Fliegen wie ein Adler auf dem Wind der Veränderung: Celine Dion, die erfolgreichste Sängerin aller Zeiten.

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Die Liebe ist im Universum bekanntlich die größte Kraft, die einfach alles schafft. Selten weiß jemand mehr Lieder davon zu singen als Céline Dion. Diesbezüglich steht die 51-jährige Kanadierin nach mehr als zwei Jahrzehnten immer noch als CEO im Dienst eines globalen Unternehmens, nein, eines Ideals.

Im Zeichen industriell gefertigter Tools zu den Themen "Nibelungentreue", "Trost", "Rat", "Durchhalteparolen", inklusive handelsüblicher Akkordprogressionen zur Pathossteigerung, wird eines angestrebt: Aus reinem Kalkül gefertigte Powerballaden sollen mittels falscher Gefühle für ehrliche Rührung beim Publikum sorgen. Heult doch!

Im Laufe ihrer Karriere wurden dabei für Céline Dion nicht nur Musiker, Arrangeure, Stylisten, Marktforscher, Videoclip-Regisseure und sündteure Produzenten wie George Martin (Beatles) oder Jim Steinman (Meat Loaf) in Kompaniestärke aufgeboten.


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Auch bei den Komponisten wollte man bei Céline Dion mit ihren bis heute 250 Millionen verkauften Tonträgern weltweit nicht sparen: Carole King, Diane Warren oder Max Martin arbeiteten für sie. Auch Duettpartner wie der ziemlich tote Elvis Presley, Barbra Streisand, Andrea Bocelli oder Luciano Pavarotti konnten für Kollaborationen gewonnen werden. Erfolgsfördernd sang Céline Dion noch dazu während der letzten Jahre sage und schreibe 1110 Shows in Las Vegas mit einem Umsatz von 650 Millionen US-Dollar. Sie steuerte auch für diverse familienfreundliche Blockbuster die Titellieder bei, unter anderem für die Schöne und das Biest, schlaflose Leute in Seattle oder glücklose Atlantiküberquerer.

Phönix aus der Asche

Mag auch im Leben alles tragisch enden, die Liebe hört in Liedern wie "Because You Loved Me", "It’s All Coming Back to Me Now" oder dem schon ab zehn Zentimeter Meerestiefe nicht mehr wasserdichten Tränendrüsendrücker "My Heart Will Go On" niemals auf.

Nach tragischen Todesfällen in ihrer Familie – ihr Mann und ihr Bruder starben 2016 innerhalb von zwei Tagen – kehrt Céline Dion nun mit dem Album "Courage" und üppigen 20 Songs auf den Markt zurück. Ähnlich wie bei ihrer deutschen Konkurrentin Helene Fischer generell ist speziell diese Arbeit Dions im Zeichen der Trauer, des Verlusts und gleichzeitig des Durchhaltens und neuen Aufbruchs (Phönix aus der Asche!) etwas überambitioniert und noch durchkalkulierter und kaltklingender als üblich geraten.

Bullshit-Bingo mit Musik

Es wurden nicht nur diverse skandinavische Songwriting- und Produktionsteams eingeflogen, die seit Jahren dafür sorgen, dass globaler Formatradiopop komplett austauschbar und antiseptisch klingt. Mit Vollplayback-DJ-Gott David Guetta, Vielschreiberin Sia, Sam Smith und Leuten von Bruno Mars, Miley Cyrus oder Pink, Franz Ferdinand (!) und Paul McCartney wird auf Courage ein Kessel Buntes geöffnet, der wie ein Shoppingcenter funktioniert. Hier ist für jeden etwas dabei.

Wir hören Latino-Rhythmen, zärtlichen "Rock", Erwachsenenlieder mit Lagerfeuergitarre im Stile Sheryl Crows oder Schnäuztuch-Balladen ("I laid a dozen roses for the lover that I lost ..."). Dank David Guetta setzt es leider auch EDM mit rüstigem Autotune-Effekt im Stile Chers. Bullshit-Bingo-Texte? Jau! "I’m flying on my own/ I’m free like an eagle ... Sailing the winds of change!"

Das hat Celine Dion nun wirklich nicht nötig. Sie kann uns auch so das Herz mit ihrer Laserschwertstimme in zwei Hälften schneiden. Ach ja, Neurowissenschafter haben herausgefunden, dass, während das Lied My Heart Will Go On gesungen wird, Gehirnzellen absterben. Schmäh. (Christian Schachinger, 13. 11. 2019)