Tagen zusammentreten. Das Amt war in den vergangenen Wochen wieder in den Schlagzeilen gelandet. So berichtete die Tageszeitung "Österreich" über sexistisches Mobbing durch einen Abteilungsleiter, ihre Onlineausgabe oe24.at brachte einen Bericht über massive Sicherheitsmängel, die Partnerdienste dem Verfassungsschutz attestierten – wegen dieses Artikels ging bereits eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft.

Mysteriöse Observationseinheit

Das dürfte aber erst die Spitze des Eisbergs sein. Hinter den Kulissen wird seit Monaten über merkwürdige Vorgänge im Verfassungsschutz gemunkelt. So entdeckte der parlamentarische U-Ausschuss kurz vor seinem Ende, dass ohne das Wissen von BVT-Chef Peter Gridling eine geheime Observationseinheit aufgebaut wurde, die großteils aus einstigen Militärs bestand. Offenbar war diese bereits kurzfristig aktiv, allerdings ist unklar, wen sie beschattete. Auch ist nicht sicher, wo die Mitarbeiter inzwischen gelandet sind. Das wird vom Innenministerium dementiert, alle Observationen seien vom Rechtsschutzbeauftragten oder von der Staatsanwaltschaft genehmigt worden.

Verdeckter Ermittler muss fliehen

Außerdem mussten offenbar Maßnahmen ergriffen werden, um verdeckte Ermittler zu beschützen. Eine Liste an Mitarbeitern war dem U-Ausschuss übermittelt worden, die Namen könnten daraufhin an gefährliche Kreise gesickert sein. Ein BVT-Mitarbeiter soll sogar gemeinsam mit seiner Familie nach Deutschland gebracht worden sein. Die Reform des BVT steht auf der Agenda des Interimsministers Wolfgang Peschorn, allerdings ist unklar, in welche Richtung sich das Amt entwickeln soll. Bisher drangen kaum Informationen darüber nach außen. Auch Abgeordnete beschweren sich über die mangelnde Transparenz beim Reformvorgang. Dieser wurde bereits von Kickl angestoßen. Im BVT ringen allerdings einige unterschiedliche Fraktionen um die Macht: die "alte Garde" rund um den großkoalitionären Peter Gridling gegen Kickl-Sympathisanten, die bis vor kurzem Aufwind verspürt haben. (Fabian Schmid, 13.11.2019)